RECHT UND KAPITALMARKT

Fonds in Auflösung bieten Chancen

Innovatives Konzept: Öffentliche Erwerbsangebote für Anteile an offenen Immobilienfonds - Pionierfälle als Blaupause

Fonds in Auflösung bieten Chancen

Von Christoph H. Seibt und Heiko Jander-McAlister *)Innovative Opportunity Funds haben ein neues Investitionsfeld ausgemacht: Unterbewertete “distressed assets” in Form von Anteilen an solchen offenen Immobilienfonds, die derzeit nach den Bestimmungen des Investmentgesetzes (InvG) aufgelöst werden. Zum Stichtag 31. März 2014 wurden 14 offene Immobilien-Publikumsfonds mit einem Gesamt-Nettoaktivvermögen von über 15 Mrd. Euro nach Kündigung der Fondsverwaltung durch ihre Kapitalanlagegesellschaften aufgelöst; ein weiterer Fonds ist “eingefroren”.Die Fonds in Auflösung müssen innerhalb der Kündigungsfrist ihre Immobilienbestände vollständig veräußern und die Netto-Verkaufserlöse an die Anteilsinhaber ausschütten. Gelingt dies nicht, sind die Restimmobilien – laut Auffassung der (deutschen) Finanzverwaltung: nach Anfall von Grunderwerbsteuer – durch die Depotbanken der Fonds zu verwerten. UnterbewertetDie zumeist an der Fondsbörse Hamburg notierten Anteile an den offenen Immobilienfonds spiegeln nach verbreiteter Ansicht den durch sie repräsentierten Immobiliengesamtwert aus zwei Gründen nicht wider: (1) Der Kapitalmarkt bewertet das Immobilienvermögen mit einem sehr signifikanten Risikoabschlag auf den Net Asset Value (NAV), um einerseits die Zwangsverkaufssituation und andererseits die zeitliche Unsicherheit über den Erlöszufluss sowie die etwaig zwischenzeitlich eintretende Zusatz-Grunderwerbsteuerbelastung zu berücksichtigen. (2) Die Bewertung der Fondsanteile auf der Börsenplattform ist in dieser Krisensituation aufgrund der geringen Marktliquidität und des hohen Retailanteils an Anteilsinhabern deutlich subeffizient.Bei professioneller und effizienter Veräußerung der Fondsimmobilien könnten – so auch aktuelle Studien von Immobilien-Beratungsunternehmen – die auf die Anteile entfallenden Veräußerungserlöse deutlich über den derzeitigen Börsenwerten liegen. Die Strategie bestimmter Opportunity Funds ist daher dreistufig angelegt: Identifikation der Publikumsfonds, deren Anteile im Vergleich zum vermittelten Immobilienbestand deutlich unterbewertet sind; Abgabe eines öffentlichen Erwerbsangebots unter Nutzung der Giro-Sammelverwahrung der Anteile; Kommunikation mit dem Fondsmanagement über die Verwertungsoptionen der Einzelassets. Für die Schritte 2 und 3 gibt es kein ausbuchstabiertes Regularium.Zunächst unterliegen öffentliche Erwerbsangebote für Anteile an offenen Immobilienfonds – anders als Kaufangebote für Aktien – nicht den Bestimmungen des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes (WpÜG). Denn die Fondsanteile vermitteln weder Stimmrechte noch einen vergleichbaren Rechtseinfluss auf das Fondsmanagement. Eine präventive BaFin-Überwachung mit Prüfung des Erwerbsangebots findet daher nicht statt.Allerdings heißt das auch nicht, dass für solche Angebote ein “Anything goes”-Prinzip gälte. Vielmehr sind die allgemeinen Prinzipien des Kapitalanlegerschutzes zu beachten, da die Fondsanteile öffentlich gehandelte Wertpapiere im Sinne des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) sind. Demnach ist bei der Ausgestaltung des Erwerbsangebots auf ein ausreichendes Maß an Informationsgehalt, inhaltliche Transparenz sowie eine prinzipielle Gleichbehandlung der Anteilsinhaber und schließlich eine faire Verfahrensabwicklung mit ausreichender Bedenkzeit für die Anteilsinhaber zu achten.Weiterhin gelten selbstverständlich das Verbot der Marktmanipulation (§ 20a WpHG) und die Insiderhandelsverbote (§§ 13 ff. WpHG). Schließlich ziehen die gesetzlichen Vorgaben für Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) bestimmte Grenzen, wie die Unzulässigkeit intransparenter oder überraschender Klauseln.Neben diesen rechtlichen Vorgaben führt die Clearstream Banking AG als Abwicklungs- und Verwahrstelle einen “Seriositäts-Check” des Angebots durch. Sie fordert insbesondere bestimmte Angaben zum Bieter, die Erklärung, dass ein Know-Your-Customer-Check ohne Beanstandung durchgeführt wurde, sowie bestimmte Informationen zur inhaltlichen Ausgestaltung