Finanzvorstände im Stimmungstief
ab Köln – Selten war die Stimmung unter deutschen Finanzvorständen derart trüb wie in diesem Herbst. „Der Abschwung ist jetzt bei den Unternehmen angekommen“, fasst Alexander Börsch, Chefökonom und Leiter Research bei Deloitte, die Ergebnisse der Herbstumfrage unter 124 Finanzvorständen deutscher Großunternehmen zusammen. „Die aktuelle Liste der Krisen, mit denen Unternehmen derzeit kämpfen, ist so lang wie wahrscheinlich nie zuvor“, bringt es Börsch auf den Punkt.
Hatte sich der Stimmungsumschwung bereits im Frühjahr abgezeichnet, haben sich seither alle abgefragten Parameter verschlechtert – Konjunktur- und Geschäftsaussichten, Inflationserwartung und operative Margen. In der Folge stehen Kostensenkungen bei den Unternehmen hoch im Kurs, während die Investitions- und Beschäftigungsabsichten ins Minus gerutscht sind. Die wahrgenommene ökonomische Unsicherheit ist auf den höchsten Stand seit Beginn des CFO Survey im Jahr 2012 gestiegen. Mit 85% stufen so viele CFOs wie nie zuvor die Unsicherheit als hoch bzw. sehr hoch ein. Laut Umfrage tragen dazu neben geopolitischen Risiken vor allem die Energie- und Lohnkostenentwicklung sowie Fachkräftemangel bei.
Waren im Frühjahr vor allem die Geschäftsaussichten ins Wanken geraten, hat sich dieses Risiko inzwischen materialisiert. Insbesondere in Deutschland und der Eurozone wird die wirtschaftliche Lage überwiegend negativ beurteilt. Der Wirtschaft in der Eurozone bescheinigt mehr als die Hälfte der Befragten eine schlechte bis sehr schlechte Lage. Eine Verschlechterung der ökonomischen Aussichten erwarten sogar mehr als zwei Drittel. Besonders pessimistisch hinsichtlich der eigenen Geschäftsaussichten sind hierzulande Unternehmen aus der Chemiebranche, der Immobilienwirtschaft und der Automobilindustrie.
Zugleich bleiben die Inflationserwartungen der Finanzchefs auf hohem Niveau. Wenngleich für 2023 mit 7,1% mit einer niedrigeren Teuerungsrate gerechnet wird als von Wirtschaftsinstituten prognostiziert, sind die CFOs hinsichtlich der Dauer pessimistischer. Gemäß der Umfrage rechnen die Befragten für 2024 immer noch mit einer Inflationsrate von 4,8%, derweil die Konjunkturforscher dann schon einen Rückgang Richtung der von der EZB angestrebten 2-Prozent-Marke vorhersagen.
Grund dafür sind erwartete Lohn- und Gehaltssteigerungen, die die Unternehmen für die nächsten zwölf Monate mit 5,3% angeben. In der Folge treten die Unternehmen bei Investitionen auf die Bremse. Die geringste Investitionsbereitschaft besteht nach der Umfrage in der Autoindustrie und im Maschinenbau. Als größte Risikofaktoren gelten mittlerweile die steigenden Energiekosten, gefolgt von steigenden Lohnkosten, Fachkräftemangel und geopolitischen Risiken. Stark zugenommen hat auch die Gefahr einer schwächeren Inlandsnachfrage.
Von den steigenden Energiekosten sind insbesondere die Sektoren Automobil, Chemie, Gesundheitswesen und Pharma betroffen. Der Fachkräftemangel entwickelt sich vor allem für die Autoindustrie, den Bau, das Gesundheitswesen und die Logistik- und Transportbranche zum Problem.
Der Stimmungsabschwung setze sich weiter fort und nähere sich in wichtigen Indikatoren Tiefstständen in der zehnjährigen Geschichte des Survey. „Dies passt zum konjunkturellen Umfeld in Deutschland, in dem eine Rezession ab dem vierten Quartal bis zum Frühjahr 2023 das wahrscheinlichste Szenario ist“, sagt Börsch.