RECHT UND KAPITALMARKT

Immobilienfinanzierungen locken Versicherer

Rückzug der Banken schafft Raum für neue Spieler - Regulatorische Beschränkungen - Niedrigzins treibt Aktivität als Kreditgeber

Immobilienfinanzierungen locken Versicherer

Von Patrick Mittmann *)In Folge der Weltfinanzkrise haben sich die internationalen Großbanken weitgehend aus deutschen Immobilienfinanzierungen zurückgezogen. Von den deutschen Kreditinstituten mussten einige in Folge von EU-Auflagen im Zusammenhang mit Staatshilfen ihr Neugeschäft einstellen. Andere haben die Immobilienfinanzierung aus strategischen Gründen aufgegeben oder eingeschränkt. Auch rechnen viele Fachleute mit einem Rückgang des Gesamtvolumens von Bankkrediten in Deutschland in Folge der Umsetzung der Eigenkapitalanforderungen für Banken gemäß Basel III. Eine ganze Reihe deutscher Kreditinstitute sind weiter sehr aktiv, regelmäßig refinanziert über Pfandbriefe. Es scheint dennoch Raum für neue Player zu geben.Verstärkt treten in den letzten Jahren Lebensversicherer, Rentenkassen und private Krankenversicherer als Immobilienfinanzierer in Erscheinung. Sie handeln teils allein, teils im Konsortium mit Banken oder anderen Versicherungen. Gleichzeitig zeigt sich eine verstärkte Aktivität von sogenannten Debt Fonds, in deren Anteile wiederum nicht wenige Versicherungen investieren. Investitionen von Versicherungskonzernen in Grundbesitz sind nichts Neues. Hochwertige EinzelobjekteDer neue Trend besteht darin, dass die Versicherer hier nicht das Eigentum an Immobilien erwerben, sondern wie Banken den Eigentumserwerb und/oder die Entwicklung der Immobilie durch einen Dritten im Wege eines Darlehens finanzieren. Der Hintergrund ist das gegenwärtige Niedrigzinsumfeld: der Leitzins der Europäischen Zentralbank liegt seit dem 5. Juni 2014 bei historisch niedrigen 0,15 %. Die Versicherer sind aber darauf angewiesen, die von ihren Kunden eingezahlten Beiträge im Rahmen der geltenden gesetzlichen Vorgaben möglichst sicher, liquide und profitabel anzulegen. Kapitalanlagen wie Staatsanleihen sind derzeit wegen ihrer niedrigen Rendite wenig attraktiv, Aktien werden wegen ihrer Volatilität kritisch gesehen. Demgegenüber sind immobilienbesicherte Darlehen vergleichbar sichere Investitionen, deutlich rentabler als Staatsanleihen und wegen vergleichsweise geringer Eigenkapitalanforderungen für die Versicherer attraktiv.Finanziert werden überwiegend hochwertige Einzelobjekte wie die Gropius-Passagen in Berlin, das Centro Oberhausen oder das Schwabinger Tor in München. Büroimmobilien und Shopping Center bilden einen Schwerpunkt. Weniger gefragt sind Wohnportfolien, wo aber ebenfalls erste Transaktionen zu verzeichnen sind, sowie Objekte in Zweit- und Drittlagen und managementintensive Immobilien wie Hotels, Krankenhäuser oder Pflegeheime. Daneben erobern Versicherer im Privatkundengeschäft Marktanteile. Dabei können sie auf ihr Know-how aus eigenen Immobilieninvestitionen zurückgreifen.Wer in Deutschland Kreditgeschäft betreiben möchte, braucht normalerweise eine Banklizenz. Das Kreditgeschäft ist damit ein Privileg der Banken. Für Versicherer gilt eine gesetzliche Ausnahme, soweit sie Geschäfte tätigen, die ihnen “eigentümlich” sind. Darunter fällt jedenfalls die Investition derjenigen Vermögensbestandteile, die zur Sicherung der Ansprüche ihrer Kunden dienen, des sogenannten “gebundenen Vermögens”.Bei der Anlage des gebundenen Vermögens müssen Versicherer regulatorische Beschränkungen beachten. Grundsätzlich zulässig sind nach dem Versicherungsaufsichtsgesetz und der darunter erlassenen Anlageverordnung neben Immobilienfinanzierungen Investitionen in eine Vielzahl von Produkten, etwa Wertpapierdarlehen, Unternehmensfinanzierungen, Schuldverschreibungen, Aktien, Fondsanteile, Immobilien oder Anteile an Sondervermögen. Es gelten jeweils eigene Anforderungen an Produkt und Transaktionsgestaltung, vielfach auch prozentuale Obergrenzen im Verhältnis zum Gesamtbetrag des gebundenen Vermögens. Keine eigene Anlageklasse sind Kredite zur Finanzierung von Infrastrukturentwicklungen, etwa Windparks. Hier sind Versicherer bislang auf indirekte Investitionen