High Noon in der Kohlekommission

Zuerst abgeschaltet werden wohl die ältesten Braunkohlekraftwerke von RWE im Rheinland - Üppige Entschädigung erhofft

High Noon in der Kohlekommission

Am heutigen Freitag tagt die Kohlekommission so lange, wie es für den Abschluss notwendig ist. Das Gremium mit 28 stimmberechtigten Mitgliedern muss den Bericht mit Zweidrittelmehrheit beschließen. Zuerst werden wohl die ältesten RWE-Braunkohlekraftwerke im Rheinischen Revier abgeschaltet.cru Düsseldorf – Die Kohlekommission trifft sich am heutigen Freitag voraussichtlich zum letzten Mal, um ihren Abschlussbericht zu beschließen. Nach der Art von Tarifverhandlungen wird die Sitzung, die um 8 Uhr beginnt und in der ab 13 Uhr die noch offenen Punkte diskutiert werden, zur Not bis in die Nacht andauern. Laut Tagesordnung, die der Börsen-Zeitung vorliegt, wird die Sitzung von Co-Kohlekommissionschef und Bahn-Vorstand Ronald Pofalla geleitet, der in dem 28-köpfigen Gremium auch die Interessen Nordrhein-Westfalens vertritt.Der Abschlussbericht, dessen Entwurf der Börsen-Zeitung vorliegt, enthält Vorschläge für die Zeit nach dem Kohleausstieg und für Hilfen beim Strukturwandel sowie Ausgleichszahlungen für Beschäftigte, Stromkonzerne und energieintensive Industrien. Was bisher an Entschädigungen, Subventionen, Investitionen und Entlastungen vereinbart sei, koste die Steuerzahler etwa 52 Mrd. Euro, sagt Kommissionsmitglied Kai Niebert vom Naturschutzring DNR.Die Kommission empfiehlt der Bundesregierung, mehr für den Ausbau erneuerbarer Energien zu tun. Zudem brauche es bessere Stromnetze, mehr Gaskraftwerke und Stromspeicher, um die Stromversorgung zu sichern. Für Verbraucher müsse die Stromsteuer sinken, genau wie die Entgelte für das Stromnetz.Bis zuletzt umstritten wird jedoch vor allem sein, welche und wie viele Kraftwerke kurzfristig geschlossen werden sollen – und ob es ein festes Enddatum oder eine Zeitspanne für das Ende der Kohleverstromung gibt. In dem 130 Seiten langen Entwurf für den Abschlussbericht sind an den entscheidenden Stellen noch mit “x” gekennzeichnete Auslassungen. Auf Seite 73 heißt es: “Im Zeitraum von 2018 bis 2022 sollen Braunkohlekraftwerke und Steinkohlekraftwerke schrittweise in dem Umfang stillgelegt werden, dass die Leistung der Kraftwerke im Markt im Jahr 2022 auf maximal [xx] GW (Gigawatt) Braunkohle und [xx] GW Steinkohle reduziert wird.” Noch 40 Gigawatt KohleDerzeit gibt es jeweils rund 20 Gigawatt Braunkohle- und Steinkohlekraftwerke in Deutschland, von denen die letzten – wenigstens darüber herrscht Konsens – in den Jahren zwischen 2030 und 2040 schließen sollen. Für vorzeitig stillgelegte Kraftwerke wird es voraussichtlich Entschädigung geben, auch wenn das nicht zwingend ist. Da bereits einmal Kohlekraftwerke auf staatliche Intervention über die Sicherheitsbereitschaft mit Entschädigung abgeschaltet wurden, gilt als Faustformel eine Summe von 600 Mill. Euro Entschädigung pro Gigawatt.Empfehlen wird die Kommission wohl die Schließung von zunächst 5 Gigawatt – was einer Entschädigung von 3 Mrd. Euro entspräche – überwiegend besonders alter RWE-Braunkohlekraftwerke im Rheinischen Revier zwischen Aachen und Köln. Erst danach kommen Steinkohlekraftwerke sowie neuere Braunkohlekraftwerke in Ostdeutschland an die Reihe. Offen ist, wie stark bis 2030 reduziert wird: “Der Klimaschutzplan 2050 sieht für die Energiewirtschaft bis zum Jahr 2030 vor, die Treibhausgasemissionen um 61 – 62 % gegenüber 1990 auf 175 – 183 Mio. t CO2 zu reduzieren. Um dies zu erreichen, ist ein Rückgang der installierten Leistung der am Markt agierenden Kohlekraftwerke auf [xx-xx] GW erforderlich.”Zu den Entschädigungen heißt es im Entwurf des Abschlussberichts: “Die Kommission empfiehlt für die Braunkohlekraftwerke zur Umsetzung eine einvernehmliche Vereinbarung auf vertraglicher Grundlage mit den Betreibern im Hinblick auf die Stilllegungen zu erzielen. Diese enthält sowohl eine Einigung über Entschädigungsleistungen für die Betreiber als auch Regelungen über die sozialverträgliche Gestaltung des Ausstiegs und wird anschließend gesetzlich fixiert. Teil des Einvernehmens sollte aus Gründen der Versorgungssicherheit und eines geordneten Strukturwandels eine schrittweise Reduktion der Braunkohlekapazitäten im Markt [bis 202[x] auf [x] GW, bis 202[x] auf [xx] GW und] auf [xx] GW im Jahr 2030 sein.” RWE-Aktienkurs steigtInvestoren rechnen offenbar mit einer üppigen Entschädigung für RWE. Der Kurs der Aktie des Konzerns reagierte am Donnerstag mit einem Plus von zeitweise 4 % auf 21,48 Euro. Der Börsenwert von RWE hat sich damit seit September 2015 verdoppelt auf 12,3 Mrd. Euro.Das Ifo-Institut hat vor einem schnellen Ausstieg aus der Braunkohle gewarnt. Es gebe erhebliche Risiken für die Stromversorgung, sagte Wirtschaftsprofessor Joachim Ragnitz in Dresden. Und “es wäre kurzsichtig, in Ostdeutschland moderne Braunkohlekraftwerke abzuschalten und stattdessen veraltete Anlagen in Polen oder Tschechien zu betreiben, um die Versorgung in Deutschland zu sichern”.