Klimawandel setzt Bahn-Infrastruktur unter Stress
sp Berlin
Die Deutsche Bahn und ihre Fahrgäste haben schon heute mit den Folgen des Klimawandels zu kämpfen. Der Ausfall einer Klimaanlage im ICE mag oft profanere Gründe haben als das Klima, doch Wetterextreme setzen die Bahninfrastruktur unter Stress. Und der Stress wird in der Tendenz noch zunehmen, wie das Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) in einer von der Bahn beauftragten Studie vorrechnet. „Was heute extrem ist, ist morgen normal“, stellt PIK-Präsident Ottmar Edenhofer in Aussicht.
Vor allem die Zahl der Hitzetage werde bis 2060 noch einmal deutlich steigen. Auch mit Starkregen und Hagel ist häufiger zu rechnen, während die PIK-Modelle zur Entwicklung der Sturmtage keine klare Tendenz zeigen. Die Anzahl der Eistage, die der Bahn ebenfalls immer wieder Probleme bereiten, werde abnehmen, ungewöhnlich kalte Monate seien trotz insgesamt milderer Temperaturen aber nicht auszuschließen. „Die Schieneninfrastruktur ist Extremwetterlagen ausgesetzt, und schon kleine Veränderungen des Klimas führen zu vermehrten und stärkeren Extremereignissen“, fasst der Klimaökonom zusammen.
Die Bahn, die erst vor wenigen Tagen angekündigt hat, statt 2050 schon zehn Jahre früher ein ausgeglichenes CO2-Konto anzupeilen, will die Ergebnisse der Studie als Basis für ihre Resilienzstrategie nutzen. Die Schieneninfrastruktur soll ebenso wie Fahrzeuge, Energieanlagen und Bahnhöfe wetterfest gemacht werden. So hat der Konzern seit der ersten PIK-Studie im Auftrag der Bahn 2018 jedes Jahr 125 Mill. Euro in verbessertes Management der Gleisanlagen gesteckt und die Sturmschäden durch Bäume seither um ein Viertel gesenkt. Dabei kommt auch Satellitentechnologie wie die des Berliner Start-up Live-EO zum Einsatz, mit der die Schienentrassen überwacht werden können. Neu beschafftes rollendes Material im Personenverkehr verfügt nach Angaben von Infrastruktur-Vorstand Ronald Pofalla mittlerweile in jedem Wagen über zwei unabhängige Kühlsysteme, die einen Ausfall verhindern. Die Klimaanlagen sind auf Temperaturen bis 45 Grad Celsius ausgelegt, sagte Pofalla.
Die Bahn soll sich aber nicht nur gegen den Klimawandel wappnen, sondern außerdem einen Beitrag zur Reduktion von CO2-Emissionen im Verkehrssektor leisten. „Wir sind auf einem richtigen Weg, aber längst nicht am Ziel“, sagte Pofalla mit Blick auf die Klimaziele des Konzerns. Schon heute würden 90% der Fahrgäste elektrisch befördert, und der Fernverkehr sei vollständig auf Ökostrom umgestellt. Der Anteil der erneuerbaren Energien am Bahnstrom liege bei 62%. Bis 2025 sollen alle Werke, Bürogebäude und Bahnhöfe in Deutschland vollständig mit Ökostrom versorgt werden.
„Das Verhältnis der Wirtschaft zum Thema Klimawandel hat sich grundlegend verändert in den vergangenen zehn Jahren“, stellte PIK-Chefökonom Edenhofer fest. Klimafolgenstudien habe sein Institut unter anderem auch schon mit der Versicherungswirtschaft oder für Energieversorger erarbeitet. Zunehmend arbeite das PIK auch mit Notenbanken zusammen, die sich sowohl für eine Einschätzung der sozialen Kosten der Klimapolitik als auch für die Transitionsrisiken auf dem Weg in eine klimaneutrale Wirtschaft interessierten. „Was passiert mit den Vermögenstiteln der Besitzer von Kohle, Öl und Gas sowie abgeleiteten Vermögenstiteln, und welche Folgen hat das für die Finanzmarktstabilität?“, beschreibt Edenhofer eine Frage, die Zentralbanker interessiert. Nicht nur der Bahn stehen mehr Wetterextreme bevor.