Gegenwind für die Fluggesellschaften
Von Lisa Schmelzer, Frankfurt
Die Fluggesellschaften haben die Zeit der Corona-Pandemie genutzt, um ihre Kostenstrukturen zu verschlanken. Bei einigen ging es dabei ums schiere Überleben. Tausende Mitarbeiter wurden entlassen, Arbeitsprozesse vereinfacht und digitalisiert und weil das Fluggeschäft zeitweise fast komplett darnieder lag, sanken natürlich auch die operativen Kosten deutlich. Die Lufthansa beispielsweise hat sich auf die Fahnen geschrieben, die Kosten bis 2024 um insgesamt 3,5 Mrd. Euro zurückzufahren, 70% dieses Volumens war zum Ende des dritten Quartals 2021 laut CFO Remco Steenbergen bereits durch entsprechende Maßnahmen flankiert. Im letzten Vor-Corona-Jahr 2019 bezifferte Lufthansa die betrieblichen Aufwendungen insgesamt auf 37,3 Mrd. Euro bei Erträgen von knapp 39 Mrd. Euro.
Bei vielen Kostenpositionen haben es die Fluggesellschaften selbst in der Hand, ob die Ausgaben tatsächlich sinken oder nicht. Mit Abfindungsprogrammen wird Mitarbeitern der Abschied vom Unternehmen schmackhaft gemacht, Mietverträge für Immobilien werden gekündigt, nicht benötigte Flugzeuge in der Wüste geparkt. Andere Ausgaben können zumindest gegen allzu große Ausschläge nach oben abgesichert werden, etwa mit Hilfe von Sicherungsgeschäften beim Treibstoffeinkauf. Dagegen sind die Fluglinien bei Entgelten und Gebühren die Hände gebunden. Diese werden von Flughäfen und den Flugsicherungsbehörden erhoben, und auch diese haben in den vergangenen 22 Monaten unter der Coronavirus-Pandemie gelitten. In die Entgelt- und Gebührentöpfe wurden große Löcher gerissen und da ein Großteil der Infrastruktur in Betrieb gehalten wurde, sanken die Kosten von Flughäfen und Flugsicherung nicht im gleichen Maß. Um diese Löcher zu stopfen, planen nun etwa der Flughafen Frankfurt und die Deutsche Flugsicherung (DFS) Gebührenerhöhungen. Fraport erhöht 2022 lediglich um 4,3 %, aber die DFS plant an manchen Stellen mit Aufschlägen um rund 90 %.
So sollen die Gebühren für An- und Abflug auf 218,05 Euro steigen, von derzeit 130,35 Euro. Der Bereich Strecke verbilligt sich zwar von 66,80 auf 62,35 Euro, wird allerdings in den Jahren 2023 und 2024 deutlich steigen – denn dann werden die Umsatzausfälle der vergangenen beiden Jahren „nachgeholt“. Das geht erst, wenn die EU-Kommission den angesichts der Corona-Verwerfungen neu aufgesetzten Fünfjahresplan für die Flugsicherungsgebühren absegnet, damit wird Anfang 2022 gerechnet. In den Jahren 2023 und 2024 sollen die Gebühren für den Bereich „Strecke“ dann beispielsweise auf 73,54 bzw. 74,40 Euro steigen.
Dass es vor der Corona-Pandemie keine so deutlichen Aufschläge gegeben hat, hat auch damit zu tun, dass zwischen 2015 und 2019 Jahr für Jahr Bundeszuschüsse geflossen sind. In der Airline-Branche hofft man nun erneut auf staatliche Unterstützung. „Die Erlösausfälle können nicht allein die Airlines tragen. Das führt für die in Deutschland beheimateten Fluggesellschaften zu einem Wettbewerbsnachteil und wird die Erholung der deutschen Luftverkehrsbranche erschweren. Nötig sind ein nachhaltiges staatliches Engagement und ein Konzept von Flugsicherung und Luftraumnutzern für eine gemeinsame krisensichere Finanzierung“, sagt der Chief Operating Officer (COO) der Lufthansa, Detlef Kayser. Er dürfte dabei die Liquiditätsunterstützung von 300 Mill. Euro im Auge haben, die der Bund der DFS während der Coronakrise gewährt hat. Noch ist nicht entschieden, ob diese Gelder in den Bundeshaushalt zurückfließen, wenn die Flugsicherung wieder in der Lage ist, ihre Liquiditätsposition allein aus den Gebühreneinnahmen sicherzustellen. Eventuell könnten die Bundesmittel auch bei der DFS verbleiben und dafür genutzt werden, um Gebührensenkungen möglich zu machen.
Bei der DFS wird betont, dass man über die Höhe der Gebühren nicht frei entscheiden könne – „im Gegenteil: Die Regulierung der EU erlaubt uns hier kaum Spielräume“, sagt eine Sprecherin. Folge man den EU-Regeln, müssten die Gebühren steigen. „Sehr einfach gesagt liegt das an den niedrigen Verkehrszahlen und den relativ gleichbleibenden Kosten der DFS.“ Die Rolle der Flugsicherung als kritische Infrastruktur erfordere den Personaleinsatz von rund 70 % der Lotsen und rund 90 % der Techniker.
Wie sich die Gebührenerhöhungen bei Lufthansa in Euro und Cent auswirken, war auf Nachfrage nicht zu erfahren. Grundsätzlich aber gilt, dass die Gebühren an den Flugpassagier weitergereicht werden, so dass das Unternehmen wohl mehr einen Wettbewerbsnachteil wegen steigender Ticketpreise als vielmehr die Kostensteigerungen fürchtet. Laut Ergebnisrechnung für die ersten neun Monate 2021 fielen bei Umsätzen von knapp 11 Mrd. Euro rund 1,4 Mrd. Euro Ausgaben für Gebühren und Entgelte an – bei nahezu stabilen Erlösen waren das knapp 4% weniger als in der gleichen Vorjahreszeit und als Kostenblock etwa mit den Aufwendungen für Kerosin vergleichbar.