Automobilindustrie

Hilferuf der italienischen Herstellerverbände

Italiens Fahrzeugindustrie schreit nach Hilfen. In einem gemeinsamen Aufruf fordern der Herstellerverband Anfia, die Importeurvereinigung Unrae und der Händlerverband Federauto zusätzliche staatliche Mittel für die Transformation des Sektors.

Hilferuf der italienischen Herstellerverbände

bl Mailand

Italiens Fahrzeugindustrie schreit nach Hilfen. In einem gemeinsamen Aufruf fordern der Herstellerverband Anfia, die Importeurvereinigung Unrae und der Händlerverband Federauto zusätzliche staatliche Mittel für die Transformation des Sektors. Italiens Automarkt ist 2020 um 28% eingebrochen. Der Rückgang bei Nutzfahrzeugen und Bussen ist ähnlich stark ausgefallen. Und die negative Entwicklung setzt sich, etwas abgemildert, in diesem Jahr fort.

Die Verbände fordern eine Verlängerung des staatlichen Ökobonus für schadstoffarme Fahrzeuge bis 2026, zusätzliche Hilfen für den Kauf von Fahrzeugen mit einem CO2-Ausstoß bis maximal 135 Gramm pro Kilometer und Steuererleichterungen. Sie begründen ihre Initiative auch damit, dass der italienische Fahrzeugpark ein Durchschnittsalter von 11,5 Jahren hat und damit deutlich älter ist als der Fahrzeugbestand in Frankreich oder Deutschland. Das Durchschnittsalter von Nutzfahrzeugen und Bussen ist noch höher. Italiens Regierung hat bisher 420 Mill. Euro für Fördermaßnahmen zum Kauf von Fahrzeugen mit einem CO2-Ausstoß­ bis 60 Gramm pro Kilometer lockergemacht und gerade weitere 20 Mill. Euro für den Kauf von Elektroautos zur Verfügung gestellt.

Italien ist nur noch der siebtgrößte Autoproduzent in Europa und verliert seit Jahren an Boden. Alle italienischen Werke des neuen Stellantis-Konzerns arbeiten kurz. Die Produktion der Elektroversion des Fiat 500 in Mirafiori (Turin) bleibt mit täglich 210 Einheiten weit unter den Erwartungen von 300 Fahrzeugen oder jährlich 70000 Fahrzeugen. Die Verkäufe von Alfa Romeo in der EU sind im Januar/Februar um weitere 44,3% auf 3393 Autos eingebrochen. Das Werk Cassino, in dem die Alfa-Autos produziert werden, ist auf einem historischen Tiefstand angekommen. Und die frühere Fiat-Tochter Magneti Marelli, die zur japanischen Carlson Kansei gehört, verlagert Produktionslinien für die Fertigung von Elektromotoren für Porsche von Bari nach Deutschland. Der zum CNH-Konzern gehörende Nutzfahrzeughersteller Iveco steht angeblich kurz vor dem Verkauf an die chinesische FAW – vorausgesetzt, Rom verbietet das nicht unter Nutzung einer Golden-Power-Aktie. Auch um die frühere Fiat-Robotiktochter Comau, die vorerst bei Stellantis verblieben ist, aber eigentlich verkauft werden soll, herrscht Unsicherheit.

In den letzten Jahren fielen schon Pininfarina, Lamborghini, Ducati, Italdesign und Pirelli in ausländische Hände. Und der FCA-Konzern mit den italienischen Marken Fiat, Alfa Romeo, Maserati und Lancia ging an den französisch dominierten Stellantis-Konzern.

In Italien herrscht große Angst, Stellantis-CEO Carlos Tavares werde Kapazitäten abbauen. Am 15. April wird er sich auf deren Wunsch mit italienischen Gewerkschaftsvertretern treffen. Die Auslastung der Werke im Bel Paese liegt nur bei 46% – weit unter den 73% der französischen Fabriken. Tavares will zwar Potenziale heben, hat aber auch darauf hingewiesen, dass „viel Arbeit bei Maserati und Alfa Romeo zu leisten ist“. Die Verkaufszahlen beider Marken sind auf historischen Tiefstständen. Tavares dürfte vor massiven Umstrukturierungen nicht zurückschrecken. Offen ist auch, welche Forschungskapazitäten von Stellantis in Italien angesiedelt sein werden.

Werksschließungen stehen zwar (noch?) nicht an, und Fiat Chrysler hat kurz vor der Fusion Investitionen von 5 Mrd. Euro in die italienischen Fabriken zugesichert. Bis aber wirklich neue Modelle auf den Markt kommen, dauert es laut Experten mindestens zwei Jahre – eine lange Durststrecke. Ein Hoffnungsschimmer ist die Ankündigung von FAW, in der Emilia-Romagna Elektro-Sportboliden bauen zu wollen.