Zulieferer im Fokus

Großinsolvenzen dauern deutlich länger

Bei Insolvenzen größerer Unternehmen dauert es deutlich länger als vor der Pandemie, bis eine Lösung erzielt ist. Insbesondere bei Automotive-Zulieferern mehren sich Fälle, in denen das Unternehmen kaum noch verkäuflich ist.

Großinsolvenzen dauern deutlich länger

Zulieferer im Fokus

Großinsolvenzen dauern deutlich länger als vor der Pandemie

Investorensuche gestaltet sich schwieriger – Auto-Zulieferer in manchen Bereichen nahezu unverkäuflich

sar Frankfurt

Die Dauer von Insolvenzverfahren ist in den vergangenen vier Jahren merklich gestiegen. Das zeigt der Insolvenzreport „5 nach 12“ der Restrukturierungsberatung Falkensteg, der die Insolvenzanmeldungen in Deutschland quartalsweise analysiert. Demnach dauerte der Verkauf eines Unternehmens im Rahmen einer übertragenden Sanierung im Jahr 2019 durchschnittlich 155 Tage. Mittlerweile müssen die Beteiligten dafür 29 Tage mehr einplanen.

Noch länger braucht eine Sanierung über ein Insolvenzplanverfahren. Bis das komplette Verfahren vom Antrag bis zur Aufhebung des Insolvenzplans durchlaufen ist, dauerte es 2019 im Durchschnitt 247 Tage. Ende 2022 lag die durchschnittliche Dauer dagegen bei 545 Tagen. Dabei haben zwei langwierige Verfahren aus dem Jahr 2017 den Schnitt erhöht. Doch auch die gestiegenen Kosten für Energie und Rohstoffe sowie steigende Finanzierungszinsen machen es schwieriger, Verfahren zu einem Abschluss zu bringen, schreiben die Autoren des Reports.

„Die Insolvenzverfahren bei den Großunternehmen dauern deutlich länger, und es wird immer schwieriger, einen Investor zu finden. Zudem werden deutlich geringere Kaufpreise geboten als noch vor zwei oder drei Jahren“, beobachtet Jonas Eckhardt, M&A-Experte und Partner bei Falkensteg. Dies erstrecke sich über alle Branchen. Besonders prekär ist die Lage bei einigen Zulieferern: „Insbesondere bei insolventen Automobil-Zulieferern rund um den Verbrennungsmotor spitzt sich die Lage zu, da diese nahezu unverkäuflich sind“, beobachtet Eckhardt.

Optionen für Verbrenner-Zulieferer

Mit dem EU-Neuzulassungsverbot für Verbrennungsmotoren ab 2035 steht der Branche eine Wende bevor. Professor Stefan Bratzel, Gründer und Direktor des Center of Automotive Management, wagt im Insolvenzreport sogar eine noch weitergehende Prognose: „Ich glaube, dass das letzte Verbrenner-Auto in Deutschland bereits Anfang der 30er-Jahre vom Band laufen wird.“

Um überlebensfähig zu bleiben, sieht er drei Strategien: Unternehmen könnten auf Teile für E-Mobilität umrüsten, sich in den schrumpfenden verbleibenden Nischen für konventionelle Motoren festkrallen oder versuchen, die Kompetenz künftig in andere Felder, etwa in der Schiffs- oder Luftfahrt, einzubringen.

Allerdings ist keine dieser Strategien ein sicherer Weg zum Erfolg. Wer die Branche wechseln möchte, muss dort bestehenden Anbietern Konkurrenz machen. Der Verbleib beim Verbrennungsmotor dürfte gegenüber Investoren schwer zu vermitteln sein. Und ein Wechsel zur E-Mobilität muss langfristig erfolgen.

Bei der Mehrheit der Verbrenner-Zulieferer werde eine Transformation nicht oder nicht mehr möglich sein, fürchtet Falkensteg-Partner Eckhardt. „Zulieferer mit einem Umsatz von bis zu 200 Mill. Euro können sich kaum wandeln. Es fehlt die Schwungmasse, die Profitabilität und die Manpower, um eine solche Transformation anzugehen.“

Maschinenbau führt Liste an

Bei der Anzahl der Fälle koppeln sich die Großinsolvenzen von Unternehmen mit mehr als 20 Mill. Euro Umsatz derzeit vom breiten Insolvenzgeschehen ab. Während die Zahl der Unternehmensinsolvenzen im ersten Quartal 2023 in der Gesamtwirtschaft im Vergleich zum ersten Quartal 2022 um gut 20% auf insgesamt 3.471 Fälle angestiegen ist, lag die Zahl der Insolvenzen von Unternehmen mit mehr als 20 Mill. Euro Umsatz mit 24 Insolvenzen in den ersten drei Monaten unter dem ersten Quartal 2022, als 32 Großinsolvenzen gezählt wurden. „Der Mittelstand zeigt sich mit guten Eigenkapitalquoten robust, und Verluste werden noch aufgefangen“, sagt Eckhardt.

Während die Zahl der Gesamtinsolvenzen steigt, gibt es weniger Großinsolvenzen.

Laut Report sind zudem im ersten Quartal dieses Jahres viele Anträge von Unternehmen aus dem Baugewerbe in die Gesamtstatistik eingeflossen. Bei Großinsolvenzen spielt diese Branche dagegen bisher keine wesentliche Rolle. Unter den großen Verfahren entfielen die meisten Insolvenzanträge im ersten Quartal auf Hersteller und Zulieferer des Maschinenbaus, gefolgt von Unternehmen aus dem Fahrzeugbau.

Eckhardt rechnet in den kommenden Jahren mit vermehrten Insolvenzen unter Zulieferern für den Verbrennungsmotor. „Diese Unternehmen werden verstärkt kommen, aber Lösungen sind in solchen Verfahren kaum noch zu generieren.“

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