des Angebots (zum Beispiel darf der Angebotspreis nicht mehr als 10 % unter dem Börsenkurs liegen).Für die praktische Durchführung des Angebots muss ein Finanzinstitut als zentrale Abwicklungsstelle eingeschaltet werden. Dieses beantragt eine Interims-ISIN für die aufgrund des Angebots angedienten Anteile und ist zusammen mit den Depotbanken der einzelnen Anteilsinhaber für die Angebotsabwicklung verantwortlich. Neben einer Angebotsunterlage kann es sich zur Erhöhung der Erfolgsaussichten des Angebots anbieten, insbesondere für die Retailanleger die wirtschaftlichen Eckpunkte des Angebots in einem knappen Informationsblatt zusammenzufassen.Damit alle adressierten Anteilsinhaber Zugang zu dem Angebot erhalten, ist eine entsprechende Website einzurichten. Zum sicheren Ausschluss der Anwendbarkeit des US Securities Act 1933 sind US-Anleger durch einen Postleitzahlenfilter und entsprechende Disclaimer davon abzuhalten, die Angebotsunterlage zur Kenntnis zu nehmen.Die Angebotsunterlage enthält ein verbindliches Angebot des Bieters an die adressierten Anteilsinhaber, die Fondsanteile innerhalb einer bestimmten Angebotsfrist zu einem bestimmten Angebotspreis und regelmäßig bis zur Höhe eines bestimmten Erwerbskontingents zu erwerben. Soll die Angebotsfrist zeitgleich mit der Preisfestlegung und der Angebotsveröffentlichung beginnen, sollte sie mindestens vier Wochen betragen, um eine ausreichende Erfolgsaussicht zu haben. Denn es dauert bereits bis zu einer Woche, bis die Depotbanken die entsprechenden Anteilsinhaber von dem Angebot informiert haben, so dass die tatsächliche Entscheidungsfrist dann etwa drei Wochen beträgt.Da sich während der Angebotsfrist die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ändern können, ist es für die Bieter empfehlenswert, bestimmte Vorbehalte in die Angebotsunterlage aufzunehmen, beispielsweise: Verlängerung der Annahmefrist; Reduzierung des Angebotspreises bei Ausschüttung des Zielfonds nach Veröffentlichung der Angebotsunterlage (so geschehen bei Axa Immoselect im März 2014; Erhöhung des Erwerbskontingents; Regelung zur Annahme bei Angebotsüberzeichnung; Unwirksamwerden des Angebots bei wesentlichen Umfeldänderungen (z.B. Unterschreiten einer Dax-Indexmarke; MAC-Klausel).Die Angebotsveröffentlichung erfolgt in der Regel auf drei Wegen: Sonderwebsite, Hinweisbekanntmachung im Bundesanzeiger und Einstellung “technischer Hinweise” der zentralen Abwicklungsstelle in den Wertpapiermitteilungen als dem Intra-Bankenmitteilungssystem, durch das die Depotbanken der Anteilsinhaber Kenntnis von dem Angebot erhalten. Zur Attraktivitätserhöhung wird der Bieter jedenfalls für deutsche Anleger die üblichen Depotbankkosten im Zusammenhang mit der Angebotsannahme übernehmen und diese wirtschaftlich in das Gesamtangebot einpreisen. Taktische FrageIn der Regel fünf bis zehn Tage nach dem Ende der – gegebenenfalls verlängerten – Angebotsfrist kommt es zum Settlement, also zur Übertragung der angedienten Anteile an den Bieter gegen Kaufpreiszahlung. Eine deutlich längere Settlement-Frist dürfte AGB-rechtlich schwer zu verteidigen sein. Ob der Bieter nach Angebotsabwicklung seine Anteilsbesitzquote öffentlich macht, ist in jedem Fall eine taktische Frage: Die WpHG-Mitteilungspflichten knüpfen alleine an Stimmrechte an, so dass eine gesetzliche Bekanntmachungspflicht nicht besteht. Allerdings sehen die Anlagebedingungen mancher Fonds ab einer bestimmten Anteilsbesitzquote Meldepflichten gegenüber dem Fondsmanager vor, zum Beispiel zum Tracking oder zur Vermeidung der französischen 3 %-Immobilienbesteuerung.Bei unveränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ist damit zu rechnen, dass insbesondere Opportunity Funds weitere öffentliche Kaufangebote für Anteile an offenen Immobilienfonds abgeben werden. Die jetzt in den Pionierfällen gefundenen Angebotsstrukturen können aber auch als Blaupause für Angebote zum Erwerb anderer Kapitalanteile und Schuldtitel dienen, die in engen und daher ineffizienten (grauen) Kapitalmärkten gehandelt werden.—-*) Prof. Dr. Christoph H. Seibt, Honorarprofessor an der Bucerius Law School, ist Partner, Dr. Heiko Jander-McAlister Principal Associate im Hamburger Büro von Freshfields Bruckhaus Deringer.