„Gleiss Lutz segelt nicht nur in schönem Wetter“
Im Gespräch: Ralf Morshäuser und Johann Wagner
„Gleiss Lutz segelt nicht nur in schönem Wetter“
Traditionskanzlei fokussiert auf komplexe Mandate und sieht sich mit Full-Service-Ansatz für jede Witterung gerüstet
Von Sabine Wadewitz, Frankfurt
Gleiss Lutz feiert in diesem Jahr den 75. Geburtstag der Kanzlei. Die neuen Managing Partner sehen die Sozietät auch künftig in der Spitzengruppe des Marktes. Nach einem deutlichen Wachstum 2023 gehe es im laufenden Jahr weiter nach oben.
Die Traditionskanzlei Gleiss Lutz zeigt 75 Jahre nach Gründung kein Nachlassen in Dynamik und Führungsanspruch. Seit Jahresanfang sind der Transaktionsanwalt Ralf Morshäuser und der Steuerrechtler Johann Wagner als Managing Partner dabei, die Sozietät weiter voranzubringen. Gegründet mit Schwerpunkt Kartellrecht hat sich Gleiss Lutz zur Full-Service-Kanzlei entwickelt. Mit hohem Anspruch der Partner: Seit Gründung vor 75 Jahren sei die Sozietät im Kanzleimarkt immer in der Spitzengruppe geblieben, erläutern die beiden Anwälte im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.
Die beiden Managing Partner versprühen ausgeprägtes Selbstbewusstsein. „Wir fokussieren uns auf die großen und wichtigen Projekte unserer Mandanten und bieten die besten Anwälte in allen dafür nötigen Rechtsgebieten“, sagt Wagner. Morshäuser umschreibt das Selbstverständnis des Full-Service-Ansatzes: „Full Service dient auch der perfekten Beratung auf allerhöchstem Niveau in besonders komplexen Mandaten.“
Stabilität im Geschäft
Die breite Aufstellung sorge für Stabilität im Geschäft. „Wir sind stark und für jede Witterung gut gerüstet“, sagt Morshäuser. So helfe zum Beispiel die Restrukturierungspraxis, wenn in Krisenzeiten weniger M&A-Transaktionen zu begleiten sind. „Zudem gibt es in der Krise Distressed-M&A-Mandate, in denen wir uns im Wettbewerb durch das enge Zusammenspiel der Restrukturierungs- und M&A-Praxen auszeichnen“, betont der Transaktionsanwalt, der viele Jahre die M&A-Gruppe geleitet hat. „Full Service heißt auch, dass eine Sozietät in schwierigeren Jahren wie 2009 oder 2020 den Umsatz steigert. Gleiss Lutz segelt nicht nur in schönem Wetter“, so Morshäuser.
Märkte in Bewegung
Gleiss Lutz hat 2023 mit einem Wachstum von 6,4% auf gut 250 Mill. Euro einen Rekordumsatz erzielt. Im laufenden Jahr gehe es weiter bergauf. „Regulatorische Themen boomen, Restrukturierung läuft sehr gut, M&A läuft gut“, nennt Morshäuser einige Treiber des Geschäfts. Gleiss Lutz habe zudem gute Compliance-Mandate gewonnen. So hat die Deutsche Bahn die Kanzlei zum Beispiel jüngst für drei Jahre als Monitor engagiert. Es gebe auch große Kartellrechtsmandate.
Eine Full-Service-Kanzlei hat nach Darstellung der beiden Anwälte „viele Anknüpfungspunkte, wenn Märkte in Bewegung sind“. Auf Seiten der Corporates gebe es in diesem Jahr durchaus einige Transaktionen und Carve-outs, hebt Wagner hervor: „Wir sehen neben Corporates auch zunehmend wieder Private-Equity-Häuser auf der Käuferseite.“ Gleiss Lutz hat in diesem Jahr zum Beispiel Siemens in zwei Deals begleitet, aber darüber hinaus auch die Private-Equity-Gesellschaft KPS Capital Partners in der 3,5 Mrd. Euro schweren Übernahme der Siemens-Antriebssparte Innomotics beraten – hier hatte Siemens Hengeler Mueller hinzugezogen.
