RECHT UND KAPITALMARKT

Hase und Igel im Wettlauf der Kartelluntersuchungen

Schnelle Vorbereitung und Informationsvorsprung für Kronzeugenantrag

Hase und Igel im Wettlauf der Kartelluntersuchungen

Von Michael Holzhäuser *)In den vergangenen Jahren sind die Aktivitäten der Kartellbehörden weltweit auf ein bisher unbekanntes Ausmaß angestiegen. Insbesondere im Finanzsektor nimmt die Zahl der Untersuchungen stetig zu. Die Behörden der einzelnen Jurisdiktionen sind zudem immer besser vernetzt und stehen in einem regen Informationsaustausch. Darüber hinaus ist in Zukunft auch in Europa mit einem Anstieg privater Schadenersatzklagen gegen Kartellanten zu rechnen. Umso wichtiger ist es, sich durch proaktive interne Untersuchungen ein zuverlässiges Bild über die Kartellrechtskonformität des Unternehmens und so die Effektivität des Complianceprogramms zu verschaffen.Im Falle behördlicher Ermittlungen aufgrund Kartellverdachts oder privater Schadensersatzklagen werden interne Untersuchungen zu etwaigen Kartellverstößen schnell zum wichtigsten Instrument, um einen Informationsvorsprung vor Behörden und anderen Beteiligten zu erlangen. Dieser ermöglicht eine genauere Risikoeinschätzung und die Wahl der richtigen Verteidigungsstrategie. Der im Fall eines Kartellverstoßes übliche Wettlauf um den Kronzeugenstatus, der Immunität vor immer drastischeren Bußgeldern sichern soll, bedeutet zugleich einen Wettlauf um die Beschaffung relevanter Informationen. Nicht mehr im OrdnerDie Zeiten, in denen man Protokolle zu Kartellabsprachen in sauber beschrifteten Archivordnern findet, sind jedoch lange vorbei. Im digitalen Zeitalter finden sich relevante Informationen vielmehr in E-Mails, Dokumenten, Tabellen oder Präsentationen, welche auf Datenträgern jeglicher Art sein können. In Zeiten von Big Data und durch die Tatsache, dass Kartelle oft mehrere Jahre überdauern, sehen sich die Unternehmen einer Flut von Informationen ausgesetzt, die zu beschaffen, auszuwerten und zu kategorisieren sind. Dies erfordert ein Maß an Effizienz und Effektivität, das sich nur mit systematischer und strukturierter Planung durch den Einsatz von speziellen Projektmanagementtechniken in den Griff bekommen lässt. Spezielle SuchsoftwareDarüber hinaus erfordern interne Untersuchungen Expertise und Erfahrung im Umgang mit spezieller Suchsoftware zur Durchsicht der digitalen Datenberge, wie sie im Übrigen auch die Kartellbehörden verwenden. Mit E-Discovery-Software kann der Datenbestand vorgefiltert und um irrelevante Daten automatisch signifikant reduziert werden (um circa 40 %). Die verbleibende Datenmenge wird anhand spezieller Suchbegriffe weiter gefiltert und nach Relevanz sortiert. Aber auch hier gibt es erhebliche Effizienzunterschiede, je nachdem wie vertraut der Anwender mit der Software ist. Der erfahrene Anwender ist sogar in der Lage, die Software zum selbständigen, automatisierten Auffinden potenziell relevanter Informationen einzusetzen. Hierin liegt für die Unternehmen eine Chance, sich einen Zeitvorteil in der Durchsuchung der Dokumente zu verschaffen, da nur ein verhältnismäßig kleiner Teil der Gesamtdatenmenge tatsächlich inhaltlich geprüft werden muss.Eine große Herausforderung für interne Untersuchungen stellen nach wie vor Audiodateien dar. Diese gewinnen gerade infolge der Auswirkungen der Bankenkrise aber stetig an Bedeutung für behördliche Untersuchungen. Rund um den Globus wurden Vorschriften eingeführt, die es Finanzinstituten abverlangen, telefonische Gespräche der Trader aufzunehmen und zu speichern, die im Zusammenhang mit Aktien, Obligationen und Derivaten stehen. Während diese Dateien früher in Echtzeit über Stunden von den Behörden und Anwälten angehört und parallel dazu ausgewertet werden mussten, gibt es neuerdings phonetische Suchwerkzeuge, mit denen gezielt Schlüsselbegriffe gesucht sowie einzelne Gesprächsausschnitte priorisiert werden können und die Datenflut so gefiltert und dezimiert werden kann. Die verbleibenden Dateien können dann in traditionelle Suchprogramme exportiert werden, um die Analyse zu beschleunigen.Es drängen ständig neue Softwaresysteme auf den Markt, die weitere Datenarten nach Beweisen durchsuchen können, die für Prozessverfahren oder behördliche Ermittlungen relevant sind. So können zum Beispiel auch Unterhaltungen in professionellen Chaträumen effizient durchsucht werden. Es kann auch festgestellt werden, welches Individuum an welcher Konversation mit welchen Inhalten beteiligt war. Im Vorhinein verhindernWer Expertise im Umgang mit solchen Instrumenten hat, kann sich im Wettlauf gegen die behördlichen Untersuchungen und die internen Untersuchungen anderer Unternehmen zur schnellen Vorbereitung eines Kronzeugenantrags behaupten. Es lohnt sich sowohl für Anwälte als auch für Unternehmen, sich mit modernen Untersuchungsmethoden auseinanderzusetzen, um im Falle behördlicher Ermittlungen Zeit zu sparen und die Verteidigung bestmöglich vorzubereiten. Da mit der Zeit- auch eine Kostenersparnis einhergeht, ermöglichen innovative Untersuchungsmethoden den Unternehmen zudem eher, proaktive Complianceaudits durchzuführen, Verdachtsmomente zu überprüfen und größeren Schaden bereits im Vorhinein verhindern.—-*) Dr. Michael Holzhäuser ist Partner im Frankfurter Büro von DLA Piper.