über Debt Fonds angewiesen.Für Immobilienfinanzierungen gelten zunächst ähnliche Beschränkungen wie für Banken bei pfandbriefgedeckten Finanzierungen. Die finanzierten Objekte müssen in einem Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraums oder der OSZE belegen sein. Auch dürfen Immobilien aus Mitteln des gebundenen Vermögens nicht in beliebiger Höhe beliehen werden, sondern nur in einem Betrag, der höchstens 60 % ihres sogenannten Beleihungswertes entspricht. Der Betrag kann noch geringer ausfallen, wenn für den Staat, in dem sich die Immobilie befindet, strengere Regeln gelten. Ist im Einzelfall eine höhere Beleihung gewünscht, kann eine Finanzierung außerhalb des gebundenen Vermögens geprüft werden. Alternativ könnte ein Nachrangfinanzierer, etwa ein Debt Fonds, als weiterer Kreditgeber hinzugezogen werden. Immobilienfinanzierungen aus dem gebundenen Vermögen müssen durch erstrangige Grundschulden besichert sein, ein “Stehenlassen” von Grundschulden für Altgläubiger ist insoweit grundsätzlich nicht möglich, denkbar ist insoweit gegebenenfalls eine übergangsweise Finanzierung aus dem freien Vermögen. Soweit nur ein Teil der Finanzierung aus dem gebundenen Vermögen erfolgt, verlangen viele Versicherer separate Grundschulden für diesen Teil. Rechtliche BesonderheitenDie Transaktionsstruktur entspricht im Grundsatz der Immobilienfinanzierung durch Banken. Bei Erstellung der Dokumentation kann auf die für Bankdarlehen entwickelten Muster, etwa des Verbands deutscher Pfandbriefbanken oder der Loan Market Association, aufgesetzt werden. Einige rechtliche und kommerzielle Besonderheiten sind zu beachten. So wollen Versicherer vielfach deutlich länger finanzieren, als es im Bankenmarkt üblich ist. Schließlich sind auch die eingesetzten Kundengelder langfristig bei ihnen angelegt. Daher sind lange Kreditlaufzeiten verbreitet, und es wird den Kreditnehmern nur eingeschränkt das Recht zur vorzeitigen Rückführung des Kredits eingeräumt.Die Versicherer schulden ihren Kunden je nach Versicherungstyp einen festen Mindestzins auf ihre Einlagen. Daher reichen sie ihre Kredite in aller Regel ebenfalls mit einem Festzins aus. Die European Interbank Offering Rate (Euribor) würde als Zinsbasis ohnehin wenig Sinn machen, da sich die Versicherer ja gerade nicht am Interbankenmarkt, sondern aus langfristig angelegten Kundengeldern refinanzieren. Wichtig ist schließlich, nicht unbedingt aus ökonomischem Kalkül, sondern aus regulatorischen Gründen, die freie Übertragbarkeit der Darlehen, da die Investitionen der Versicherer hinlänglich liquide sein müssen.Bei Finanzierungen im Konsortium, sei es mit Banken oder anderen Versicherern, bereiten die im Bankenkonsortium üblichen Mehrheitsentscheidungen der sogenannten Majority Lenders Schwierigkeiten. Für Versicherer ist es aus aufsichtsrechtlichen Gründen erforderlich, die wesentlichen Entscheidungen über ihren Teil des Kreditengagements, insbesondere über dessen Kündigung für allein treffen zu können. Schwierigkeiten bereitet auch die Einsetzung eines Treuhänders, der Sicherheiten treuhänderisch für das Konsortium hält. Insoweit wurde zum 1. Januar 2014 eine Erleichterung geschaffen. Soweit der Treuhänder eine Bank ist, die ein Refinanzierungsregister führt, können seither auch Versicherer als Begünstigte darin eingetragen werden und sind im Falle einer Insolvenz des Treuhänders geschützt. Im FlussEs ist zu erwarten, dass die Versicherungsbranche auf absehbare Zeit ihre Aktivität als Kreditgeber eher verstärkt als reduziert. Dies zumindest solange die derzeitige Niedrigzinsphase anhält. Bei den regulatorischen Rahmenbedingungen ist indes einiges im Fluss. Zum einen berät die Bundesregierung derzeit eine Anpassung der Anlageverordnung mit Blick auf das neue Kapitalanlagegesetzbuch. Zum anderen steht die Umsetzung der neuen Eigenkapital- und Aufsichtsregeln für die Versicherungsbranche gemäß der EU-Richtlinie zu Solvency II bis zum 31.3.2015 an. Es bleibt abzuwarten, ob und wie sich die neuen Regularien auf die Kreditvergabe der Versicherer auswirken.—-*) Dr. Patrick Mittmann ist Partner am Frankfurter Standort der Sozietät Hogan Lovells.