RECHT UND KAPITALMARKT

Historische Chance für den Immobilienmarkt

Steuerrecht darf Auslandsinvestoren nicht abschrecken

Historische Chance für den Immobilienmarkt

Von Henning-Günther Wind *)Der Brexit eröffnet dem deutschen Immobilienmarkt eine historische Chance. London verliert voraussichtlich ein wichtiges Asset. Viele Unternehmen vor allem aus der Finanzbranche erwarben mit einem Standort in London den “EU-Passport”. Sie sind damit regulatorisch überall in der EU anerkannt. Die Folge war die Ansiedlung vieler hoch dotierter Arbeitsplätze. Welche “Passport”-Metropole in Europa kann die Nachfolge Londons antreten? Hierzulande werden Immobilien-Investoren aus dem Ausland auf Miet- und Rendite-Strukturen stoßen, die für sie sehr erklärungsbedürftig sind. Prädestinierte Standorte wie Frankfurt und Berlin erfordern derzeit noch umfangreiche Beratung und Aufklärung. Sonst drohen Investoren unliebsame Überraschungen. Doppelte BelastungQuasi zwangsläufig wird ein ausländischer Investor erkennen, dass er ohne schlagkräftige Mannschaft vor Ort im deutschen Markt nicht erfolgreich wirtschaften kann. Leider gilt: Je professioneller eine Immobilie immobilienwirtschaftlich betrieben wird, umso größer ist die Gefahr, dass das deutsche Steuerrecht hieraus einen Gewerbebetrieb fingiert. Der Einsatz regenerativer Energien, effizienter Gebäudetechnik und -steuerung bis hin zu Security- oder Reinigungsdienstleistungen gehören zur modernen Immobilienbewirtschaftung. Sie sind selbstverständlicher Bestandteil der Erwartungshaltung von Mietvertragsparteien. Genauso wie dem Business des Mieters angepasste Ausbauten oder andere Serviceleistungen des Vermieters. Hierbei gilt es zu berücksichtigen, dass das deutsche Steuerrecht daraus vergleichsweise schnell eine Ansässigkeit ausländischer Finanz- und Konzernstrukturen in Deutschland fingiert. Damit verdoppelt sich die Ertragsteuerbelastung für ausländische Investoren.Diese Praxis führt in Gesprächen mit ausländischen Investoren oft zu ungläubigem Erstaunen, haben diese doch einen Ort der Geschäftsleitung oder eine Betriebsstätte in Deutschland nie im Sinn gehabt. Bereits ein einziger schädlicher Sachverhalt kann bei fehlerhafter Strukturierung die Erträge eines kompletten Immobilienportfolios infizieren. Es ist daher zwingend erforderlich, alle relevanten Sachverhalte von den mietvertraglichen Vereinbarungen bis hin zur organisatorischen Struktur des Investments zu prüfen.Hierbei gibt es keine allgemeingültigen Lösungen. Verkäufer können Steuerrisiken auch “erben”. Diese sind in der inländischen Verkäuferstruktur unproblematisch, schlagen aber beim ausländischen Käufer voll steuerschädlich durch. So kann es steuerlich einen entscheidenden Unterschied machen, ob eine Leistung in den Mietzins eingepreist wird oder separat über die Nebenkostenabrechnung umgelegt wird. Immobilienwirtschaftlich liegt beiden Varianten aber dieselbe wirtschaftlich erforderliche und sinnvolle Gestaltung zugrunde.Investoren interessieren sich neben renditeschwachen AAA-Standorten gerade für Immobilien mit hohem Leerstand und Sanierungsrückstand. Dabei müssen sie sich jedoch mit den Realitäten des Bestandsschutzes für Mietverträge, der nur eingeschränkten Umlegbarkeit von Sanierungskosten sowie unter Umständen auch der Mehrfachbelastung an Grunderwerbsteuer auseinandersetzen. Als sogenannte “RETT-Blocker-Strukturen” vielfach fälschlicherweise angepriesene Strukturierungsmodelle verfehlen häufig ihren Zweck. Mit diesen soll zwar unter bestimmten Umständen der Anfall von Grunderwerbsteuer vermieden werden. Sie werden jedoch durch wirtschaftlich artifizielle Gestaltungen ad absurdum geführt. Nicht zu vermittelnHinzu kommt, dass dem Investor solche ineffizienten Organisationsstrukturen kaum zu vermitteln sind. Das gilt auch für einen möglichen Mehrfachanfall von Grunderwerbsteuer selbst bei minimalen Änderungen eigentumsrechtlicher oder wirtschaftlicher Verhältnisse. Hier ist es nötig, frühzeitig eine steuerliche Struktur aufzusetzen, die nicht künstlich ist. Sie muss in natürlicher Art und Weise den Organisationsabläufen folgen und immer wieder im Detail optimiert werden.Einem ausländischen Investor ist auch kaum verständlich, warum sich die Grunderwerbsteuer auf Projektentwicklungskosten erstrecken soll. Der Hinweis ist aber wichtig. Dahinter verbirgt sich eine Steuerfalle, die sich oft erst Jahre später aus der nachträglichen “besseren Erkenntnis” einer Betriebsprüfung realisiert. Und das zu einem Zeitpunkt, in welchem der normalerweise steuerlich mithaftende Immobilienveräußerer oft nicht mehr existent ist. Die Belastung trifft dann allein den Investor. Nahezu einzigartig auf europäischer Ebene ist schließlich die extrem formalistische Betrachtungsweise des Umsatzsteuerrechts.Eine Modernisierung des auf ausländische Investoren anwendbaren Steuerrechts ist dringend erforderlich. Die historische Chance des Brexit sollte dazu Anlass genug sein.—-*) Henning-Günther Wind ist Partner der Prüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft Ebner Stolz.