Hauptversammlung im Schnelldurchlauf

Von Sabine Wadewitz, Frankfurt Börsen-Zeitung, 28.4.2020 Namhafte Schweizer Konzerne haben in der Coronakrise einen Weg gefunden, um Aktionärsversammlungen in Kurzform abzuhalten. Unternehmen wie Roche, ABB oder Nestlé haben an...

Hauptversammlung im Schnelldurchlauf

Von Sabine Wadewitz, FrankfurtNamhafte Schweizer Konzerne haben in der Coronakrise einen Weg gefunden, um Aktionärsversammlungen in Kurzform abzuhalten. Unternehmen wie Roche, ABB oder Nestlé haben an Präsenzveranstaltungen festgehalten, sie haben zum ursprünglich geplanten Termin in große Hallen eingeladen – den Anteilseignern aber mit Blick auf staatliche Vorgaben die physische Teilnahme untersagt.In den Kongresszentren sind dann die wichtigsten Vertreter der eidgenössischen Unternehmen präsent – sofern sie für ihre Anreise keine Landesgrenzen überschreiten müssen. Neben Versammlungsleiter und CEO taucht ein Vertreter des Abschlussprüfers auf, ein eigens benannter Stimmrechtsvertreter und ein Protokollführer. Und dann geht es schnell zur Sache.Beim Pharma- und Diagnostikkonzern Roche hat der Präsident des Verwaltungsrats, Christoph Franz, laut Protokoll die Versammlung um 10.30 Uhr eröffnet und die Tagesordnung stringent abgearbeitet. CEO Severin Schwan und Chefjurist Gottlieb Keller nahmen auf dem Podium Platz, im Saal waren weitere fünf Verwaltungsratsmitglieder anwesend. Eine halbe Stunde später, um 11.00 Uhr, konnten sich alle wieder verabschieden. Das Aktionärstreffen in Zeitraffer war absolviert, die Dividende von in Summe 7,76 Mrd. sfr konnte fließen, der Verwendung des Bilanzgewinns hatten 100 % des vertretenen Kapitals zugestimmt. Die Anteilseigner dürfen in der Schweiz ihre Stimme abgeben, ein Fragerecht haben sie nicht.Unterschiedlich gehen Schweizer Konzerne damit um, ihren Aktionären parallel zur präsenzlosen Generalversammlung zusätzliche Informationen zu geben. Mancher wie ABB hält es nüchtern und verzichtet in jeglicher Darbietungsform auf Reden von Verwaltungsratspräsident oder Geschäftsleitung und stellt die leeren Ränge in der Samsung- Halle in Dübendorf auch nicht als Webcast ins Netz. Bei ABB war Chairman Peter Voser am 26. März um 10 Uhr als einziges Board-Mitglied präsent, um 10.15 Uhr schloss er die Generalversammlung laut Protokoll wieder. Vertreten waren 80 % des Kapitals, das Abstimmungsergebnis zeigt ein differenziertes Bild: So wurden 13 % Neinstimmen im konsultativen Votum über den Vergütungsbericht 2019 gezählt.Nestlé hat parallel zur halbstündigen Präsenzversammlung in Lausanne ohne Publikum immerhin in einem Video Ansprachen von Verwaltungsratschef Paul Bulcke und CEO Mark Schneider übertragen und die zwanzigminütige Aufnahme für die Öffentlichkeit auf Youtube gestellt. Abschriften der Reden stehen auf der Webseite. Noch mehr Multimedia-Mut zeigt UBS, die ihre präsenzlose Generalversammlung am 29. April immerhin online live übertragen will. Eine Präsentation über die “Traktanden” der umfangreichen Tagesordnung hat die Bank ins Netz gestellt. Protest bei AirbusNoch minimalistischer als in der Schweiz kann es in anderen Ländern zugehen. Airbus hat ihre Hauptversammlung in einem Amsterdamer Hotel mit Hinweis auf Reisebeschränkungen gänzlich ohne Anwesenheit von Boardmitgliedern absolviert – vertreten allein von ihrem niederländischen Rechtsanwalt. Es gibt auf der Webseite Videobotschaften von Chairman und CEO und eine Präsentation des Abschlussprüfers EY. Auch hier haben sich die Anteilseigner nicht abhalten lassen, in der Abstimmung Flagge zu zeigen: In einem klaren Votum haben knapp 25 % der vertretenen Aktionäre gegen die Entlastung des Aufsichtsrats gestimmt, 23 % verweigerten dem Vorstand das Vertrauen.So willkommen es manchem deutschen Unternehmen sein könnte, ihnen verschließt das gesetzlich verankerte Fragerecht die Minimalvariante der Aktionärstreffen nach Schweizer Vorbild. Sie müssen zumindest eine virtuelle Hauptversammlung anbieten, auch wenn der Gesetzgeber die Rechte der Aktionäre temporär deutlich eingeschränkt hat, was Anleger nicht goutieren. Dabei sind auch Online-Versammlungen gestaltungsfähig, um den Ansprüchen von Investoren gerecht zu werden. In den USA sind virtuelle “shareholder meetings” weit verbreitet – von Ford bis Microsoft-, doch sie sind interaktiv angelegt, so dass Aktionäre während der Übertragung ihre Fragen stellen können und diese live beantwortet werden.Diese Praxis entwickelt sich noch nicht diesseits des Atlantiks. Deutsche Konzerne nehmen bislang durchweg die Option wahr, Fragen bis spätestens zwei Tage vor der Hauptversammlung auf elektronischem Wege einreichen zu lassen. Damit können sich Investoren nicht mehr auf die Reden von Vorstands- und Aufsichtsratschef beziehen. Deshalb wird gefordert, dass Unternehmen die Redebeiträge bereits einige Tage vorher veröffentlichen. Deutsche Bank simuliertDie Deutsche Bank geht in ihrer am 20. Mai geplanten virtuellen Hauptversammlung voran. Sie will am 12. Mai, also fünf Tage vor Frist-ende für das Einreichen von Aktionärsfragen, die Reden von Aufsichtsrats- und Vorstandschef auf der HV-Webseite veröffentlichen. Damit versucht man den üblichen Ablauf von Präsenzveranstaltungen ansatzweise zu simulieren. Allerdings behält sich die Bank vor, ausgewählte Fragen schon vorab auf der Internetseite zu beantworten und nicht mehr in der virtuellen Veranstaltung zu verlesen. Den Aktionären wird jedoch bis 17. Mai ermöglicht, sich in Stellungnahmen auf der Internetseite der Deutschen Bank zur Tagesordnung zu äußern. Diese Praxis sollte Nachahmer finden.——Aktionärstreffen bieten auch in virtueller Form Gestaltungsmöglichkeiten – wenn Unternehmen es wollen. ——