In Berlin sind Wohnungen gefragt - aber Stillstand bei Büros
Von Ulli Gericke, BerlinMit der beabsichtigten Übernahme des Berliner Wohnungsvermieters GSW Immobilien durch den MDax-Konkurrenten Deutsche Wohnen entsteht mit einem Börsenwert von fast 4 Mrd. Euro und nach der Anzahl der Wohnungen nicht nur der zweitgrößte private Wohnungskonzern hierzulande nach der Deutschen Annington. Mit nahezu 110 000 Wohnungen wäre das vereinte Unternehmen auch der bei weitem größte Vermieter in der Hauptstadt – “einem der attraktivsten und dynamischsten Wohnimmobilienmärkte in Deutschland”, wie Wohnen-Chef Michael Zahn für sein Vorhaben wirbt. Tatsächlich verbucht die Gesellschaft in ihrem Bestand an Spree und Havel aktuell einen Leerstand von minimalen 1,5 % – weniger geht nicht, ist die Differenz doch Ergebnis von Umzügen und Modernisierungen. Hier zeigt sich, dass Berlin seit Jahren wächst, während Neubauten Mangelware sind. “Der Preis ist heiß”In der Konsequenz schnellten die Mietpreise in den vergangenen sechs Jahren um gut ein Drittel hoch, ermittelten die Immobilienmakler von Jones Lang LaSalle. Noch dynamischer entwickelten sich die Preise für Eigentumswohnungen, die allein in den vergangenen drei Jahren um fast 15 % zulegten – per annum. Werden die großen bundesweit gehandelten Portfolios – wie Baubecon, die TLG Wohnen oder DKB Immobilien – ausgenommen, flossen im Vorjahr 1,6 Mrd. Euro in den Kauf von Berliner Wohnungen. Mit Abstand folgten Hamburg mit 380 Mill. und München mit 290 Mill. Euro. Kein Zweifel, die Stadt ist sexy für Investoren – aber auch arm.Bescheidene 60 000 Euro müssen Anleger in Berlin im Durchschnitt für eine Wohnung zahlen, während an der Alster 130 000 und an der Isar mehr als 180 000 Euro fällig sind, listet Jones LaSalle auf. In diesen Zahlen zeigen sich Unterschiede bei Wohnstandards und zwischen selektiven und Paketkäufen, wenn etwa der Finanzinvestor Blackstone 8 000 Plattenbauwohnungen am östlichen Stadtrand aus der Insolvenzmasse von Level One erwirbt. Fast ein Drittel der Käufer kommt aus dem Ausland.Derweil verkündete die GSW, fast 3 000 Wohnungen zum 17-Fachen der Nettokaltmiete erworben zu haben, während vor nicht allzu langer Zeit ein Multiplikator von 12 bis 14 als Maximum galt. “Der Preis ist heiß”, urteilt Fabian Hüther, Head of Investment im Berliner Büro des Immobiliendienstleisters CB Richard Ellis, der gleichwohl noch keine Anzeichen für eine Blase in der Hauptstadt erkennen kann.Trotz kräftiger Zuschläge bei Mieten und Kaufpreisenund trotz wachsender Bevölkerung sind im vergleichsweise armen Berlin die Möglichkeiten begrenzt. Wird in Konstanz eine Wohnung neu vermietet, liegt der Mietzins satte 44 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete, in Frankfurt um 31 % (siehe Grafik). Diese Zahlen des Mieterbunds bestätigt die Deutsche Wohnen in ihrem Halbjahresbericht. Dort wird das “Mietpotenzial” im Großraum Berlin auf lediglich 22 % beziffert, während Neumieter im Frankfurter und Düsseldorfer Raum gut 30 % mehr zahlen müssen als ortsüblich.Dennoch sieht sich GSW-Finanzchef Andreas Segal zu einer Gewinnwarnung genötigt. Angesichts der für Berliner Verhältnisse rapiden Mietsteigerungen zögen inzwischen deutlich weniger Menschen um, womit das Ertragsplus im zweiten Halbjahr unter den Erwartungen bleibe. Lofts statt BürowabeUnter Erwartung entwickelt sich auch der gewerbliche Immobilienmarkt. Während in jeder anderen der großen Metropolen hierzulande umfangreiche Büroflächen spekulativ gebaut wurden, ist an der Spree kein einziger Quadratmeter ohne vorherige Vollvermietung entstanden – ein Zeichen der schwachen Wirtschaftskraft der Stadt. Auch die in jüngster Zeit hochdynamische IT- und Software-Szene lässt keine Belebung erwarten, suchen die jungen Kreativen doch keine quadratischen, praktischen, sterilen Bürowaben, sondern Lofts oder alte Industrieräume mit Flair.Auch wenn nur wenige neue gewerbliche Flächen hinzukommen (was die Leerstandsquote auf beachtlich geringe 8,3 % drückt), steht Berlin nach Meinung von Rüdiger Thräne, dem lokalen Niederlassungsleiter von Jones Lang LaSalle, “auf der Shopping-Liste” vieler ausländischer Investoren. Die Stadt unterscheide sich nicht nur durch den zögerlichen Büroneubau von allen anderen deutschen Konkurrenten, sondern auch durch eine starke internationale Nachfrage – “Ausländer sehen die Stadt positiver”. Hinzu komme, dass Pensionskassen, vor allem aber internationale Staatsfonds große Investitionssummen von über 500 Mill. Euro anlegen wollten. Solche Volumina gebe es aber nur in Frankfurt und Berlin – inklusive eines funktionierenden Sekundärmarkts, um sich von früheren Investments auch wieder trennen zu können.Allerdings stoße die Nachfrage an Grenzen, ergänzt LaSalle-Büroexperte Alexander Kropf, da “neue Projektentwicklungen nicht stattfinden”. Dennoch könnte der hauptstädtische Markt mit einem Transaktionsvolumen von 3,5 Mrd. Euro Frankfurt zu Jahresultimo 2013 einholen.”Nach wie vor Nachholeffekte” zeigen sich Thräne auch bei Einzelhandelsimmobilien. Während die Rendite bei Toplagen in München bei schmalen 3,5 % liege, könnten Investoren in Berlin 4,5 % erzielen, weil sie nicht die 28-fache Nettokaltmiete zahlen, sondern “nur” das 22-Fache. Selbst an der absoluten Toplage neben dem Kaufhaus KaDeWe liegen die Spitzenmieten (vergleichbar mit der Frankfurter Zeil) aktuell bei etwa 280 Euro je Quadratmeter – mit weitem Abstand zum Münchner Marienplatz mit 350 Euro/qm.