„Die HHLA steht daher vor großen Aufgaben“
Im Interview: Melanie Leonhard
„Wir haben keinen Anlass, von Beihilfe auszugehen“
Hamburgs Wirtschaftssenatorin über den Vorwurf eines geplanten Teilverkaufs des Hafenkonzerns HHLA unter Wert und über weitere Kritik am Plan mit MSC
Der Einstieg des in Genf ansässigen weltgrößten Reedereikonzerns MSC beim Hamburger Hafen- und Logistikkonzern HHLA soll dem größten deutschen Seehafen nach Jahren mit Marktanteilsverlusten mehr Stabilität geben. Die Transaktion ist umstritten. Dazu Hamburgs Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard im Interview.
Frau Leonhard, der geplante Einstieg von MSC bei der HHLA ist in den vergangenen Monaten von verschiedenen Seiten kritisiert worden. Stehen Sie weiterhin voller Überzeugung zu der Beteiligung des Reedereikonzerns?
Die HHLA wurde 2007 von der damaligen CDU-Regierung privatisiert. Seit dem Börsengang ist ein Teil des Unternehmens im Streubesitz. Für die Stadt als Hauptaktionärin zeigt sich rückblickend, dass dieser Weg nicht der beste war. Einerseits wird uns als Senat häufig vorgehalten, was alles bei der HHLA besser laufen müsse, andererseits gibt es aber keinen Miteigentümer, mit dem sich notwendige Maßnahmen besprechen ließen, sondern nur den diffusen Streubesitz. Zugleich haben sich die Rahmenbedingungen in den vergangenen Jahren geändert, und die maritime Logistik hat sich erheblich verändert. Die HHLA steht daher vor großen Aufgaben.
Warum MSC?
Mit der Mediterranean Shipping Company gibt es eine Partnerin, die an den Hamburger Hafen glaubt und die HHLA gemeinsam mit der Stadt weiterentwickeln will, ihre Kompetenz einbringt, zu großen Investitionen bereit ist, viel Ladung nach Hamburg bringt und noch dazu akzeptiert, dass die Stadt Mehrheitseignerin bleibt und damit unsere Bedingungen akzeptiert.
Die Transaktion wird nicht nur von der Opposition im Hamburger Parlament und einzelnen Sachverständigen abgelehnt, sondern auch von Gewerkschaft und Arbeitnehmerschaft. Ist der Protest von Verdi und Betriebsrat nicht gerechtfertigt?
Wir haben die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sehr weitreichend bereits in den Verhandlungen abgesichert. Und wer sich wünscht, dass die HHLA auch künftig ein belastbares Geschäftsmodell hat, Geld verdient und Arbeitsplätze sichert, muss sich auch für ihre Weiterentwicklung interessieren.
Die Bedenken bei MSC und ihrer Eigentümerfamilie lauten, dass es vor allem um Vermehrung von Marktmacht und Vermögen gehe und nicht um die Absicherung für die Beschäftigten.
Die MSC bringt in Zukunft jährlich mindestens 1 Million TEU (Standardcontainer, Anm. d. Red.) zusätzlich an die HHLA-Terminals, schon jetzt vor Abschluss der Transaktion wurden weitere Linien nach Hamburg verlegt – für das Unternehmen und die Beschäftigten ist die Ladungssicherung eine wichtige Zusage. Die Mitbestimmung der Beschäftigten wird dabei in vollem Umfang gesichert, das war für uns eine Grundbedingung. Darüber hinaus ist wichtig, dass Stadt und MSC gemeinsam das Unternehmen voranbringen und eine Perspektive schaffen wollen. Angesichts von zurückgehenden Umschlagsmengen, Fachkräftemangel, Digitalisierungs- und Automatisierungsbedarf und nötiger Prozessoptimierung einfach zu verzagen und auf jede Form der strategischen Weiterentwicklung zu verzichten, wäre für die HHLA als eigenständiges Unternehmen nicht gut.
Warum keine Beteiligung von MSC nur am Betrieb eines Terminals wie im Falle anderer Reedereien wie Hapag-Lloyd und Cosco? Ist das nicht die falsche Ebene, MSC über die HHLA an allen städtischen Terminals und der Bahngesellschaft Metrans zu beteiligen?
Gerade weil es nicht allein um die Bindung an ein Terminal, sondern die Entwicklungsmöglichkeiten der gesamten Gesellschaft geht, braucht es die Beteiligung an der HHLA. Welches Interesse sollte ein Unternehmen haben, das nur an einem einzelnen Terminal beteiligt ist, in den HHLA-Konzern zu investieren? Unser Ziel ist die strategische Weiterentwicklung des Unternehmens. Dafür braucht es auch die Beteiligung am Unternehmen, und nicht bloß an einer einzelnen Tochter.