Nicht an Traditionen festgehalten
So sehr der Anspruch des Gründers heute noch die Kultur präge, die Kanzlei sei nicht stehengeblieben. „Die 75 Jahre sind eine Erfolgsgeschichte, weil wir uns nie an Traditionen festgehalten, sondern unsere Werte gelebt haben“, betont Wagner. „Exzellenz und die partnerschaftliche Kultur“ hätten von Beginn an im Mittelpunkt gestanden – „und das gilt heute noch“. Gefeiert hat Gleiss Lutz das Jubiläum in großem Rahmen in Berlin mit Live-Konzert der Hip-Hop-Gruppe „Die Fantastischen Vier“.
Wir haben immer an unsere Stärke als führende unabhängige Kanzlei geglaubt.
Ralf Morshäuser
Der Gründer Alfred Gleiss sei dem Leitbild gefolgt, ausschließlich Kollegen an Bord zu holen, die besser sind als er selbst. „Daran haben wir festgehalten, das sagt viel aus über die Philosophie der Sozietät“, so Morshäuser. „Wir versuchen uns ständig zu verbessern, das ist in allen Köpfen drin.“ Auch Unternehmertum werde bei Gleiss Lutz immer noch großgeschrieben. „Wir wollen die absoluten Spitzenmandate bekommen, das ist Antrieb für alle Partner. Das wollen wir als Managing Partner weiterhin fördern“, verspricht Morshäuser.
Netzwerk statt Fusion
Gleiss Lutz hat sich, anders als Wettbewerber, gegen eine Fusion mit einer US-amerikanischen oder britischen Kanzlei entschieden und setzt stattdessen auf ein internationales Netzwerk. Dass ein Zusammenschluss die internationale Expansion hätte stärker vorantreiben können, weisen die beiden Juristen zurück. „Wie haben schon immer einen bedeutenden Teil unseres Umsatzes mit grenzüberschreitendem Geschäft erzielt“, sagt Wagner. „Dabei hat Gleiss Lutz von engen Beziehungen zu führenden unabhängigen Law Firms profitiert, weltweit und vor allem in den USA. Diese Strategie hat uns stärker gemacht als andere, so dass eine Fusion keinen Mehrwert gebracht hätte. Wir haben immer an unsere Stärke als führende unabhängige Kanzlei geglaubt. Diese hervorragende Marktposition kann sich nach unserer Überzeugung durch eine Fusion nur verschlechtern“, meint Morshäuser.
Neues Büro an der Themse
Gleiss Lutz hat vor zweieinhalb Jahren ein Büro in London eröffnet – der zweite Auslandsstandort nach Brüssel, wo die Kanzlei seit 1962 präsent ist. „London ist unter anderem wichtig für unsere Private-Equity-Praxis“, erläutert Wagner den Schritt. Einen Schwerpunkt lege das Team dort auf Restrukturierungen, Litigation, Transaktionen und Kartellrecht.
Zur Stärkung der Zukunftsfähigkeit will die Sozietät noch attraktiver für Frauen werden.
Johann Wagner
Das Büro habe sich schnell im Londoner Markt etabliert. „Wir treten dort nicht im englischen Recht in Konkurrenz zu anderen Sozietäten, wir sind Ansprechpartner für US-Kanzleien, für PE-Fonds, für Restrukturierungs-Fonds und für große Kartellverfahren“, so Wagner. Gleiss Lutz hat das Londoner Büro jüngst noch mit einem jüngeren Private-Equity-Partner aus den eigenen Reihen verstärkt und will an der Themse weiter ausbauen.
Investitionen in KI
Wagner und Morshäuser haben sich für ihre Amtszeit vorgenommen, Gleiss Lutz als „modernes Rechtsberatungsunternehmen“ weiterzuentwickeln. Die Sozietät investiere stark in KI, habe alle Anwälte im Haus über Lizenzen des KI-Start-ups Harvey mit einem Zugang zu der KI-Plattform ausgestattet.
Auch Diversität ist ein Thema. „Zur Stärkung der Zukunftsfähigkeit will die Sozietät noch attraktiver für Frauen werden und deren Anteil in der Partnerschaft erhöhen“, sagt Wagner.