RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: THOMAS VOLAND

Investitionsverbote kein Allheilmittel gegen Wohnungsnot

Pläne des Berliner Senats werfen verfassungs- und europarechtliche Fragen auf

Investitionsverbote kein Allheilmittel gegen Wohnungsnot

– Herr Voland, der Regierende Bürgermeister Berlins, Michael Müller (SPD), möchte die Wohnungsnot in seiner Stadt bekämpfen und überlegt, den Erwerb von Immobilien durch Ausländer zu verbieten. Wäre ein solches Verbot rechtmäßig?Wahrscheinlich nicht, aber im Einzelnen hängt dies von der konkreten Ausgestaltung ab. Ein Verbot würde in verfassungsrechtlich garantierte Grundrechte eingreifen. Dazu gehören insbesondere die Privatautonomie, also das Recht, Verträge zu schließen und sich seinen Vertragspartner grundsätzlich frei aussuchen zu dürfen, sowie die Eigentumsfreiheit. Letztere schützt das Recht, (Immobilien-)Eigentum frei zu nutzen und auch zu veräußern. Zwar können derartige Eingriffe gerechtfertigt sein, wenn sie wichtigen Allgemeinwohlbelangen dienen: Der Berliner Bürgermeister verweist etwa darauf, dass er Spekulationen verhindern und so der Wohnungsknappheit und -teuerung begegnen möchte. Die Maßnahmen müssen aber auch verhältnismäßig sein.- Welche Anforderungen ergeben sich aus dem Gebot der Verhältnismäßigkeit?Die Regelungen dürfen nicht offensichtlich ungeeignet oder durch weniger restriktive Alternativen ersetzbar sein. Insofern werfen die Berliner Pläne beachtliche Zweifel auf. Denn zunächst müssten weitere Fakten aufgeklärt werden, um die Wirksamkeit und Erforderlichkeit eines Verbots ermitteln zu können.- Zum Beispiel?Etwa: Wie groß ist der betroffene Markt? Wie viele der Immobilien von Ausländern dienen als Erstwohnsitz, werden vermietet oder stehen leer? Befinden sich diese Immobilien in einem Marktsegment, das für die Hauptzielgruppe “Berliner Familien” überhaupt interessant ist? Warum sollten sich deutsche Immobilienkäufer weniger spekulativ verhalten als Ausländer? Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie Umgehungen durch den Einsatz deutscher Strohmänner verhindert werden sollten. Schließlich wäre zu überlegen, eher gegen absichtlich herbeigeführten Wohnungsleerstand als gegen den Immobilienerwerb selbst vorzugehen. Dies alles zeigt, dass sehr hohe Hürden zu überwinden wären, um ein rechtssicheres Investitionsverbot zu erreichen.- Könnte sich ein Investitionsverbot auch gegen Ausländer aus anderen EU-Mitgliedstaaten richten?Die genannten Grundrechte gelten auch für Personen aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union; mit kleineren Einschränkungen für Unternehmen. Darüber hinaus können sich natürliche und juristische Personen aus anderen EU-Mitgliedstaaten auch auf das Verbot von Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit sowie auf die Wirtschaftsfreiheiten berufen, etwa die Kapitalverkehrsfreiheit, die Arbeitnehmerfreizügigkeit oder die Niederlassungsfreiheit für Unternehmen. So schützt beispielsweise die Arbeitnehmerfreizügigkeit nicht nur die Wahl der Arbeitsstätte in einem anderen EU-Staat, sondern auch die damit einhergehende Begründung eines Wohnsitzes. Die Kapitalverkehrsfreiheit erfasst unter anderem Investitionen in Immobilien.- Gibt es hierzu bereits einschlägige Rechtsprechung auf Ebene der EU?Der Europäische Gerichtshof hat beispielsweise eine dänische Regelung zum Wohnsitzerfordernis bei dem Erwerb landwirtschaftlicher Flächen an der Kapitalverkehrsfreiheit gemessen. Dabei führte er aus, dass die Bewirtschaftung von Agrarflächen durch den Eigentümer, der Erhalt ländlicher Besiedelung und die Bekämpfung von Engpässen auf dem Wohnungsmarkt durchaus legitime Zwecke darstellten. Allerdings sah er das Wohnsitzerfordernis nicht als geeignet beziehungsweise geboten an, um diese Zwecke zu erreichen. Verbote, die – wie die Berliner Überlegungen – an die Staatsangehörigkeit anknüpfen, sind noch schwieriger zu rechtfertigen, weil sie naturgemäß einen diskriminierenden Charakter aufweisen.- Hätte es der Gesetzgeber leichter, gegen Ausländer aus Nicht-EU-Staaten vorzugehen?Kaum. Denn insbesondere die Privatautonomie und die Kapitalverkehrsfreiheit gelten auch gegenüber Personen und Unternehmen, die nicht aus der EU stammen.—-Dr. Thomas Voland ist Partner für deutsches, europäisches und internationales Regulierungsrecht im Düsseldorfer Büro von Clifford Chance.Die Fragen stellte Walther Becker.