WENN KAPITAL WIEDER KOSTET

Im Land der Zombie-Unternehmen

Japans Firmen erhalten Staatshilfen auf allen Ebenen

Im Land der Zombie-Unternehmen

Von Martin Fritz, TokioJapans Unternehmen leben dank extremer Staatshilfen in der besten aller möglichen Welten: Die Notenbank senkt aktiv ihre Kapitalkosten, verhilft ihnen zu hohen Gewinnen und erleichtert ihnen die Finanzierung von Übernahmen. Gleichzeitig kümmert sich die Regierung darum, dass kaum ein Unternehmen jemals aufgeben muss. Das Erfolgsrezept für diese staatlichen Unterstützungen wurde in den neunziger Jahren entwickelt, als Japans Wirtschaft unter den Folgen der geplatzten Spekulationsblase mit Aktien und Immobilien litt. “Japan beschloss damals, jeden zu retten”, stellt Volkswirt Tuomas Malinen von GnS Economics fest. Ab 2009 wurde das Prinzip während der Finanzkrise verstärkt angewendet. Seitdem zwingt die Finanzaufsicht die Banken, so großzügig wie möglich mit den Kreditverpflichtungen ihrer Firmenkunden umzugehen. Damals legte die Regierung auch staatlich finanzierte Sanierungsfonds auf und subventionierte Kredite für notleidende Unternehmen. Zusätzlicher Schub entstand ab 2013 durch die Wirtschaftspolitik der Abenomics mit Billiggeld der Notenbank, staatlichen Mehrausgaben und gesenkter Körperschaftsteuer.Die Staatshilfen haben die Bilanzen vieler Unternehmen kräftig aufgehübscht. So sind die Gewinne der Japan AG auf Rekordhöhe gestiegen. Das geht – vor allem im Exportsektor – auf den schwachen Yen als Folge der rotierenden Notenpresse der Bank of Japan zurück. Für jeweils 10 Yen mehr beim Wechselkurs zum Dollar verdienen die Unternehmen laut Japan-Analyst Jesper Koll von Wisdom Tree im Schnitt 8 % mehr. Zweitens sind die Gewinnrücklagen der Unternehmen nach Daten der Wirtschaftszeitung “Nikkei” zu Ende September auf das neue Hoch von 260 Bill. Yen (umgerechnet 2 Bill. Euro) geklettert. Das sind 49 % mehr als vor zehn Jahren. Allein bei Toyota stehen über 18 Bill. Yen (136 Mrd. Euro) an Gewinnrücklagen in der Bilanz. Drittens kam es zu Wellen an Auslandszukäufen. 2016 gaben die Firmen dafür umgerechnet 127 Mrd. Euro aus. Viele Übernahmen lassen sich über Bankkredite finanzieren, die wegen der Nullzinspolitik fast nichts kosten.Dieser Ertragsboom spiegelt sich auch in anderen Kennziffern wider. Nach Angaben des Internationalen Währungsfonds hat Japan von den G 7-Staaten zwar die zweithöchste Gesamtverschuldung des Unternehmenssektors von 130 % der Wirtschaftsleistung (2017). Aber die Staatshilfen hätten die Bilanzen der Firmen gestärkt, heißt es in einem IWF-Bericht. So habe sich der Anteil der japanischen Firmen mit einem Zinsdeckungsgrad unter 1 von 30 % im Jahr 2009 auf nur noch 13 % im Jahr 2015 mehr als halbiert. Je höher dieser Grad, desto leichter können Zinsen aus den operativen Erträgen finanziert werden. Ein Wert unter 1 bedeutet, dass die Zinskosten nicht erwirtschaftet werden. Die Leverage-Quote von Fremd- zu Eigenkapital fiel zudem von 205 % im Jahr 2007 auf 156 % im Jahr 2015. Kaum InsolvenzenAuch die staatlichen Hilfsprogramme für notleidende Unternehmen funktionieren: Unter den knapp 4 000 börsennotierten Unternehmen der Inselnation gab es 2016 keine einzige Insolvenz. Auch die Gesamtzahl der Konkurse ging von 13 000 (2009) auf zuletzt nur noch 8 200 zurück, obwohl zwei Drittel aller Unternehmen nicht genug verdienen, um Steuern zu zahlen. Parallel verringerten die fünf größten Geschäftsbanken ihre Rückstellungen für notleidende Kredite per Ende September auf 902 Mrd. Yen. Das sind 90 % weniger als 1998 und entspricht dem niedrigsten Stand binnen 32 Jahren.Die Kehrseite bilden die zahlreichen Zombie-Firmen, die weiterleben dürfen, obwohl sie nicht einmal ihre Kreditzinsen erwirtschaften. Sie bremsen den Wandel und damit das Wachstum der Wirtschaft, weil sie Arbeitskräfte binden. Daher entstehen nur wenige neue, produktivere Unternehmen. Japans Rate von Neugründungen und Schließungen von Firmen ist laut OECD nur halb so hoch wie in den USA. Außerdem sind 75 % der kleinen Firmen älter als zehn Jahre, im OECD-Schnitt sind es knapp 50 %. “Das ist total ungesund”, kommentierte Ökonom Martin Schulz vom Fujitsu-Institut in Tokio. Denn die Zombie-Firmen konkurrierten über den Preis und drückten die Margen ihrer profitablen Wettbewerber. Das erzeuge Deflation. Dennoch hat die Regierung kürzlich die Lebensdauer ihres Sanierungsfonds INCJ um neun weitere Jahre verlängert.