Governance-Kodex setzt wichtige Impulse für die Vorstandsvergütung
Der Arbeitskreis deutscher Aufsichtsrat e.V. (Adar) und Hengeler Mueller haben im Juni 2019 etwa 300 Aufsichtsräte verschiedener Unternehmen angeschrieben und mit Hilfe einer Online-Umfrage zu Vergütungsthemen befragt.Ausgangsfrage war, welchen Einfluss bestimmte Faktoren auf die konkrete Ausgestaltung der Vorstandsvergütung haben. Die zu vergebenden Werte von 1 bis 6 folgen dem Schulnotensystem. Dem Corporate Governance Kodex kommt die größte Bedeutung zu (2,55), gefolgt von internationalen Standards (2,60) und Anregungen wichtiger institutioneller Aktionäre (2,65). Proxy Advisors wird hingegen nur ein mittlerer Einfluss zugeschrieben (3,13).Knapp zwei Drittel der Unternehmen (65 %) verfügen über ein einheitliches System zur Bestimmung der variablen Vergütung von Vorstand und den darunterliegenden Führungsebenen, etwa einheitliche unternehmensbezogene Ziele für Boni oder einheitliche Aktienoptionsprogramme. Zum Überprüfungszeitraum gab etwa je ein Viertel der Befragten (je 27,5 %) an, das Vorstandsvergütungssystem anlassbezogen beziehungsweise jährlich zu überprüfen; eine relative Mehrheit (40 %) nimmt die Überprüfung jedoch nur alle zwei bis fünf Jahre vor. Vergütungsberater werden von etwas weniger als der Hälfte der Befragten (47,5 %) herangezogen.Bei etwa zwei Drittel der Befragten (62,5 %) wird die langfristige variable Vergütung gleichermaßen an das Erreichen von Finanzkennziffern wie auch an konkrete qualitative Fortschritte bei der Umsetzung der Strategie geknüpft. Für etwa ein Drittel (35 %) sind hier nur die Finanzkennziffern von Relevanz. Ausschließlich qualitative Kriterien sind sehr selten (2,5 %). Der überwiegende Teil der Befragten (92,1 %) nimmt eine Überprüfung der Umsetzung der strategischen Planung auf einer jährlichen Basis vor. Peergroup-Vergleich Bei der Frage, wie wichtig die Akzeptanz der einmal festgelegten Vorstandsvergütungen durch bestimmte Stakeholder ist, wird durch die Befragten besonders die Bedeutung der institutionellen Investoren hervorgehoben (2,35; entsprechend dem Schulnotensystem). Den Befragten war zudem die Akzeptanz durch den Betriebsrat (3,0), Kleinaktionäre (3,14), die allgemeine Öffentlichkeit (3,14), Gewerkschaften (3,16) sowie Stimmrechtsberater (3,35) wichtig. In etwa zwei Drittel der Unternehmen der Befragten (64,86 %) löst das Thema Vorstandsvergütung keine kontroversen Diskussionen im Aufsichtsrat aus.Wenn die Umfrageteilnehmer die Gesamtvergütung ihres Vorstands mit derjenigen in anderen Unternehmen einer Peergroup vergleichen sollen, wünscht sich etwa die Hälfte ein durchschnittliches Vergütungsniveau (45,9 %). Für etwa ein Viertel (24,42 %) ist ein solcher Vergleich nicht relevant. Etwa ein Fünftel (21,6 %) würde die Vergütung gerne im oberen Quartil sehen. Bei mehr als der Hälfte der Unternehmen der Befragten (61,1 %) gibt es noch keine Clawback-Klauseln in den Vorstandsverträgen. Elf Prozent der Befragten geben jedoch an, dass deren Einführung geplant ist. Aktien, die Vorstandsmitglieder eigenständig kaufen müssen oder verkaufen können, sind bei der Hälfte der Befragten (52,8 %) schon Teil des Vergütungskonzepts. Etwa ein Viertel der Befragten (22,2 %) gibt jedoch an, sich bewusst dagegen entschieden zu haben.Die Diskussion zur Neufassung des Deutschen Corporate Governance Kodex wurde sehr intensiv geführt und es wurde vielfach Kritik, vor allem auch an den Regelungen zum Vergütungssystem geäußert. Dennoch zeigt die Umfrage eines sehr deutlich: Der Deutsche Corporate Governance Kodex ist weiterhin ein ganz wesentlicher Orientierungspunkt für die Ausgestaltung der Vorstandsvergütung deutscher Unternehmen. Daneben zeigt sich der zunehmende Einfluss der Investoren. In diesem Zusammenhang gewinnen auch Stimmrechtsberater an Bedeutung. Das mit dem ARUG II noch aufgewertete konsultative Votum der Hauptversammlung wird diese Entwicklung voraussichtlich noch weiter verstärken. Ohne BeraterBemerkenswert ist, dass gut die Hälfte der Unternehmen ihre Vergütungsstrukturen ohne Unterstützung eines Vergütungsberaters entwickelt. Dabei werden bereits in erheblichem Maße neben Finanzkennziffern auch strategische Aspekte im Bereich der Zielerreichung berücksichtigt. Auf Peergroups wird dagegen bisher bei der Bemessung der Vergütung vergleichsweise selten abgestellt.Das Ergebnis der Umfrage zeigt aber das konkrete Risiko auf, dass Vergleiche in der Tendenz zu einer Verlagerung des Durchschnitts nach oben führen, was die Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex auch als Problem erkannt und adressiert hat. Ob die zurückhaltende Formulierung der Empfehlung unter G.3 des neuen Kodex, den Peergroup-Vergleich mit Bedacht zu nutzen, damit es nicht zu einer automatischen Aufwärtsentwicklung komme, solche Entwicklungen jedoch tatsächlich zu bremsen vermag, bleibt abzuwarten.Dagegen haben die jüngsten Erfahrungen im Rahmen von Unternehmenskrisen und Verantwortlichkeiten auf der Vorstandsebene dann doch schon erstaunlich viele Unternehmen veranlasst, sogenannte Clawback-Klauseln in Vorstandsverträgen vorzusehen, was den künftigen Kodex-Empfehlungen entspricht. Jedoch gibt es weiterhin einen nennenswerten Anteil unter den Befragten, der die Vereinbarung von Rückforderungsansprüchen nicht plant und sich damit bewusst dagegen entschieden haben dürfte. Es ist daher davon auszugehen, dass jedenfalls dieses Thema weiterhin kontrovers diskutiert werden wird.Schließlich ist eines der besonderen Anliegen des Corporate Governance Kodex 2019, die langfristige variable Vergütung aktienbasiert auszurichten, schon bei über der Hälfte der Unternehmen, die an der Umfrage teilgenommen haben, in der Umsetzung. Ein Teil hat sich jedoch auch bewusst dagegen entschieden, so dass auch dieses Thema sicher noch eine Weile in der Diskussion sein wird.Zusammenfassend kann als Ergebnis der Studie festgehalten werden: Der Kodex hat wichtige Impulse gesetzt, die Diskussion ist aber mitnichten abgeschlossen und die weitere Entwicklung darf mit Spannung verfolgt werden. Daniela Favoccia, Partnerin der Kanzlei Hengeler Mueller und Stefan Siepelt, Partner der Kanzlei LLR und Vorstand im Arbeitskreis deutscher Aufsichtsrat