Gorillas liefert für die Gerüchteküche
sp Berlin
– Der Berliner Express-Lebensmittellieferdienst Gorillas liefert vor dem Hintergrund des schwierigen Marktumfelds für die Branche auch für die Gerüchteküche: Wie die Nachrichtenagentur Bloomberg bereits am Freitag berichtete, hat das 2020 gegründete Start-up in den vergangenen Wochen mit Konkurrenten wie den US-Anbietern Gopuff und Jokr über einen möglichen Verkauf gesprochen. Auch über Optionen für eine Fusion sei mit Wettbewerbern beraten worden, hieß es unter Berufung auf informierte Kreise. Demnach ist die US-Bank J.P. Morgan mandatiert, die strategischen Möglichkeiten von Gorillas zu sondieren. Gorillas wollte die Meldung am Montag nicht kommentieren. „Wir kommentieren Marktgerüchte prinzipiell nicht“, hieß es auf Anfrage.
Das Unternehmen, das erst im Oktober eine 1 Mrd. Dollar schwere Finanzierungsrunde zu einer Bewertung von mehr als 3 Mrd. Dollar unter Dach und Fach brachte, sich dabei ein atemberaubendes Rennen mit Wettbewerbern wie der Berliner Flink lieferte (siehe Grafik) und im Februar eine weitere Runde mit einem Volumen von mindestens 700 Mill. Dollar in Aussicht gestellt hatte, ist zuletzt unter Druck geraten. Denn für seinen Wachstumskurs – die Belegschaft kletterte im vergangenen Jahr von 400 auf knapp 14000 Mitarbeiter – hat das Start-up viel Kapital verbraucht. Gorillas „verbrennt“ bis zu 80 Mill. Dollar pro Monat, wie zwei Personen, die mit den Finanzen des Unternehmens vertraut sind und nicht genannt werden wollten, der Nachrichtenagentur Bloomberg sagten.
Die Geduld der Investoren scheint vor dem Hintergrund wachsender Zins- und Inflationssorgen sowie des Einbruchs von Technologieaktien deutlich geringer als noch vor wenigen Monaten zu sein (siehe Grafik). Erst im Mai hat Gorillas die Belegschaft deshalb drastisch reduziert, um Kosten zu sparen. Damals kündigte das Unternehmen auch an, strategische Optionen für verschiedene Länder zu prüfen, die nicht zum Kerngeschäft gehören. Gorillas ist unter anderem in Dänemark, in den Niederlanden, in Deutschland, Belgien, Frankreich, Spanien und Italien aktiv. Außerdem in Großbritannien und in den USA, wobei die Expansion in Städten außerhalb von New York nach Angaben von Bloomberg wieder gestoppt und auch das Tempo im „Big Apple“ gedrosselt wurde.
Bei den Gesprächen mit Gopuff, Jokr und anderen Wettbewerbern handelte es sich um Sondierungsgespräche, berichtet Bloomberg. Es sei deshalb weiterhin möglich, dass eine Transaktion am Ende nicht zustande kommt. Die Herausforderungen für die Branche bleiben ungeachtet dessen bestehen. „Der Online-Lebensmittelhandel hat sich rund um den Globus zu einem milliardenschweren Wachstumsmarkt entwickelt, denn immer mehr Menschen nutzen die Lieferservices auch nach den coronabedingten Lockdowns“, sagt Miltiadis Athanassiou, Partner der Unternehmensberatung Bain. „Die jüngsten Investitionen in die Sofortlieferdienste bedeuten aber keineswegs, dass die neuen Anbieter zwangsläufig die Oberhand gewinnen.“ Vielmehr stünden alle Marktteilnehmer vor der Herausforderung, sich im Wettbewerb zu behaupten und langfristig profitabel zu sein.