Containerschifffahrt

Hapag-Lloyd stellt sich auf Abkühlung ein

Deutschlands größte Containerreederei stellt sich auf eine konjunkturelle Abkühlung ein. Hapag-Lloyd sieht aktuell sinkende Fracht- und Spotraten. Derweil halten Hafenstaus die Branche in Atem.

Hapag-Lloyd stellt sich auf Abkühlung ein

ste Hamburg

Hapag-Lloyd stellt sich auf eine konjunkturelle Abkühlung ein. Aufgrund hoher Nachfrage und knapper Transportkapazitäten profitiert Deutschlands größte Containerreederei auch nach dem Rekordjahr 2021 von sehr hohen Frachtraten. Sie würden aber inzwischen etwas sinken, sagte Vorstandschef Rolf Habben Jansen am Freitag in einer virtuellen Medienkonferenz. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich der Ratenverlauf im zweiten Halbjahr 2022 auf eine Normalisierung zubewege, liege bei mehr als 50%. Auch Spotraten, zu Jahresbeginn auf sehr hohem Niveau, würden mittlerweile nachgeben.

Der Vorstandsvorsitzende der weltweit fünftgrößten Containerschifffahrtsgesellschaft, die 2021 mit 9,1 Mrd. Euro einen im Vorjahresvergleich fast verzehnfachten Konzerngewinn verbucht hatte, sprach von „turbulenten Zeiten“ infolge der Corona-Pandemie und des Kriegs in der Ukraine. Mit Blick auf die Ankündigung neuer pandemiebedingter Massentests und Ausgangssperren durch die chinesische Wirtschaftsmetropole Schanghai sagte Habben Jansen, derzeit verließen alle eigenen Schiffe den weltgrößten Seehafen ohne lange Wartezeiten. Das Transportvolumen, das man aus China befördere, bewege sich auf normalem Niveau. Die Schwierigkeiten beträfen das Inland in Anbetracht der Schließung zahlreicher Fabriken über einen längeren Zeitraum. Ein zweimonatiger Lockdown in Schanghai hatte erst vor einer Woche geendet.

Nach Ermittlungen des Instituts für Weltwirtschaft (IfW Kiel) sind aktuell über 3% der weltweiten Frachtkapazitäten vor Schanghai und der angrenzenden Provinz Zhejiang im Stau gebunden. Aufgrund des mehrwöchigen Lockdown in Schanghai seien Exporte im Wert von bis zu 700 Mill. Euro von China nach Deutschland entfallen. Dass in den vergangenen Wochen Exporte Schanghais trotz Lockdown-Maßnahmen wieder gestiegen seien, zeige, dass die Firmen dort „in den Startlöchern stehen“, so Vincent Stamer, Leiter des Kiel Trade Indicator, der die Handelsflüsse von 75 Ländern und Regionen weltweit sowie des Welthandels insgesamt schätzt. Den jüngsten Berechnungen zufolge steckten zuletzt über 11% aller weltweit verschifften Waren im Stau.

Staus in der Nordsee

Erstmals seit Beginn der Pandemie im ersten Halbjahr 2020 stauten sich Schiffe auch in der Nordsee. Laut IfW stecken in der sogenannten Nord­range aktuell knapp 2% der globalen Frachtkapazität fest, Schiffe können weder be- und entladen werden. In der deutschen Bucht warte etwa ein Dutzend große Containerschiffe mit einer Kapazität von insgesamt etwa 150000 Standardcontainern auf das Anlaufen in Hamburg oder Bremerhaven. In den beiden größten Häfen Rotterdam und Antwerpen sei die Lage noch dramatischer.

Aufgrund der Verzögerungen in Hamburg würden einige Schiffe kurzfristig nach Wilhelmshaven umgeleitet, sagte der Hapag-Lloyd-weiter. Am Containerterminal CTW im Jade-Weser-Port, dem einzigen Tiefwasserhafen Deutschlands, ist die Hamburger Reederei seit kurzem mit einem Anteil von 30% beteiligt. Dass es einen Zuwachs am 2012 eröffneten, nicht ausgelasteten Jade-Weser-Port gebe, bestätigte Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann. Mit Blick auf den Frachterstau vor dem Hamburger Hafen appellierte der CDU-Politiker öffentlich an Reedereien und Umschlagunternehmen, stärker als bislang Wilhelmshaven anzusteuern. „Die Kapazitäten sind da, um die Situation im Nadelöhr Elbe zu entschärfen und den Hafenstandort Deutschland weiterhin wettbewerbsfähig zu halten.“

Die Stellungnahme ist auch im Zusammenhang zu sehen mit den im Mai 2020 offiziell bestätigten, bislang aber ergebnislos gebliebenen Gesprächen über eine Kooperation der deutschen Seehäfen im Containergeschäft. Die Häfen mit den Terminalbetreibern HHLA und Eurogate verlieren seit längerem Marktanteile an Rotterdam und Antwerpen.

Für zusätzliche Anspannung sorgen aktuell Lohnverhandlungen und Streiks, die neben den deutschen Standorten weltweit auch andere Häfen wie an der US-Westküste betreffen. Mit einem Warnstreik an Deutschlands größten Seehäfen blockierten Hafenarbeiter in der abgelaufenen Woche erstmals seit Jahrzehnten die Abfertigung von Schiffen. Hapag-Lloyd-Chef Habben Jansen erklärte, eine vernünftige Verhandlungslösung sei mit Blick auf drohende weitere Verzögerungen in den Häfen dringend notwendig.