"Impfstoff wird zum Gamechanger"

EY-Berater: Noch ein weiter Weg bis zur erfolgreichen Bekämpfung der Corona-Pandemie

"Impfstoff wird zum Gamechanger"

Mit Hochdruck arbeitet die Pharmaindustrie weltweit an Impfstoffen und Arznei zur Behandlung von Covid-19. Branchenexperten der Beratungsgesellschaft EY warnen vor überzogenen Hoffnungen, dass rasch eine Therapie gefunden wird. Die Unternehmen seien sich ihrer sozialen Verantwortung bewusst. swa Frankfurt – Die Erwartungen der Öffentlichkeit sind hoch, die Pharmaindustrie macht Tempo. Nach einer Analyse der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft EY sind bis Anfang Juni gut 240 Therapeutika und 160 Impfstoffe gegen Covid-19 auf den Weg gebracht worden. “Für das Unternehmen, das den Impfstoff hat, wird es ein Gamechanger”, unterstreicht Alexander Nuyken, Leiter der europäischen Life Sciences-Transaktionsberatung von EY. Bis dahin sei es noch ein weiter Weg. “Es gibt keine Garantie für einen sicheren und wirksamen Impf- beziehungsweise Wirkstoff”, mahnt der Experte. In der Suche werde viel Geld umsonst investiert werden.EY geht davon aus, dass “97 % der derzeit erprobten Impfstoffe nicht das Licht der Welt erblicken”. Auch unter den Arzneimitteln würden am Ende “drei bis vier Präparate” übrig bleiben, die verabreicht werden, meint Nuyken. Die Bundesregierung setzt auf genbasierte Impfstoffe und will sich für 300 Mill. Euro mit rund 23 % am Tübinger Biotechunternehmen Curevac beteiligen (siehe Bericht unten).In der globalen Verteilung von Medikamenten und Impfstoffen gegen Corona nach einer Zulassung sei sich die Pharmaindustrie ihrer sozialen Verantwortung bewusst, meint Gerd Stürz, Leiter des Marktsegments Life Sciences, Health & Chemicals für Deutschland, Schweiz und Österreich. Das Thema habe so hohe Relevanz in der Weltöffentlichkeit, dass eine Verteilung nach “Wildwest-Manier” keinen Bestand haben werde. Er erwarte nicht, “dass sich Unternehmen unter das Diktat nationaler Alleingänge stellen lassen”, ergänzt Stürz. Dazu werde auch beitragen, dass die Pharmaindustrie in der Produktion explizit global ausgerichtet sei, hofft Siegfried Bialojan, Director des Life Science Center von EY in Mannheim.Nuyken mahnt, das Szenario realistisch einzuschätzen. Kein Impfstoff gegen Covid-19 stehe unmittelbar vor der Zulassung. Noch sei nicht klar, ob Verträglichkeit und Wirksamkeit erreicht werden und dann im Erfolgsfall auch die Produktion ausreichender Mengen. So müsse nicht notwendigerweise der erste Impfstoff der erfolgreichste sein. Es sei ratsam, nicht nur auf ein Pferd zu setzen. Das schnelle Hochfahren der Produktion sei nur möglich, wenn man den Unternehmen hier einen Teil des Risikos abnehme, meint Bialojan.Bei den Medikamenten gegen die Pandemie ist mit dem einst für Ebola entwickelten Remdesivir von Gilead ein Mittel über eine Notfallgenehmigung in den USA zugelassen, es muss aber noch eine klinische Studie der Phase 3 nachgeliefert werden. Um rasch eine Therapie zu liefern, sind weitere Produkte im Fokus, die in anderen Indikationen schon zugelassen oder in fortgeschrittener klinischer Entwicklung sind – etwa Mittel gegen HIV oder Medikamente zur Einschränkung von überschießenden Immunreaktionen.In der Ertragskraft haben die großen Pharmaunternehmen 2019 zugelegt und Umsatz sowie Ergebnis nach schwachem Vorjahr deutlich ausgebaut. Im Ranking der operativen Margen liegen die großen Biotech-Spieler in Führung. Das erhöht nach Einschätzung von Bialojan den Innovationsdruck der Pharmakonzerne. Die Ära der Blockbuster, also Produkte mit mehr als 1 Mrd. Dollar Umsatz, sei nicht zu Ende. Die M&A-Aktivitäten in der Branche würden von der Coronakrise gebremst. Es gebe zu viel Unsicherheit und damit auch viel Uneinigkeit über den Preis, beobachtet Nuyken.