Gespart wird an den Aktionären

Immer mehr britische Firmen enttäuschen Dividendenerwartungen der Anleger - Unsicherheit vor Brexit-Referendum

Gespart wird an den Aktionären

Von Andreas Hippin, LondonIm vergangenen Jahr haben acht der im FTSE 100 (“Footsie”) notierten Gesellschaften ihre Ausschüttungen an die Anteilseigner zurückgefahren. Während es den Bergwerksbetreibern Antofagasta, Anglo American und Glencore angesichts des Preisverfalls an den Rohstoffmärkten darum ging, eine Verschlechterung ihrer Bonitätsbewertungen zu vermeiden, machte den Lebensmitteleinzelhändlern J Sainsbury, Tesco und WM Morrison der Preiskampf mit den Discountern auf dem Heimatmarkt zu schaffen. Dem Gasversorger Centrica machten Politiker wegen der steigenden Energiekosten der privaten Haushalte Druck, und bei der Großbank Standard Chartered wurde offenbar, dass es längst kein Garant für Gewinnwachstum mehr ist, sein Geschäft größtenteils in Asien zu machen. Wenig nachhaltigIn diesem Jahr könnten noch mehr Firmen ihre Anteilseigner enttäuschen. Im Februar kürzte der Triebwerksbauer Rolls-Royce den Aktionären erstmals seit 1992 die Dividende – und das gleich um die Hälfte (vgl. BZ vom 13. Februar). Zuvor hatte der Medienkonzern Pearson angekündigt, die Ausschüttung konstant zu halten. Zuvor hatte er seine Aktionäre noch mit wachsenden Ausschüttungen umworben. Die Société Générale hatte bereits in ihrem Jahresausblick für den Footsie darauf hingewiesen, dass das Dividendendeckungsverhältnis bei den britischen Firmen einen so niedrigen Wert erreicht habe wie zuletzt während der Rezession Anfang der neunziger Jahre. Es gibt an, wie oft die vorgenommene Ausschüttung durch den Gewinn überdeckt ist. Der Anteil der Firmen, die überdurchschnittliche Dividenden auskehrten, befinde sich mit 24 % in der Nähe des historischen Tiefs. Die scheinbar gesunde Dividendenrendite des Marktes konzentriere sich auf wenige Namen. Anlageprofis wie Christopher Dyer, Director of Global Equity beim US-Assetmanager Eaton Vance, geht es um die Nachhaltigkeit der Ausschüttungen. Sie sehen sich an, welchen Risiken der Einnahmenstrom der kommenden Quartale ausgesetzt sein könnte.Öl- und Gasaktien wurden schon immer wegen der hohen Dividendenrenditen gekauft. Im FTSE 100 haben sie mit 15,52 % ein hohes Gewicht. Nach dem Preisrutsch am Energiemarkt sind die Manager der großen Produzenten darauf bedacht, die Ausschüttungen so lange wie möglich stabil zu halten. Royal Dutch Shell will das Vorjahresniveau beibehalten, obwohl der Gewinn rasant schrumpft. Der Rivale BP ließ wissen, dass an der Dividende nicht gerüttelt werden soll, obwohl im vergangenen Jahr der größte Verlust seit mindestens drei Jahrzehnten eingefahren wurde. Man darf getrost ein Fragezeichen hinter diese Ankündigungen machen, auch wenn sich eine Ausschüttungsquote von mehr als 100 % durchaus eine Weile aufrechterhalten lässt. Etwas besser sieht es bei den Banken aus, die 10,89 % des Footsie ausmachen. Sie hätten einer Auswertung von New City Agenda zufolge in den Jahren 2010 bis 2014 doppelt so viel an die Anteilseigner auskehren können, wären da nicht die enormen Kosten des Fehlverhaltens der Vergangenheit zu begleichen gewesen.Wenig Hoffnung macht allerdings, dass die wirtschaftliche Unsicherheit vor dem Referendum über die Zukunft Großbritanniens in Europa am 23. Juni steigt, während sich das Wachstum spürbar abschwächt. Denn entscheidend für das Dividendenwachstum ist, dass die Unternehmensgewinne steigen. Zuletzt senkte der IWF seine Prognose für das britische Wachstum.