Knappe Frequenzen werden zu teurem Engpass
Von Heidi Rohde, Frankfurt
In der Luftfahrt ist es gute Tradition, höchstmögliche Sicherheitsmaßstäbe anzulegen und deshalb auch bereits eventuellen Gefahren durch vorsorgliche Bestimmungen Rechnung zu tragen. Die US-Flugaufsicht (FAA), deren Reputation in jüngster Vergangenheit gelitten hat – weil ihr Versäumnisse im Zusammenhang mit der Zulassung des Boeing-Modells 737 Max angelastet wurden, bei der es zu zwei Abstürzen kam –, ist nun doppelt auf der Hut.
Angesichts möglicher Störungen der Flugzeugelektronik bei Landeanflügen auf Airports mit nahe gelegenen 5G-Sendestationen hat sie die Auflagen verschärft. Die Airlines fürchten nun, dass tausende von Flügen – auch an großen Flughäfen – von behördlichen Restriktionen betroffen sein könnten und es zu Verspätungen und Ausfällen kommt, wenn die beiden großen Mobilfunknetzbetreiber AT&T und Verizon heute ihre 5G-Netze freischalten. Die Mobilfunkunternehmen hatten sich bereits zu gewissen „Pufferzonen“ bei einigen Airports bereit erklärt, um die Befürchtungen der FAA zu zerstreuen. Grundsätzlich stehen sie jedoch auf dem Standpunkt, dass ihre 5G-Sendetechnik für die Flugzeugelektronik komplett ungefährlich ist.
Die Sorge der Behörde rührt indes daher, dass Teile der Bordelektronik, insbesondere die Höhenmesser, in einem Frequenzband von 4,2 bis 4,5 Megahertz operieren. Das C-Band, in dem Verizon und AT&T ihre 5G-Frequenzen nutzen, reicht von 3,7 bis 3,98 Megahertz und liegt damit in unmittelbarer Nachbarschaft zu dem für die Fluginstrumente. Darin wird ein gewisses Restrisiko für Störungen gesehen. Noch erscheint dieses Restrisiko ein US-Problem zu sein, denn europäische und mehr noch deutsche Frequenzbänder für den 5G-Mobilfunk halten deutlich mehr Abstand zu dem genannten Bereich für die Flugzeugelektronik.
Begrenzter Luxus
Allerdings ist der Spielraum hier ein Luxus, von dem nicht sicher ist, ob er immer bestehen bleiben kann. Denn auch in Europa besteht das grundsätzliche Problem, dass Frequenzen ein zunehmend knappes Gut sind. Die fortschreitende Digitalisierung und die wachsende Mobilität der Kommunikationsgesellschaft treibt die Nachfrage nach funkgestützten Anwendungen. Deshalb ist es eine Frage der Zeit, wann auch hierzulande Frequenzbänder stärker ausgeschöpft werden müssen. Probleme mit Störungsbildern sind dabei nicht neu. Sie werden bei sicherheitskritischen Anwendungen zunehmend Fragen aufwerfen.
Die schwer gebeutelte Airlinebranche fürchtet nun vor allem wirtschaftlich „desaströse“ Folgen von Störungen im Betriebsablauf. Obwohl die FAA bisher knapp die Hälfe der kommerziellen Flugflotte der USA zum Fliegen unter den gegebenen Umständen freigegeben hat, erscheint dies den Unternehmen nicht ausreichend, um die „Katastrophe“ zu verhindern. Die Fluggesellschaften berufen sich auf Warnungen der Flugzeugbauer, dass „ein Großteil der Flotte“ aufgrund weiterer technischer Systemanforderungen „dauerhaft“ unbrauchbar werden könnte, wenn Störungsrisiken durch 5G nicht eliminiert würden. Indes sind auch Einschränkungen und Auflagen in der Mobilfunkindustrie nicht gut zu verkraften; die besagten Frequenzen haben AT&T und Verizon einen hohen zweistelligen Milliardenbetrag gekostet. Auch hierzulande reflektieren die regelmäßig milliardenschweren Versteigerungserlöse von Mobilfunkfrequenzen deren wachsende Knappheit.
Einschränkende Nutzungsauflagen sind Gegenstand heftiger Kritik. Die nun in den USA absehbaren Probleme hätten sich vermeiden lassen, wenn die Behörden frühzeitig entsprechende Auflagen für die Netzplanung gemacht hätten, mit der die Mobilfunkbetreiber das hier befürchtete Störungspotenzial minimieren könnten. Europa sollte daraus angesichts der sich weiter verknappenden Frequenzen eine Lehre ziehen; denn kritische Störszenarien sind vielfältig: Polizei, Militär, Gesundheitswesen …