„Im Prozess überzeugende Argumente vorgebracht“
Annette Becker.
Herr Hellermann, Bertelsmann hat das operative Ergebnis im ersten Halbjahr trotz hoher Investitionen gesteigert. Unter dem Strich war jedoch ein deutlicher Rückgang um fast zwei Drittel zu verzeichnen. Hohe Veräußerungserlöse für SpotX erklären den Rückgang nur zum Teil. Was steht noch hinter dem Ergebniseinbruch?
Der wichtigste Posten ist der Veräußerungsgewinn für SpotX in Höhe von 745 Mill. Euro. Daneben hatten wir im Vorjahr aber auch hohe Aufwertungen in unserem Beteiligungsportfolio von Bertelsmann Investments. Das hat sich 2022 nicht wiederholt. Wir können tatsächlich von einer Normalisierung der Situation sprechen. Wir liegen ziemlich exakt auf dem Niveau vom ersten Halbjahr 2020.
Schaut man in die Entwicklung der Segmente, sieht man, dass der Buchverlag Penguin Random House deutlich schwächelt. Die operative Marge ist von 18 % auf 13,4 % eingebrochen. Woran liegt das?
Penguin Random House war insbesondere auf dem US-Markt von anhaltenden Verwerfungen in der Lieferkette sowie Inflationsdruck betroffen. In diesem Jahr erwarten wir die großen neuen Bestseller-Titel erst im zweiten Halbjahr. Ich gehe davon aus, dass Penguin Random House auf das Gesamtjahr gesehen noch aufholen wird.
Die Übernahme des Buchverlags Simon & Schuster für 2,2 Mrd. Dollar steckt in der Warteschleife fest. Die US-Regierung hatte gegen den Zusammenschluss geklagt. Im August war die Verhandlung. Wie ist der Stand der Dinge?
Der Prozess lief vom 1. bis 19. August mit den Zeugenanhörungen von beiden Seiten. Die Parteien schreiben jetzt ihre Post-Trial Briefings. Auf der Basis wird die Richterin in den nächsten Wochen ihr Urteil fällen.
Wie ist Ihr Gefühl mit Blick auf den Ausgang? Sollte der Deal platzen, muss Bertelsmann eine Vertragsstrafe von 200 Mill. Dollar entrichten.
Das ist richtig, wir haben mit dem Verkäufer eine Vertragsstrafe vereinbart. Wir gehen davon aus, dass wir im Prozess sehr starke Argumente vorgebracht haben, und glauben, dass die Argumente für uns sprechen. Aber wir müssen jetzt das Urteil abwarten.
Auch bei RTL gibt es kartellrechtliche Auseinandersetzungen. In Frankreich haben Sie angekündigt, das Fusionsvorhaben mit TF1 aufzugeben, sollte es bei den Auflagen aus der vorläufigen kartellrechtlichen Einschätzung bleiben. Was machen Sie dann?
In der Tat gibt es mögliche Auflagen, die nicht akzeptabel wären. Der Deal würde dann keinen Sinn mehr machen. Aber auch hier müssen wir den Ausgang abwarten. Im Herbst erwarten wir die Entscheidung. Sowohl für Simon & Schuster als auch für den Zusammenschluss von M6 mit TF1 gilt, dass die Transaktionen für uns strategisch erhebliche Chancen darstellen. Sollten sie nicht zustande kommen, werden wir andere Chancen im Markt nutzen. So oder so würde Bertelsmann in keinem Fall in seinen Grundfesten erschüttert.
Ihre wirtschaftliche Verschuldung ist zum Halbjahr deutlich gestiegen, obwohl es bei den Pensionsverbindlichkeiten durch den gestiegenen Zins zu spürbaren Entlastungen kam. Woran liegt das?
Die Pensionsverbindlichkeiten sind zurückgegangen, aber die Nettofinanzschulden sind gestiegen. Das liegt zum einen an unserer Investitionstätigkeit und zum anderen am saisonalen Aufbau unseres Nettoumlaufvermögens. Im Vergleich zu vor einem Jahr sind die wirtschaftlichen Schulden zurückgegangen.
Vor einem Jahr haben Sie den Callcenter-Betreiber Majorel an die Börse gebracht. Nun wird ein Zusammenschluss mit der Sitel Group verhandelt. Zieht sich Bertelsmann im Zuge dessen aus dem Gemeinschaftsunternehmen komplett zurück?
Nein. Der Zusammenschluss mit Sitel würde unsere Beteiligungshöhe ausgehend von 39,5 % auf 17,3 % reduzieren. Daher müssen wir Majorel zum 30.6. rein technisch als „asset held for sale“ bilanzieren. Mit einem Abschluss der Transaktion rechnen wir im ersten Quartal 2023. Wir glauben, dass der Zusammenschluss mit Sitel die Marktposition deutlich verbessert. Die Entscheidung ist rein aus dem Geschäft heraus getroffen worden.
Das Interview führte