HAMSTERKÄUFE

Kettenreaktionen

Von Martin Dunzendorfer, Frankfurt Börsen-Zeitung, 28.4.2020 Notfälle und Krisen bringen im Menschen das Beste, aber auch das Schlechteste zum Vorschein, heißt es. Dass da etwas dran ist, lässt sich mit dem Konsumentenverhalten in der Coronakrise...

Kettenreaktionen

Von Martin Dunzendorfer, FrankfurtNotfälle und Krisen bringen im Menschen das Beste, aber auch das Schlechteste zum Vorschein, heißt es. Dass da etwas dran ist, lässt sich mit dem Konsumentenverhalten in der Coronakrise belegen. So bekommen ältere und immunschwache Mitbürger von Nachbarn, mit denen sie sonst kaum mehr als ein paar Worte wechselten, oder sogar Fremden angeboten, Lebensmittel und andere Dinge des täglichen Bedarfs für sie zu besorgen. Gleiches wird Großeltern von ihren Kindern und Enkelkindern offeriert, obwohl die sich sonst nur zu Feier- und Geburtstagen sehen lassen.Aber es gibt eben auch die Schattenseiten: Egomanen, die sich wochenlang bei Edeka, Rewe, Aldi und Lidl – die großen Lebensmittelketten in Deutschland – um Konserven, Nudeln und Kekse sowie Hygieneprodukte wie Toilettenpapier rissen und sich in einem Maße damit eindeckten, als stünde unmittelbar ein Krieg und die Rationierung aller “fast moving consumer goods” bevor. Beginnt ein zunächst kleiner Kreis von Egoisten mit einem solch unsozialen Verhalten, löst das eine Kettenreaktion aus, weil selbst diejenigen, denen solches Verhalten eigentlich fremd ist, sich zu fragen beginnen, ob denn noch Eier, Fusilli, Ravioli in Dosen, H-Milch und Windeln im Regal liegen werden, wenn sie selbst Bedarf haben. Schon regt sich das Gefühl, womöglich zu spät zu kommen und nichts mehr abzukriegen – und als Nächstes werden die zuvor noch verächtlich auf die Egomanen herabsehenden Beobachter selbst zu Hamsterkäufern. Fortan wächst die irrational große Vorräte anlegende Gruppe – ohne Rücksicht auf diejenigen, die am Ende vor geplünderten Regalwänden stehen.Nun ist die Zeit gekommen, in der das eintrifft, was Produzenten und Händler immer wieder versicherten – dass die Lieferketten im Großen und Ganzen funktionieren und die Regale schnell wieder aufgefüllt sein werden -, und das, was Ökonomen und gelassenere Gemüter voraussagten: Dass es nach dem deutlichen Abebben der Hamsterkäufe zu Absatzproblemen in genau den Sortimenten kommen wird, die in der Panikphase so stark gesucht waren.Wie eine Sonderauswertung des Statistischen Bundesamtes (Destatis) zeigt, lagen die Verkaufszahlen für ausgewählte Hygieneartikel und Lebensmittel in der Woche vom 13. bis 19. April deutlich unter den Zahlen der Wochen zuvor. So sank der Absatz von Toilettenpapier um fast zwei Drittel unter den Durchschnittswert der Monate August 2019 bis Januar 2020. Auch bei anderen Produkten ging die Nachfrage spürbar zurück – etwa bei Teigwaren und Reis. Nur die Nachfrage nach Desinfektionsmitteln und Seife sei weiterhin hoch.——Von Mitte Februar an war Toilettenpapier ein knappes Gut. Nach den Hamsterkäufen gibt es nun Absatzprobleme. ——