RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW:MATTHIAS VON OPPEN UND IAN MAYWALD

Initial Coin Offerings werden genauer regulatorischer Prüfung unterzogen

Gestaltung von Token ohne Grenzen - "Haftungsklagen keine Einzelfälle"

Initial Coin Offerings werden genauer regulatorischer Prüfung unterzogen

– Herr Maywald, Herr von Oppen, Start-ups sollen 2017 bisher über 3 Mrd. Euro durch Initial Coin Offerings eingeworben. Wie läuft, grob skizziert, so ein ICO ab?Maywald: Im Rahmen eines ICO werden digitale Münzen, Coins oder Token, im Wege des Crowdfunding angeboten. Investoren bezahlen für Token entweder in einer etablierten Kryptowährung, beispielsweise Bitcoin, oder in Dollar oder Euro.- Wie sind Token ausgestaltet?Maywald: In der Praxis ist der Gestaltung fast keine Grenze gesetzt. Die Token können beispielsweise entweder als reines Zahlungsmittel dienen oder den Zugang zu einer bestimmten Internetplattform gewähren. Es können aber auch Token mit Ansprüchen auf eine künftige Leistung oder mit gesellschafterähnlichen Rechten, wie Mitbestimmungs- oder Dividendenrechten, ausgestattet sein.- Wie werden Token regulatorisch eingeordnet?Von Oppen: Die zuständigen Aufsichtsbehörden haben sich bislang nur sehr allgemein zur rechtlichen Einordnung dieser neuen Finanzierungsform geäußert. Eine wesentliche Ursache dafür ist sicherlich die unterschiedliche Ausgestaltung der Token, die dazu führt, dass sich die regulatorischen Anforderungen an ICOs bzw. die Token im jeweiligen Einzelfall stark unterscheiden.- Wie beurteilt die BaFin Token, die als Zahlungsmittel fungieren?Von Oppen: Token wie die bekannten Bitcoins stellen nach Ansicht der BaFin Rechnungseinheiten nach dem Kreditwesengesetz dar. Dadurch sind bestimmte Vorgänge, wie der An- und Verkauf solcher Token als Finanzkommissionsgeschäft erlaubnispflichtig.- Wie verhält es sich mit Token, die Funktionen wie gesellschafterähnliche Rechte aufweisen?Von Oppen: Dazu hat sich zumindest die BaFin bisher nicht konkret geäußert. In diesen Fällen ist zu prüfen, ob die Token zum Beispiel als Wertpapier zählen. Dann wäre ein ICO in der Regel nur auf Basis eines von der BaFin gebilligten Wertpapierprospekts möglich. Darüber hinaus kann jedoch auch das Kapitalanlagegesetzbuch oder das Vermögensanlagengesetz anwendbar sein. Außerhalb von Deutschland hat die SEC für verschiedene ICO entschieden, dass diese dem Wertpapierhandelsrecht unterliegen.- Zur Vermarktung wird ein White Paper erstellt. Inwieweit sind diese Dokumente haftungsrelevant?Von Oppen: Sollte ein ICO auf Grund der Merkmale der angebotenen Token nicht in den Anwendungsbereich spezialgesetzlicher Vorschriften fallen, könnte das White Paper als Prospekt gesehen werden und so im Falle eines Mangels als Haftungsgrundlage herangezogen werden. Der vom BGH aufgestellte Prospektbegriff ist verhältnismäßig weit.- Wann wären White Paper mangelhaft?Maywald: Potenzielle Investoren sollen prinzipiell über alle Umstände, die für die Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind, sachlich richtig und vollständig unterrichtet werden. Geschieht diese nicht in einem als Prospekt qualifizierenden White Paper und der weiteren damit in Zusammenhang stehenden Informationsmaterialien, kann ein Mangel vorliegen.- Was sollten Unternehmen bei der Planung eines ICO beachten?Maywald: Da die regulatorischen Voraussetzungen noch unklar sind, empfiehlt sich aus rechtlicher Sicht eine gründliche Prüfung und frühzeitige Kontaktaufnahme mit der Regulierungsbehörde. Wichtig ist die Einhaltung allgemeiner Grundsätze guter Unternehmensführung sowie transparente Kommunikation.- Wie könnte die Zukunft für ICOs aussehen?Von Oppen: Ich gehe davon aus, dass sowohl in Deutschland als auch in den USA oder Großbritannien in den nächsten Monaten eine größere Zahl von ICO einer genauen regulatorischen Prüfung unterzogen werden. Zudem werden Haftungsklagen, wie im Falle Tezos in den USA, sicher keine Einzelfälle bleiben. Darauf basierend sollte sich eine Kasuistik zur regulatorischen und haftungsrechtlichen Einordnung herausbilden. Dies wird dazu führen, dass die Zahl von ICO, durchgeführt von Unternehmen mit schwachem Geschäftsmodell, kontinuierlich abnimmt. Für Unternehmen mit guten Konzepten, Start-ups wie etablierte Unternehmen, besteht eine gute Chance, dass sich ICOs langfristig als neue Finanzierungsform etablieren.—-Matthias von Oppen ist Partner, Dr. Ian Maywald Anwalt bei Ashurst. Die Fragen stellte Walther Becker.