Ein Kritikpunkt lautet, Hamburg mache sich bei dem Hafen- und Logistikkonzern HHLA für lange Zeit, 40 Jahre, strategisch von nur einem Unternehmen abhängig. Es drohten Umschlageinbußen bei anderen Reedern. Wie stehen Sie dazu?
Das Gegenteil ist der Fall! Für den Hamburger Hafen ist es wichtig, sich vielfältig aufzustellen. Schon heute gibt es unterschiedliche Unternehmensbeteiligungen bei den Hafenumschlagsbetrieben, sei es bei der Fahrzeugverladung, beim Massengutumschlag oder auch den anderen Containerterminals. Das ist auch richtig so, und den Weg, viele Reedereien und Unternehmen für ein langfristiges Engagement in Hamburg zu interessieren, verfolgen wir weiter. Gerade beim Containerumschlag ist es aber bedeutsam, mehrere starke Akteure mit großen Umschlagsmengen in Hamburg zu binden. Durch die globale Konsolidierung bei den Reedereien würde sonst jeder Mengenabzug anderer Reeder – wie es ihn in der Vergangenheit auch schon gab – immer gleich deutliche Umschlagsverluste für den Hafen mit sich bringen.
Könnte es nicht vermehrt zur Verlegung einzelner Liniendienste kommen, die dem Hamburger Hafen weiter schaden?
Die garantierten, zusätzlichen Umschlagsmengen, die die Mediterranean Shipping Company nach Hamburg bringen wird, verringern dieses Risiko. Dabei ist ein fairer Wettbewerb zwischen den Reedern im Hamburger Hafen sichergestellt. Abgesehen davon bleibt der Hafen selbst in Hamburg stets in öffentlicher Hand – das ist nicht zuletzt gesetzlich festgeschrieben. Beteiligungen beziehen sich stets auf Umschlagsbetriebe und die Suprastruktur, nicht auf den Hafen selbst – der liegt, auch künftig, zu 100% bei der Hamburg Port Authority, unserer staatlichen Hafenbehörde.
Moniert wird, dass MSC trotz Minderheitsbeteiligung künftig alle Investitionen der HHLA blockieren kann. Hamburg könne ohne den Reedereikonzern keine strategische Entscheidung mehr treffen. Ein valider Punkt?
Nein. Hamburg behält die Mehrheit – mit dem Recht, die Vorsitzenden von Vorstand und Aufsichtsrat zu benennen, und hat überdies in etwaigen Abstimmungen eine Mehrheit. Investitionsplanungen nehmen wir gemeinsam vor, und haben uns ja auch bereits auf wichtige Maßnahmen und Ziele verständigt.
Gab es für den Senat keinen anderen Weg, dem Hafen bessere Perspektiven und der HHLA Investitionsmöglichkeiten zu verschaffen?
Allein die nötigen Investitionen in die Hafeninfrastruktur stellen uns vor große Herausforderungen. Hamburg ist als größter deutscher Hafen zentral für die Funktionsfähigkeit der Exportnation. Die Kosten dafür bringen wir aber ganz überwiegend aus dem kommunalen Haushalt auf. Schon hier fehlt es am Engagement des Bundes. Die HHLA als einzelnes Umschlagsunternehmen, welches im Wettbewerb steht, darüber hinaus am Ende staatlich zu subventionieren, wäre schwer vorstellbar und auch rechtlich kaum umzusetzen.
Verbunden worden ist der Plan in den vergangenen Monaten vor allem mit dem Vorwurf, der Senat verkaufe mit der HHLA Tafelsilber weit unter Wert. Wie ist Ihre Position dazu heute?
Die Mediterranean Shipping Company hat den Aktionären ein Angebot gemacht, welches die meisten der Anteilseigner offensichtlich als attraktiv empfunden haben – mit einer Prämie, die weit über dem Aktienkurs der vergangenen Jahre und auch weit über den üblicherweise in solchen Fällen gezahlten Prämien lag. Deswegen hat MSC ja auch erfolgreich den Großteil des Streubesitzes aufkaufen können, nicht von der Stadt, sondern über ein öffentliches Angebot und im freien Handel an der Börse. Die Stadt selbst verkauft ja nur einen kleineren Teil ihrer Anteile. Für uns gilt übrigens das gleiche Preisangebot. Die Stadt erhält also deutlich mehr, als sie über die Börse hätte erlösen können. Es liegt auf der Hand, dass die Preisbildung bei einer Aktiengesellschaft nun mal an der Börse erfolgt. Diese Bedingung akzeptiert man von vorneherein, wenn man ein Unternehmen an die Börse bringt.
