„Im Herz europäischer Batteriekompetenz“
Von Karolin Rothbart, Frankfurt
Der Maschinen- und Anlagenbauer Manz sorgt bei seinen Aktionären seit einiger Zeit für Glücksgefühle. Innerhalb von einem Jahr hat sich der Kurs fast verdreifacht und im April zum ersten Mal seit dem Jahr 2015 zwischenzeitlich wieder die Marke von 60 Euro überschritten. Das, was die Herzen der Anleger so hoch schlagen lässt, ist ein Thema, das seit einiger Zeit generell reflexhafte Euphorie am Markt auslöst – selbst dann, wenn es von Unternehmen nur am Rande angegangen wird. Die Rede ist vom Zukunftsthema Elektromobilität, oder genauer: der Batteriefertigung. Hier sieht sich Manz in Europa künftig ganz vorn mit dabei.
„Wir wollen unseren Kunden die komplette Wertschöpfungskette bei der Lithium-Ionen-Batterieherstellung anbieten“, sagt Finanzchef Manfred Hochleitner im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Das ist überhaupt eines der Grundprinzipien des Unternehmens: den Kunden nicht nur einzelne Maschinen zu verkaufen, sondern vielmehr „Rundum-sorglos“-Komplettlösungen, bei denen auch Produkte von Drittanbietern integriert werden können.
Für Hochleitner ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis es sich bei den Kunden im Wachstumssegment Energy Storage auch um namhafte E-Autobauer handelt. „Wir sind mit allen großen Playern in Kontakt und wissen daher auch, dass da viel Bewegung im Hintergrund da ist.“
Die Fertigung von Lithium-Ionen-Batterien ist ein Milliardengeschäft. Allein in Deutschland wuchs der Markt im Jahr 2020 laut Absatzzahlen vom Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) um 63% auf 3 Mrd. Euro. Weltweit belief sich der Wert auf mehr als 34 Mrd. Dollar, wie der Marktforscher Imarc berichtet.
Gemeinsam an die Spitze
Um sich ein größeres Stück des Kuchens im Bereich Elektromobilität zu sichern, hat Manz Anfang des Jahres eine strategische Kooperation mit dem bayerisch-schwäbischen Anlagenbauer Grob geschlossen. Dabei bringt Manz „ihre jahrzehntelange Erfahrung in wesentlichen Produktionsschritten zur Herstellung unterschiedlicher Lithium-Ionen Zelltypen und deren Montage in ein Batteriemodul“ mit ein, ließ das Unternehmen dazu wissen. Grob habe „mit seiner Umsetzungsstärke in der Konzeption, Planung und Inbetriebnahme hochkomplexer und kundenspezifischer Anlagen für die Massenproduktion“ überzeugt. Dazu hat Grob seine Kompetenz vor allem im Automotive-Bereich und verschafft Manz somit auch den benötigten Zugang zu den Entwicklungsabteilungen und Entscheidern bei den Autoherstellern. Gleichzeitig ist die Firma für Manz mehr als nur ein Türöffner, schreibt Stifel-Analyst Florian Pfeilschifter. „Sie ergänzt auch die Produktpalette und erlaubt es Manz, noch überzeugendere und förderliche Lösungen anzubieten.“ Die Kooperation werde auch bei den Autobauern positiv aufgenommen.
