GASTBEITRAG

Großteil der Geldwäsche wird übersehen

Börsen-Zeitung, 27.11.2019 In den vergangenen 20 Jahren haben Aufsichtsbehörden weltweit Druck auf den Bankensektor ausgeübt, um Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu identifizieren und zu bekämpfen. Die Banken haben reagiert und erhebliche...

Großteil der Geldwäsche wird übersehen

In den vergangenen 20 Jahren haben Aufsichtsbehörden weltweit Druck auf den Bankensektor ausgeübt, um Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu identifizieren und zu bekämpfen. Die Banken haben reagiert und erhebliche Ressourcen aufgewendet, um den Missbrauch des Finanzsystems durch Verschleierung und Verschiebung von Vermögenswerten illegaler Herkunft sowie Finanzierung von Terrorismus zu verhindern.Einiges wurde erreicht, aber das eigentliche Problem wird nicht gelöst. Nur etwa 20 % des Welthandels werden von Banken finanziert. Die restlichen 80 % sind weitgehend frei von Kontrollen. Es wäre naiv anzunehmen, dass dies nicht von Kriminellen, Terrorgruppen und anderen ausgenutzt wird, um behördliche Kontrollen zu umgehen.Ein besonderes Problem ist das sogenannte Trade Based Money Laundering (TBML), also die Einschleusung illegal erwirtschafteten Geldes oder von illegal erworbenen Vermögenswerten in den legalen Finanz- und Wirtschaftskreislauf durch den Einsatz von Handelsgeschäften. Die bei der handelsbasierten Geldwäsche verwendeten Methoden der Einspeisung, der Verschleierung und der Integration sind dieselben wie bei der traditionellen Geldwäsche. Deshalb wird sie häufig mit anderen Formen der Geldwäsche über Banken und Immobilien in einen Topf geworfen. Die handelsbasierte Geldwäsche funktioniert jedoch auf eine andere Weise: Es geht um Dienstleistungen und Produkte, nicht um Finanzdienstleistungen. Größere Anstrengungen nötigDas Problem ist, dass Banken dies häufig gar nicht erkennen. Sie erhalten zwar einige Hinweise, aber die Bekämpfung der handelsbasierten Geldwäsche erfordert erheblich größere Anstrengungen von weit mehr Organisationen. Die gute Nachricht ist, dass diese in den zurückliegenden 20 Jahren exzellente Fähigkeiten und Kenntnisse im Umgang mit traditioneller Geldwäsche entwickelt haben.Wieso ist handelsbasierte Geldwäsche besonders schwer zu erkennen? Sie ist so schwer zu erkennen, weil sie im Verborgenen stattfindet. Oft handelt es sich um legitime Handelsvorgänge. Nur subtilste Hinweise, tief in der Struktur der Handelsvorgänge oder ihrer Historie verborgen, wecken Verdacht. Eine überhöhte Rechnung oder eine Abweichung bei der Warenbeschreibung mag zunächst harmlos erscheinen, aber in der Summe entsteht Unternehmen, Regierungen, der Gesellschaft und Einzelpersonen dadurch großer Schaden. Mangelnde RessourcenDie Fokussierung der Aufsichtsbehörden auf die Bekämpfung der Geldwäsche im Bankwesen hat dazu geführt, dass sich die Aufmerksamkeit der Strafverfolgungsbehörden auf diesen einzelnen Sektor konzentriert. Aber diese sind häufig überlastet und es mangelt ihnen an technischen und personellen Ressourcen. Das bedeutet, dass Verdachtsmeldungen oft nicht rechtzeitig oder überhaupt nicht bearbeitet werden.Außerdem gibt es kaum Anreize für Banken, Informationen und Tätertypologien untereinander auszutauschen – im Gegenteil, es gibt eher negative Anreize. Mit technischen Lösungen wie der homomorphen Verschlüsselung und dem Multiparty-Computing, mit denen Informationen auf sichere Art und Weise weitergegeben werden können, ist dieses Problem beherrschbar. Dennoch haben wir festgestellt, dass das Hauptproblem nicht technischer Natur ist, sondern dass es die falschen Anreize sind.Wie kann also das Problem der handelsbasierten Geldwäsche gelöst werden? Ein Lösungsansatz sollte ein wirtschaftlich sinnvolles Geschäftsmodell für Banken und die Entwicklung und Umsetzung von Datensicherheits- und Datenschutzstandards umfassen. Dabei sollten sogenannte PET-Technologien (Privacy-Enhancing Technologies), mit denen personenbezogene Daten besser geschützt werden können, zum Einsatz kommen. Und letztlich ist die Unterstützung von Aufsichtsbehörden und Strafverfolgungsbehörden erforderlich.Wir prüfen derzeit Möglichkeiten, wie Banken, Strafverfolgungsbehörden und Regierungen bei der Bewältigung der Herausforderung der handelsbasierten Geldwäsche unterstützen können. Dazu nutzen wir beispielsweise Social Network Analysis, um den Banken dabei zu helfen, die Signale für handelsbasierte Geldwäsche im Datenverkehr zu erkennen. Dies ist jedoch nur ein Teil der Lösung des Problems. Austausch fördernDarüber hinaus evaluieren wir eine Plattform, auf deren Basis ein deutlicher Anreiz für Banken geschaffen werden könnte, Analysen von Mustern handelsbasierter Geldwäsche untereinander auszutauschen, um so die Effizienz und Qualität von Verdachtsmeldungen zu verbessern und gleichzeitig die erforderliche Kontrolle über die Daten zu behalten. Wenn Strafverfolgungsbehörden und andere Regierungsbehörden einer mit den entsprechenden Kontrollen ausgestatteten Plattform beitreten würden, könnte dies auch zur Angleichung der regulatorischen Anforderungen beitragen.Schließlich suchen wir nach einem Ansatz zur Automatisierung der Untersuchung von Hinweisen über Teams und sogar über mehrere Organisationen hinweg. Dazu gehört auch die automatisierte Anforderung von Datenaustauschanfragen – noch bevor die Informationen an Ermittler weitergeben werden. Auf diese Weise können auch spezielle Zielvorgaben von Regierungsstellen bezüglich Vertraulichkeit erreicht werden.Wir wollen so die besonderen Herausforderungen bei der Zusammenarbeit bewältigen, die wir nach eingehender Forschung über handelsbasierte Geldwäsche kennengelernt haben. Diese spezielle Herausforderung werden wir nur dann bewältigen, wenn wir sowohl die richtigen Anreize geben als auch die entsprechenden technischen Lösungen schaffen. James Leeke, General Manager Financial Services (Europe) bei BAE Systems Applied Intelligence