RECHT UND KAPITALMARKT

Immobilienwirtschaft drohen Mehrbelastungen

Auswirkungen der EU-Richtlinie gegen Praktiken zur Steuervermeidung

Immobilienwirtschaft drohen Mehrbelastungen

Von Alexander Lehnen *)Mit der Richtlinie zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken vom 12.7.2016 (Anti Tax Avoidance Directive, kurz ATAD) hat die EU einen einheitlichen europäischen Rahmen zur Umsetzung ausgewählter Maßnahmen des OECD-Aktionsplans gegen Base Erosion and Profit Shifting (BEPS) geschaffen. Die ATAD ist ein wesentlicher Bestandteil des Maßnahmenpakets der EU zur Bekämpfung von Steuervermeidung (Anti Tax Avoidance Package), welches als zweites Kernelement die Änderung der Amtshilfe-Richtlinie zur Einführung des Country-by-Country-Reportings vorsieht.Die Richtlinie sieht mehrere verbindliche Maßnahmen vor, die teilweise direkt dem BEPS-Aktionsplan entstammen, teilweise aber auch darüber hinausgehen und ergänzend aufgenommen wurden. Neben der Beschränkung des Zinsabzugs nach Vorbild der deutschen Zinsschranke, der Einführung einer weiteren Verschärfung der Hinzurechnungsbesteuerung sowie einer Regelung zur Wegzugsbesteuerung und einer allgemeinen Missbrauchsvermeidungsvorschrift ähnlich der deutschen Fassung beinhaltet die Richtlinie auch Vorgaben zur Neutralisierung von Effekten hybrider Gestaltungen. MindeststandardsBei den neuen Vorschriften handelt es sich um Mindeststandards. Es steht den EU-Mitgliedstaaten frei, bei der Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht strengere Regeln zu erlassen.Anpassungen in Deutschland sollten vergleichsweise moderat ausfallen, da hier bereits gegenwärtig ein umfangreiches Regelungswerk zur Abwehr von aggressiven Steuervermeidungsmodellen existiert. Insbesondere die Beschränkung des Zinsabzugs ist für die üblicherweise hoch fremdfinanzierte Immobilienwirtschaft jedoch von großer Bedeutung. Aber auch eine Verschärfung der Hinzurechnungsbesteuerung kann bei globalen Immobilieninvestitionen problematisch sein. VerschärfungDurch die Zinsabzugsbeschränkungen soll verhindert werden, dass Unternehmen steuerlich abzugsfähige Zinsaufwendungen zur Gewinnverlagerung und -minimierung nutzen. Die in die europäische Richtlinie aufgenommene Begrenzung des Zinsabzugs lehnt sich eng an die in Deutschland seit 2008 bestehende Regelung der Zinsschranke an. Grundsätzlich ist der Nettozinsaufwand nur bis zu 30 % des steuerlichen Ebitda abzugsfähig. Wie bei der deutschen Zinsschranke gibt es einen Freibetrag von 3 Mill. Euro. Für Investitionen einer Unternehmensgruppe soll diese Freigrenze jedoch nur einmal für die gesamte Gruppe genutzt werden können. Sollte der deutsche Gesetzgeber diese Regelung in nationales Recht umsetzen, würde dieses eine Verschärfung darstellen.Die Ausnahmeregelung für nicht konzernangehörige Unternehmen (Stand-alone-Klausel) und der Eigenkapitalvergleich (Escape-Klausel) finden sich ebenso in den europäischen Regelungen wieder. Auch bei Investitionen im europäischen Ausland kann es durch die Implementierung der Richtlinie zu einer Beschränkung des Zinsabzugs kommen. Für Altkredite, die vor Erlass der Richtlinie abgeschlossen wurden, kann jedoch ein Bestandsschutz gewährt werden.Auch die Regelungen zur Hinzurechnungsbesteuerung entsprechen weitestgehend den Vorgaben des deutschen Außensteuergesetzes und sehen eine zusätzliche Besteuerung von nicht ausgeschütteten niedrig besteuerten Gewinnen ausländischer Tochtergesellschaften oder Betriebsstätten im Sitzstaat der Muttergesellschaft vor. Abweichend von der deutschen Regel stuft die Richtlinie jedoch auch Dividenden und Einkünfte aus der Veräußerung von Anteilen an immobilienhaltenden Kapitalgesellschaften als passive Einkünfte ein. Eine Umsetzung dieser Regelung in deutsches Recht kann in globalen bzw. internationalen Immobilienportfolien zu einer erheblichen steuerlichen Mehrbelastung führen.Stark im Fokus stehen auch sogenannte hybride Gestaltungen. Hierbei handelt es sich entweder um Strukturen, bei denen eine doppelte Nichtbesteuerung oder ein Abzug von (Zins-)Aufwendungen ohne Besteuerung von korrespondieren Einkünften ermöglicht wird. Dies soll zukünftig bei verbundenen Unternehmen, also wenn eine direkte oder indirekte Beteiligung von mindestens 50 % vorliegt, ausgeschlossen sein. Die Uhr ticktDeutschland hat bereits eine Vielzahl von Eingriffsmöglichkeiten im nationalen Steuergesetz verankert, darüber hinaus einen “Missmatch” in Doppelbesteuerungsabkommen aufgegriffen. Die ATAD beinhaltete zunächst nur Maßnahmen innerhalb der EU, im Mai 2017 wurde durch die “ATAD 2” der geografische Anwendungsbereich auf Drittstaaten erweitert. Die Mitgliedstaaten haben bis zum 31.12.2018 Zeit, die Richtlinie in ihr nationales Recht umzusetzen und ab dem 1.1.2019 anzuwenden. Aktuell prüft das Bundesministerium der Finanzen den Anpassungsbedarf in Deutschland, allerdings soll die Umsetzung erst in der kommenden Legislaturperiode ab Ende 2017 erfolgen.—-*) Alexander Lehnen ist Partner von Arnecke Sibeth.