Technologiekonzern

Freudenberg erwägt Einstieg ins Rüstungsgeschäft

Freudenberg steigert den Umsatz trotz Autokrise und prüft den Einstieg in den Rüstungssektor. Investitionen in KI und Innovationen bleiben strategischer Fokus.

Freudenberg erwägt Einstieg ins Rüstungsgeschäft

Im Gespräch: Mohsen Sohi

Freudenberg setzt Rüstung auf die Agenda

Entscheidung des Vorstands noch offen – US-Zölle belasten Konzern mit bis zu 100 Mill. Euro

scd Weinheim

Der Industrietechnologiekonzern Freudenberg hat im abgelaufenen Geschäftsjahr zwar die Krise der Automobilindustrie zu spüren bekommen. Die Branche stellt mit 41% Umsatzanteil die mit Abstand bedeutendste Kundengruppe des Konzerns. Erlöszuwächse an anderer Stelle - insbesondere bei Haushalts- und Pflegeprodukten - haben aber dafür gesorgt, dass der Umsatz konzernweit leicht zugelegt hat von 11,90 auf 11,95 Mrd. Euro. Gesunkene Umsatzkosten sorgten für eine steigende Bruttomarge und einen stabilen operativen Gewinn von 973 Mill. Euro.

Künftig könnte für das Unternehmen mit dem Defense-Sektor eine neue Abnehmerbranche hinzukommen. Stand heute verkauft Freudenberg aus Prinzip keine Produkte an die Rüstungsindustrie. „Aber natürlich fragen uns vor dem Hintergrund der aktuellen Weltlage, ob das etwas ist, was wir überdenken sollten“, sagt Vorstandschef Mohsen Sohi im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Das Thema sei auf der Agenda und werde in Vorstand, Aufsichtsrat und Gesellschafterauschuss besprochen. „Es ist aber noch keine Entscheidung dazu gefallen und es gibt gute Argumente dafür, dass wir das aus gesellschaftlicher Verantwortung überdenken sollten. Es gibt aber entsprechend valide Argumente, die dagegen sprechen“, will sich Sohi zum Ausgang der Diskussion nicht festlegen.

Führungswechsel zur Jahresmitte

Der US-Amerikaner geht Mitte des Jahres in Ruhestand und übergibt die Konzernleitung zum 1. Juli an Claus Möhlenkamp, CEO von Freudenberg Sealing Technologies. Einen Strategiewechsel würde er seinem Nachfolger, der selbst drei Jahrzehnte bei Freudenberg beschäftigt ist, keinesfalls übel nehmen. „Ich bin der Auffassung, jede Generation von Führungskräften hat nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, das gesamte Unternehmen und seine Struktur in Frage zu stellen. Denn das Umfeld verändert sich stetig", befindet Sohi.

Neben Freudenberg denken zahlreiche andere Industrieunternehmen über eine Öffnung für mehr Rüstungsgeschäfte nach. Deutz ist hier schon weiter als Freudenberg und hat sogar ein Projektteam aufgestellt. Der Kölner Motorenbauer sieht zusätzliches Umsatzpotenzial in mittlerer zweistelliger Millionenhöhe, wie Vorstandschef Sebastian Schulte laut Nachrichtenagentur Reuters sagte. Auch VW-Chef Oliver Blume zeigte sich offen dafür, im Rüstungsbereich zu unterstützen, wo es Sinn ergibt.

US-Zölle belasten mit bis zu 100 Mill. Euro

Freudenberg sieht derweil erst einmal eine Vielzahl anderer Geschäftsfelder, in die investiert werden kann. „Wir investieren in Deutschland aber auch in anderen Ländern, je nach Bedarf unserer Geschäftsbereiche. Eine der größten Investitionen haben wir hier im Industriepark Weinheim getätigt. Und natürlich investieren alle unsere Geschäftsbereiche in Künstliche Intelligenz.“ Umfangreiche Produktionsverlagerungen wegen der Zölle in den für Freudenberg wichtigsten nationalen Markt USA sieht Sohi aber nicht. „Wir haben eine detaillierte Analyse vorgenommen, wie uns die US-Zölle wirtschaftlich treffen würden. Je nachdem, wie sie ausfallen, werden es wohl zwischen 80 und 100 Mill. Euro sein; ohne Gegenmaßnahmen unserseits", erklärt er. "Für uns ist das also verkraftbar, auch wenn es natürlich schmerzhaft wäre.“ Innovative Produkte seien weniger preissensitiv. Darauf fußt auch die Innovationsstrategie des Konzerns im vergangenen Jahrzehnt. "Wir haben unsere Gemeinkosten von 8,9% auf heute 6,3% vom Umsatz reduziert und zugleich die Ausgaben für Innovationen von 3,3% der Erlöse auf mehr als 5% gesteigert.“

Für Sohi ist dabei besonders wichtig, dass die Entwicklung möglichst marktnah erfolgt. „10% unseres Entwicklungsaufwands fällt in unserer zentralen Forschungs- und Entwicklungseinrichtung an. 90% verteilt sich auf die einzelnen Geschäftsbereiche. Das Ziel ist, die Entwicklung neuer Produkte möglichst nah am Kunden und am Markt zu haben." Das helfe dabei, die Entwicklungsergebnisse auch in Erlöse zu verwandeln. Dabei brauche es aber auch den Mut, Fehler zu machen.

„Das geht gar nicht anders, denn Sie kommen nirgendwohin, wenn Sie nicht auch Dinge versuchen, die nicht funktionieren können. Das muss unsere Philosophie sein, wenn wir innovativ bleiben wollen“, ist Sohio überzeugt. Am Ende zähle die Gesamtheit der Entscheidungen und ob das Unternehmen auf einem richtigen Weg sei. Das sei aus seiner Sicht der Fall. "Freudenberg steht heute deutlich robuster da als noch vor dreizehn Jahren.“

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