HANNOVER MESSE

Industriestandort beschwört vierte Revolution

Studie beziffert Potenziale der Industrie 4.0 - Spitzenverbände mahnen Nachholbedarf in Deutschland an

Industriestandort beschwört vierte Revolution

sp Frankfurt – Das Thema ist in Hannover in aller Munde: Die Industrie macht derzeit eine Revolution durch. Die zunehmende Vernetzung und Digitalisierung industrieller Wertschöpfungsketten zu cyberphysikalischen Systemen ist demnach bereits der vierte Umbruch, nach der Einführung mechanischer Produktionsanlagen mit Hilfe von Wasser- und Dampfkraft im 18. Jahrhundert, der Verbreitung arbeitsteiliger Massenproduktion gestützt auf elektrische Energie Anfang des 20. Jahrhunderts und dem verstärkten Einsatz von Elektronik sowie Informationstechnologie (IT) zur Automatisierung der Produktion seit Beginn der siebziger Jahre. Deutschland, das geben Vertreter aus der Politik, Lobbyisten der Spitzenverbände der heimischen Industrie sowie die bei der Hannover Messe vertretenen Unternehmen einhellig zu Protokoll, hat in der jetzt entstehenden “Industrie 4.0″ große Chancen. Allerdings müssten sich die Akteure sputen, um ihre Möglichkeiten im Wettbewerb mit der Konkurrenz aus den USA und Asien rechtzeitig zu nutzen.Der Bitkom, der Bundesverband der Informationswirtschaft, Telekommunikation und neuen Medien, dessen Präsenz auf der Industriemesse zuletzt auffällig zugenommen hat, wartet in Hannover mit einer Studie zu den Potenzialen der Industrie 4.0 auf: Gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) beziffert der Verband die Produktivitätszuwächse, die die vierte industriellen Revolution sechs ausgewählten Kernbranchen in Deutschland bringen könnte, auf rund 78 Mrd. Euro in den nächsten zwölf Jahren (siehe Tabelle). Hochgerechnet auf die gesamte Volkswirtschaft trauen Bitkom und Fraunhofer IAO dem Industriestandort Deutschland 4.0 über diesen Zeitraum eine Steigerung der Bruttowertschöpfung um mehr als ein Zehntel auf rund 2,6 Bill. Euro zu. Die Effekte des Wirtschaftswachstums sind in dieser Rechnung noch nicht berücksichtigt.”Industrie 4.0 hat das Zeug dazu, unsere industrielle Wertschöpfung so zu revolutionieren wie das Internet die Wissensarbeit”, sagt Professor Wilhelm Bauer vom Fraunhofer IAO. Ob es Deutschland gelingt, seinen starken industriellen Kern auf diese Art zu revolutionieren, ist freilich nicht ausgemacht. Digitale Infrastruktur nötig”Der Konkurrenz aus den USA müssen wir etwas entgegensetzen”, sagte Ulrich Grillo, Präsident des Bundesverbandes der Industrie (BDI), mit Blick auf die Kräfteverhältnisse in der IT in Hannover. “Wir wissen, dass die Amerikaner uns bei der technischen Software überlegen sind”, sagte Friedhelm Loh, Präsident des Zentralverbandes Elektrotechnik- und Elektroindustrie (ZVEI), mit Bitkom und dem Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) für die Industrie 4.0 zusammenarbeitet. “Wir brauchen eine neue digitale Infrastruktur”, forderte Henning Kagermann, Präsident der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (Acatech).