IM BLICKFELD

In der Chipindustrie nimmt die Konzentration zu

Von Stefan Kroneck, München Börsen-Zeitung, 16.9.2014 Der Chipindustrie geht es derzeit relativ gut - jedenfalls von außen betrachtet. Nach einer kurzen zyklischen Flaute befindet sich die Branche seit über einem Jahr in einer Aufschwungphase....

In der Chipindustrie nimmt die Konzentration zu

Von Stefan Kroneck, MünchenDer Chipindustrie geht es derzeit relativ gut – jedenfalls von außen betrachtet. Nach einer kurzen zyklischen Flaute befindet sich die Branche seit über einem Jahr in einer Aufschwungphase. Trotz gestiegener geopolitischer Risiken wird diese nach Expertenmeinung anhalten, wenngleich die Dynamik etwas nachlassen soll. Wachstumstreiber sind nach wie vor die USA und China. Das Analysehaus World Semiconductor Trade Statistics (WSTS) rechnet für das kommende Jahr mit einem Zuwachs des weltweiten Umsatzes bei den Herstellern von Logik- und Speicherchips von fast 3,5 % auf 336 Mrd. Dollar nach einem geschätzten Plus von 6 % im laufenden Jahr.Bei genauerem Hinsehen ergeben sich aber in der Branche erhebliche Unterschiede. Wer es sich leisten kann, weitet in diesem günstigen Umfeld seine Kapazitäten aus und steigert die Investitionen, nachdem viele Unternehmen zuvor auf die Kostenbremse gedrückt hatten. Dabei herrscht ein harter Verdrängungswettbewerb, bei dem so manches Unternehmen auf der Strecke bleiben kann. Struktureller UmbruchIm stark fragmentierten Chipmarkt nimmt der Konzentrationsprozess zu. Die zwölf größten Branchenadressen vereinen mittlerweile fast 60 % des gesamten Marktvolumens auf sich (vgl. Tabelle) – Tendenz steigend. Die Gründe für diese Entwicklung sind vielschichtig. Sie hat vor allem strukturelle und finanzielle Ursachen.Die gesamte Branche befindet sich derzeit in einem strukturellen Umbruch. Einige Geschäfte laufen dynamisch, andere wiederum stecken in einer Krise. Von der guten Branchenkonjunktur profitieren Anbieter wie etwa Qualcomm und Samsung, die im Bereich der Telekommunikation und Unterhaltungselektronik von der steigenden Nachfrage nach Smartphones profitieren. Beide Konzerne gewinnen kontinuierlich an Marktanteilen und rücken näher an Branchenprimus Intel heran, der zuletzt Federn lassen musste. Gut geht es ebenfalls Nischenanbietern wie Infineon, die auf Hochleistungschips für anspruchsvolle industrielle Anwendungen und die robuste deutsche Autoindustrie setzen. Hingegen verlieren Anbieter, die sehr abhängig sind vom Geschäft mit herkömmlichen Personal Computers (PCs), deutlich an Marktanteilen. Smartphones und Tablets verdrängen den PC im Neugeschäft. Infineon führt Käuferliste anWer jedoch mit dieser Entwicklung im schnelllebigen und kapitalintensiven Halbleitermarkt nicht Schritt halten kann, kommt rasch in Bedrängnis. Verluste können in relativ kurzer Zeit die finanziellen Reserven aufzehren. Dann fehlt das notwendige Geld, um mit Erweiterungsinvestitionen den Absatz anzukurbeln. Betroffen davon sind vor allem kleine bis mittelgroße Hersteller. Ihnen fehlt oftmals die finanzielle Kraft und Ausdauer, strukturelle Nachfrageumbrüche wie in der derzeitigen Phase zu meistern. Das führt im Extremfall zu Insolvenzen (wie bei Elpida und Qimonda), erhöht aber insbesondere den Druck zu Fusionen und Übernahmen (Mergers & Acquisitions, M & A).Nach Angaben des Informationsdienstleisters Dealogic gab es in diesem Jahr in der Branche weltweit bislang fünf Akquisitionen mit einem Transaktionswert von jeweils über 1 Mrd. Dollar. Die Kaufobjekte befinden sich sämtlich in den USA, die die Branche trotz des Vormarsches ostasiatischer Anbieter weiterhin dominieren. Die US-Firma Analog Devices erwarb im Juni den Wettbewerber Hittite Microwave für 2,4 Mrd. Dollar. Die amerikanische Firma RF Micro Devices ist dabei, Triquint für 1,7 Mrd. Dollar zu schlucken. Der chinesische Finanzinvestor Hua Capital schickt sich an, Omnivision für 1,6 Mrd. Dollar zu kaufen. Der britische Hersteller Cobham zielt auf Aeroflex Holding ab zum Preis von 1,5 Mrd. Dollar. Die Liste der diesjährigen Top 5 unter den Käufern führt aber Infineon an. Im August kündigte der Dax-Konzern an, den Konkurrenten Rectifier für 3 Mrd. Dollar übernehmen zu wollen.Wie in solchen Fällen üblich wollen die Erwerber mit den Zukäufen ihre Expansionsvorhaben beschleunigen. Die gekauften Unternehmen hoffen, unter dem Dach eines neuen, stärkeren Eigentümers im Wettbewerb besser bestehen zu können.Für die Käufer ergeben sich dabei zweifellos neue Wachstumschancen. Übernahmen sind allerdings immer ein Wagnis. Generell scheitert über die Hälfte aller M & A-Transaktionen. Die Chipbranche bildet da keine Ausnahme. Die jüngsten Zukäufe erfolgen mitten in einem zyklischen Hoch. Das treibt die Preise nach oben. Für eine mittelgroße kalifornische Firma zahlt Infineon das 3,5-Fache des Jahresumsatzes. Das ist eine stolze Summe für ein Unternehmen, das seine Restrukturierung noch nicht abgeschlossen hat.Wer aber in einer schwierigen Lage keine andere Lösung für sich findet, lässt sich unter Umständen vom Staat auffangen. Vor drei Jahren schlüpfte Hynix unter das Dach der südkoreanischen SK Telecom. Das seitdem als SK Hynix firmierende Unternehmen hing Jahre zuvor am Tropf von Seoul. Das verzerrte den Wettbewerb. Kein Wunder, dass mancher Chipkonzern in Europa mehr Subventionen fordert.