IM BLICKFELD

"Grüne" Immobilien nachhaltig, aber nicht rentabel

Von Ulli Gericke, Berlin Börsen-Zeitung, 4.10.2013 Eine Auszeichnung, die in die heutige Zeit passt: Frankfurt ist Deutschlands "Green-Building-Hauptstadt". Das hat der Immobilienmakler Jones Lang LaSalle unlängst ermittelt. Frankfurt liege mit...

"Grüne" Immobilien nachhaltig, aber nicht rentabel

Von Ulli Gericke, BerlinEine Auszeichnung, die in die heutige Zeit passt: Frankfurt ist Deutschlands “Green-Building-Hauptstadt”. Das hat der Immobilienmakler Jones Lang LaSalle unlängst ermittelt. Frankfurt liege mit weitem Abstand vor Düsseldorf, München und Hamburg. Mehr als 10 % aller Büroflächen in Mainhattan liegen in zertifizierten Gebäuden – womit dokumentiert wird, dass der jeweilige Büroturm nach umweltfreundlichen, ressourcenschonenden und damit nachhaltigen Standards gebaut wurde und betrieben wird.Vorreiter in Frankfurt war die Deutsche Bank, deren Zwillingstürme nach der Sanierung 2010 erstmals hierzulande die Spitzenbewertung Platin des Klassifizierungssystems LEED (Leadership in Energy and Environmental Design) erhielten. Weniger als die Hälfte der früher notwendigen Energie verbrauchten die “Greentowers” heute, listet die Bank auf. Der klimaschädliche Kohlendioxid-(CO2-)Ausstoß sei sogar um fast 90 % vermindert worden.Doch trotz dieses durchschlagenden Erfolgs beklagen institutionelle Anleger – wie Versicherungen, Pensionskassen und Immobilienfonds – eine Investitionsblockade. Fast neun von zehn Investoren verweisen in einer jüngst durchgeführten Befragung auf ein nicht ausreichendes Angebot an nachhaltigen Immobilien, heißt es im IVG Research über “Nachhaltige Immobilienanlageprodukte”. Darin zeigt sich allerdings auch, dass nicht nur geeignete Gebäude fehlen, sondern auch Informationen zur Nachhaltigkeit und Transparenz des jeweiligen Asset Managements. “Büchse der Pandora”So überzeugend die Grundidee ist, so widersprüchlich ist ihre Realisierung. Da allein die Gebäude für rund ein Drittel des gesamten deutschen Energieverbrauchs stehen, sollte eine bessere Energieeffizienz große Kosteneinsparungen ermöglichen – wie sie die Deutsche Bank realisiert. Versprochen werden höhere Renditen durch geringere Betriebskosten, ein angenehmeres Arbeitsklima, daraus folgend ein geringeres Mietausfallrisiko bei höherem Mietertrag und ein sicherer Werterhalt der Immobilie – Nachhaltigkeit pur.Doch leider “lässt sich mit Green Buildings weder kurz- noch mittelfristig Geld verdienen”, urteilt Thomas Beyerle, bei der IVG Immobilien Head of Corporate Sustainability & Research. Während die Kosten für die verschiedensten Effizienzmaßnahmen bekannt seien, gebe es keinerlei messbare harte Zahlen über künftige Energieeinsparungen oder Erlöse. Eine “Büchse der Pandora”, die grüne Wohlfühlthemen enthält, vor allem aber ökonomisch mehr Fragen als Antworten. Ähnlich argumentiert Martin Hofmann, Real Estate Advisory Services bei der deutschen Jones Lang LaSalle. Bei leicht höheren Baukosten ließen sich am Ende des Tages mit “grünen” Büros keine höheren Mieten erlösen als mit “grauen” – “das ist in Deutschland leider so”. In den USA und Großbritannien würden dagegen teilweise zweistellige Aufschläge erzielt. Hofmann erklärt diese Differenz mit den hohen gesetzlichen Vorgaben hierzulande durch die Energieeinsparverordnung, womit selbst unzertifizierte Neubauten ein hohes Maß an Energieeffizienz mitbringen.Gleichwohl entsteht in Deutschland so gut wie kein neues Bürogebäude mehr ohne Zertifikat – egal, ob es das ingenieurlastige DGNB-Siegel der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen ist, das stark marketinggetriebene LEED oder BREEAM, die BRE Environmental Assessment Method, die (laut IVG) von Investoren mehrheitlich als die beste Zertifizierung erachtet wird. Ihnen hilft ein Zertifikat beim Verkauf der Immobilie, da viele Käufer das Siegel zur Bedingung machen.Ähnlich ist es bei Nutzern. Vor allemamerikanische Konzerne mieten sich zumeist nur noch in zertifizierte Flächen ein, beobachtet das Maklerhaus Jones LaSalle, weil die jeweiligen Corporate-Social-Responsibility-Vorgaben dies so vorschreiben. Bei einem Neubau ist ein Zertifikat inzwischen “fast ein Muss”, weiß Hofmann – “bei der Vermarktung hat eine Immobilie ohne Label einen Wettbewerbsnachteil”. Das nehmen mittlerweile selbst Eigentümer von guten, bis zu zehn Jahre alten Bestandsgebäuden wahr; sie sehen sich zu einer nachträglichen Zertifizierung gezwungen. Denn wie ein “Damoklesschwert” hängt die Drohung über Investoren, dass sich nicht zertifizierte Immobilien in wenigen Jahren nicht mehr vermieten lassen, ahnt Beyerle.Dabei umfasst die Zertifizierung ein weites Feld: Da geht es (im Extremfall mit bis zu 50 Kriterien) nicht nur um nachhaltiges ökologisches Bauen mit Materialien und Handwerkern, die aus der näheren oder weiteren Nachbarschaft kommen. Es geht auch um eine höhere Energieeffizienz – und damit geringere CO2-Emissionen -, um die Prozessoptimierung bei Heizung und Beleuchtung, um die Nähe zum öffentlichen Nahverkehr, um abbaubare Putzmittel, ausreichende Fahrradstellplätze, Steckdosen für Elektroautos und Strom aus erneuerbaren Energien.Doch auch jenseits von LEED und Bürogebäuden wird Nachhaltigkeit immer wichtiger, wie die entsprechenden Berichte aller großen Unternehmen zeigen. Der Chemiekonzern BASF beispielsweise überprüft weltweit seine Bürogebäude nach wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Kriterien. Dabei werden der Zustand der Fenster, der Energieverbrauch und die Lichtverhältnisse in Augenschein genommen. Verändert wird nur, was wirtschaftlich ist, betonen die Ludwigshafener – womit sie bescheidener vorgehen als ehedem die Deutsche Bank. Deren aufwendiger Komplettumbau “wird sich die nächsten 200 Jahre nicht rechnen”, ätzt ein Immobiliensachverständiger. Die Bank verweist darauf, dass der ehedem ungenügende Brandschutz eine grundlegende Modernisierung erzwang – und dann wurde entschieden, dass der langfristige Werterhalt der Türme wichtiger sei als kurzfristige Renditeerwägungen.