Kritiker der Transaktion stellen in Frage, ob die Transaktion nicht gegen EU-Beihilferecht verstößt. HHLA-Kleinaktionäre haben bei der EU-Kommission Beschwerde gegen den Teilverkauf des Hafenkonzerns eingelegt. Der Vorwurf lautet, der Kaufpreis sei so gering, dass dies einer ungerechtfertigten Beihilfe entspreche. Rechnen Sie mit einem Verfahren?
Diese Frage ist im Vorfeld gründlich geprüft worden. Wir haben keinen Anlass, von einer Beihilfe auszugehen: Schließlich bevorzugt oder begünstigt die Stadt niemanden. Die Stadt verkauft Anteile, und zwar zu einem Preis, der deutlich über dem liegt, den andere hätten bezahlen müssen. Ein Teil der HHLA war ja auch bislang im freien Handel und hätte jederzeit von anderen Akteuren erworben werden können. Das ist erkennbar nicht der Fall.
Auch aktuelle und ehemalige Mitglieder Ihrer Partei gehören zu den Kritikern. Gewarnt wird vor einem „historischen Fehler“. Es habe kein Ausschreibungsverfahren für den Verkauf der HHLA und kein Verkehrswertgutachten zum Wert der HHLA gegeben.
Der Preis, den die Mediterranean Shipping Company geboten hat, ist von mehreren Banken geprüft worden und als fair beurteilt worden. Auch, wenn man unterschiedliche Bewertungsmethoden berücksichtigt, einschließlich Multiple- und Discounted-Cashflow-Verfahren, gelangt man zu diesem Ergebnis – es wird insgesamt ein branchenübliches Multiple gezahlt, wenn man Transaktionen der vergangenen Jahre zum Vergleich heranzieht.
Abgesehen davon handelt es sich hier, wie gesagt, nicht um den Verkauf eines Unternehmens aus dem hundertprozentigen Staatsbesitz, sondern um eine Kapitalmarkttransaktion. Daher müssen natürlich die entsprechenden Gesetzmäßigkeiten eingehalten werden, und ist auch ein bestimmtes Verfahren von vorneherein gesetzt.
Droht nicht ein erheblicher Schaden, wenn EU-Beihilferecht verletzt wird? Was spricht gegen eine Neubewertung der HHLA samt ihrer Bahntochter Metrans, bis das Risiko eines für die Transaktion negativ ausgehenden EU-Beihilfeverfahrens nicht mehr besteht?
Die Transaktion ist im vergangenen September angekündigt worden. Seitdem gab es umfangreiche Prüfungen und Verhandlungen. Wir haben Dokumente vorgelegt, Vereinbarungen getroffen, Experten gehört, Fragen beantwortet, den Abgeordneten vertrauliche Unterlagen zugänglich gemacht und standen den Abgeordneten der Hamburgischen Bürgerschaft im Wirtschafts-, im Haushaltsausschuss und im Ausschuss für Öffentliche Unternehmen ausführlich für Beratungen zur Verfügung. Auch zum Thema Beihilferecht gibt es eindeutige Stellungnahmen renommierter Experten, die unsere Position bestätigen. Uns ist auch nicht bekannt, dass die EU-Kommission ein förmliches Prüfverfahren eingeleitet hätte. Dass daher nach einem parlamentarischen Beratungsverfahren, welches in seiner Ausführlichkeit seinesgleichen sucht, nach fast einem Jahr auch eine parlamentarische Entscheidung ansteht, empfinde ich nicht als unangemessene Eile.
Wie geht es jetzt weiter, nachdem die Hamburgische Bürgerschaft in erster Lesung der Transaktion mehrheitlich zugestimmt hat?
Bis zum Closing sind insgesamt mehrere Bedingungen zu erfüllen, dazu zählt unter anderem die Zweite Lesung in der Bürgerschaft sowie der Abschluss des fusionskontrollrechtlichen Verfahrens durch die EU-Kommission. Wir rechnen – wie im September letzten Jahres angekündigt – mit einem Vollzug der Transaktion im Verlauf dieses Jahres. Dann geht die eigentliche Arbeit erst los, nämlich die Umsetzung all dessen, was wir uns für die HHLA vorgenommen haben.
Die Fragen stellte Carsten Steevens.