Gemeinsam wollen Grob und Manz also „führender europäischer Anbieter von Produktionslösungen für Lithium-Ionen Batteriesysteme werden – in aller Bescheidenheit“, wie es Hochleitner auf einer Investorenveranstaltung Mitte Mai formulierte. Finanziellen Schub erhält Manz dafür im Rahmen eines Förderprojekts der Europäischen Kommission mit dem Namen „European Battery Innovation“. Es ist Teil der „Important Projects of Common European Interest“ („(…) wichtige Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse (…)“, IPCEI). Ende April gab es den offiziellen Förderbescheid über rund 70 Mill. Euro für den Standort Reutlingen. Dazu kommt noch mal ein mittlerer zweistelliger Millionen-Euro-Betrag für den Standort in Italien. „Das ist für uns ein Riesenerfolg“, sagt Hochleitner. „Nicht nur, weil das Thema Batterie und Batteriefertigung für die ‚Batteriefabrik der Zukunft‘ mit dem Geld deutlich schneller vorangetrieben werden kann, sondern auch, um sicherzustellen, dass das Know-how hier in Europa bleibt.“
Tatsächlich geht es der EU-Kommission bei dem Vorhaben vornehmlich darum, die aktuell hohe Abhängigkeit der europäischen E-Autobranche von asiatischen Batterielieferanten zu verringern. Die meisten Batterien für Elektroautos kommen bislang aus China oder Südkorea. Dabei ist die Zufriedenheit der hiesigen Autobauer laut Hochleitner oft nicht mal allzu groß. Denn die europäischen Ansprüche in Sachen Sicherheit und Produktionsbegleitung würden sich nach wie vor nicht unbedingt mit den chinesischen decken. Deswegen wollen die großen Autobauer künftig ihre eigenen Zellfabriken aufbauen. Um sich hier von Anfang an als Zulieferer der Anlagen in Stellung zu bringen, will Manz die Entwicklungskapazitäten mit Hilfe der Fördergelder nun deutlich ausbauen. „Mit dem Projekt haben wir uns in eine super Position gebracht, weil wir jetzt im Herz der europäischen Batteriekompetenz mit dabei sind“, schwärmt Hochleitner. Das Projekt läuft über sieben Jahre und ist eingeteilt in drei Phasen: erst die R&D-Phase, dann die Prototypen-Phase, dann die Serienproduktionsphase. Abhängig vom Fortschritt der einzelnen Entwicklungsprojekte bekommt Manz die Fördergelder anteilig ausgezahlt.
So „bescheiden“, wie sich die Vision des Maschinenbauers in dem Bereich ausnimmt, so ernsthaft bescheiden wirken allerdings auch die Wachstumsziele in dem Segment. Im vergangenen Jahr hat Manz seinen Umsatz in der Sparte noch um knapp 60% auf rund 65 Mill. Euro gesteigert, in diesem Jahr soll sich das Plus nun auf 20 bis 40% belaufen. „Das ist in der Wahrnehmung vielleicht nicht besonders aggressiv“, räumt Hochleitner ein. Es liege aber daran, dass sich die finalen Entscheidungen bei den Abnehmern oft noch ziehen. „Es herrscht beim Umgang mit dem Thema Energy Storage noch viel Unsicherheit im Markt.“ Es habe sicherlich bereits ein paar Gehversuche von den Autoherstellern gegeben, sagt der CFO. „Aber für Anlagen für die Massenproduktion dauern die Entscheidungsprozesse, weil gewisse Themen noch intern diskutiert werden müssen. Insofern sind wir da noch eher konservativ.“
Nicht alles auf eine Karte
Konzernweit erhofft sich Manz eine geringe bis moderate Umsatzsteigerung im Vergleich zu 2020. Im Vorjahr hatte das Unternehmen insgesamt 237 Mill. Euro erlöst. Die Ebit-Marge lag zudem bei 3,0 % − hier streben die Reutlinger mittelfristig, also etwa bis 2024, einen Wert von 10% an.
Gelingen soll das aber nicht nur mit dem Energiespeicher-Segment. Stattdessen setzt Manz seit jeher auf eine Vielzahl an Technologien, die in unterschiedlichsten Bereichen Anwendung finden. So fertigt das Unternehmen unter anderem auch Produktionslinien für CIGS-Dünnschicht-Solarmodule und bietet im Bereich Electronics Anlagen zur Herstellung von Displays für LCD-, OLED- und AMOLED-Flachbildschirme, Smartphones, Tablets und Notebooks und weitere Unterhaltungselektronik. Dazu hat sich Manz über eine Beteiligung an der Cadis Engineering GmbH Anfang Februar Zugang zum Digitaldruck-Markt verschafft. „Ein ganz spannendes Thema“, sagt Hochleitner. Die Technologie kommt unter anderem bei der Gestaltung von Autoinnenräumen, in der Elektronik, aber auch in der Medizintechnik zum Einsatz. „Es ist eine breite Spielwiese“, so der Finanzchef. „Wir haben gesehen, dass es da Wachstumspotenzial und Bedarf im Markt gibt.“