Investitionen für den Schredder

Immer mehr Aktienrückkäufe auch in Deutschland - Im Vergleich zu US-Transaktionen geringes Volumen

Investitionen für den Schredder

wb Frankfurt – Aktienrückkäufe gewinnen auch in Deutschland wieder stärker an Bedeutung. Nach den bislang realisierten Ankündigungen werden dafür in Dax und MDax dieses Jahr 8,4 Mrd. Euro in die Hand genommen. Das sind gut 50 % mehr als 2017, und es bedeutet nahezu eine Verdreifachung gegenüber dem Niveau von 2016, wie aus Zahlen des Flossbach von Storch Research Institute hervorgeht. Linde plc kündigte jetzt nach der Fusion der Linde AG mit dem US-Rivalen Praxair ein Programm über 1 Mrd. Euro an (vgl. BZ von 11. Dezember). Bayer, die 12 000 Stellen abbauen will, plant umfangreiche Devestitionen von Aktivitäten und will den Mittelzufluss in Schuldenreduzierung, Investitionen, ergänzende Akquisitionen sowie Dividendenerhöhungen und unter Umständen auch in eigene Aktien stecken. Ob eigene Titel zurückerworben werden, soll in Leverkusen Mitte 2019 entschieden werden. Neun Konzerne sind 2018 aktiv gewesen, allen voran die Allianz, die 3 Mrd. Euro in den eigenen Titel gesteckt hat. Siemens rangiert mit 1,5 Mrd. Euro auf Platz 2, dicht gefolgt von Covestro mit knapp 1,4 Mrd. Euro. Adidas hat 1 Mrd. aufgewendet und weitere 2 Mrd. Euro angekündigt.Niedrige Zinsen, hohe Kassenbestände und geringe Kurs-Gewinn-Verhältnisse lassen Aktienrückkäufe attraktiv erscheinen – jedenfalls aus Sicht der Manager, denen die Fantasie für M & A oder Übernahmeziele fehlt. Ist die Vergütung an den Aktienkurs gekoppelt, zahlt sich die Kurspflege auch auf ihrem persönlichen Konto aus. Digitalisierung, künstliche Intelligenz, E-Mobilität oder autonomes Fahren sprechen eher für Investitionspotenzial und niedrige Bewertungen für günstige Akquisitionspreise. Tausche Kasse gegen KursWenn ein Unternehmen eigene Anteilscheine am Kapitalmarkt aufnimmt, setzt es freie Mittel ein, um die Zahl ausstehender Aktien zu reduzieren. “Es tauscht Kasse gegen einen höheren Aktienkurs. Problematisch dabei ist, dass durch die Rückkäufe kein ökonomischer Mehrwert geschaffen wird”, moniert Philipp Immenkötter von Flossbach von Storch Research. Der Investor sei nur auf dem Papier reicher geworden und hat nicht wie bei einer Dividende mehr Geld auf der hohen Kante. “Der Rückkauf ist keine Investition in die eigene Aktie, wie immer wieder behauptet wird. Denn bei einer Investition wird immer ein Mittelzufluss erwartet.” Schließlich werden zurückgekaufte Aktien meist stillgelegt – sie kommen in den Schredder.Verglichen mit den gigantischen Summen, die US-Konzerne in eigene Papiere stecken, ist das, was Dax-Werte an dieser Stelle tun, trotz der Steigerung wenig. Apple, die Google-Mutter Alphabet, Cisco und Microsoft sowie Oracle machen dafür in den ersten drei Quartalen allein 115 Mrd. Dollar locker – nahezu dreimal mehr als für das operative Geschäft in Form von Capex. Facebook stockte gerade um 9 Mrd. Dollar auf. Amerikas Unternehmen dürften dieses Jahr eigene Aktien im Wert von 1 Bill. Dollar einsammeln – so viel wie nie zuvor. Schon bevor dieses Instrument eingesetzt wurde, um nach der Steuerreform im Ausland geparkte Mittel nach Amerika zurückzuholen, war der Rückkauf in Mode: National Employment Law Project und Roosevelt Institute haben ausgerechnet, dass Buy-backs von 2015 bis 2017 für etwa 60 % der Nettoergebnisse standen – besonders stark in den Branchen, die niedrige Löhne zahlen. Glättender Effekt”Aktienrückkäufe haben einen glättenden Effekt auf den Kurs, schließlich tritt damit ein Marktteilnehmer auf, der zu niedrigen Kursen kauft und nie verkauft”, streicht Immenkötter einen Vorteil heraus. Und sie seien weit flexibler handhabbar als Dividenden. Das Timing der Aktienrückkäufe, gemessen am Kursverlauf in den zwei Jahren nach einem Rückkauf, sei in jüngster Zeit überwiegend gut gewesen. Es ging aber auch schon ganz anders: Daimler kaufte vor der Finanzkrise eigene Titel zu Höchstkursen auf, um ein Jahr später zur Hälfte der Bewertung das Kapital zu erhöhen. “Aktienrückkäufe verlaufen prozyklisch”, sagt der Experte. 2008, als Aktienrückkäufe mit 16 Mrd. Euro ihr Allzeithoch erreicht hatten, setzte die Finanzkrise dem Treiben ein Ende. Der aktuelle Rückkaufzyklus geht nun schon ins zehnte Jahr.