IPO

Freie Fahrt für Sensetime an die Hongkonger Börse

Sensetime hat eine Genehmigung erhalten, in Kürze einen Börsengang an der seit Monaten von Neuzugängen völlig verwaisten Hongkonger Börse anzustreben.

Freie Fahrt für Sensetime an die Hongkonger Börse

Von Norbert Hellmann, Schanghai

Die aufwendige Regulierungskampagne der chinesischen Regierung im Internet- und Technologiebereich hat den zuvor reichhaltigen Zustrom von Digitalsektorfirmen an die Börsen in New York und Hongkong seit Jahresmitte komplett versiegen lassen. Eine Flut von Auflagen zur Datenschutzkontrolle und Wahrung aller erdenklichen Aspekte von nationaler Sicherheit stellt Chinas Start-up-Firmen im Techsektor vor völlig neue Genehmigungshürden beim Angehen von Initial Public Offerings (IPOs).

Kein Prüfverfahren

Entsprechend aufmerksam verfolgen die Marktteilnehmer nun die IPO-Pläne des aufstrebenden Technologiekonzerns Sensetime Group, einem Spezialisten für Gesichtserkennungstechnologie und andere Anwendungen von Künstlicher Intelligenz (KI). Sensetime hat nämlich eine Genehmigung erhalten, in Kürze einen Börsengang an der seit Monaten von Neuzugängen völlig verwaisten Hongkonger Börse anzustreben.

Im am Mittwoch publik gewordenen Börsenprospekt für das Unterfangen betont Sensetime, dass keinerlei Prüfungsverfahren oder sonstige Anfragen im Zusammenhang mit Datenschutz und nationaler Sicherheit seitens der chinesischen Cybersecurity-Behörde anstehen oder stattgefunden haben.

Dies ist einigermaßen überraschend, nachdem die Cyberspace Administration of China (CAC), zu deren Aufgaben neben der Einhaltung neuer Cybersecurity-Gesetze auch die laufende Kontrolle von Inhalten auf Internetplattformen gehört, Dutzende von chinesischen Techfirmen mit aufwendigen Prüfverfahren überzogen hat. Infolgedessen nahmen zahlreiche IPO-Kandidaten von ihren Börsenplänen zunächst wieder Abstand. Kürzlich erst hatte Peking explizit verkündet, dass sämtliche chinesische Techfirmen, die sich an die Hongkonger Börse begeben wollen, ein Cybersecurity-Prüfverfahren durchlaufen müssen.

Nationale Sicherheit

Sensetime scheint insofern für Chinas Cybersecurity-Apparat „un­verdächtig“ zu sein, als die von der Firma entwickelte Gesichtserkennungssoftware zahlreiche An­wendungen im öffentlichen Be­reich findet, die dem chinesischen Staat die in den letzten Jahren drastisch verschärften Personenkontroll- und Überwachungsmaßnahmen erheblich erleichtern und somit der nationalen Sicherheit dienen. Darüber hinaus ist Sensetime insbesondere auch mit KI-Anwendungen für autonomes Fahren unterwegs, einem Ausschnitt des Technologiesektors, der breite staatliche Unterstützung findet.

Aus Sicht der Marktteilnehmer ist Sensetime damit möglicherweise kein echter Gradmesser für die Bereitschaft Pekings, die Schleusen für Tech-IPOs in naher Zukunft wieder zu lockern, sondern eher ein Sonderfall. Dennoch dürfte der Börsengang und seine Anlegerresonanz einige Aufmerksamkeit finden.

Mindestens 1 Mrd. Dollar

Dem Vernehmen nach wird Sensetime bis Ende des laufenden Monats die Marktsondierungen abschließen und dann mit Angaben zum geplanten Kapitalaufnahmevolumen und den Preiskonditionen an die Öffentlichkeit treten. Analysten veranschlagen das IPO-Volumen auf mindestens 1 Mrd. Dollar. Als Emissionsbegleiter werden China International Capital Corp. (CICC), Haitong Securities und HSBC fungieren.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.