Kohleausstieg wird zum Ost-West-Konflikt

Mehr Steinkohlemeiler als geplant sollen vom Netz - Sachsen-Anhalts Ministerpräsident sorgt für Hängepartie im Kanzleramt

Kohleausstieg wird zum Ost-West-Konflikt

Auf den letzten Metern wird die Einigung zum Kohleausstieg zu einer kleinlichen Neuauflage des Ost-West-Konflikts. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Haseloff verweigert dabei einen Beitrag seines Bundeslandes zu den erforderlichen Schließungen von Braunkohlekraftwerken. Den Löwenanteil liefert RWE in NRW.cru Frankfurt – Die Verhandlungen mit den Energiekonzernen RWE, Uniper und Leag über milliardenschwere Entschädigungen für vorzeitige Abschaltungen von Braunkohlekraftwerken kommen voran. Das erklärte das Bundeswirtschaftsministerium nach einem Spitzentreffen zum Kohleausstieg im Kanzleramt.Im Zentrum der letzten Verhandlungen, die am Abend mit den Ministerpräsidenten der Kohleländer geplant waren und bei Redaktionsschluss noch liefen, stand ein Ost-West-Konflikt: Regierungskreisen zufolge könnten zunächst mehr Steinkohle-Kraftwerke als eigentlich vorgesehen vom Netz gehen. Es zeichne sich ab, dass man bis Ende 2022 mehr Steinkohle-Kraftwerke vom Netz nehme, um Braunkohlemeiler im Osten zu verschonen.Damit könnte das Braunkohlekraftwerk Schkopau in Sachsen-Anhalt sowie der zugehörige Tagebau bis etwa 2030 weiterlaufen. Ministerpräsident Reiner Haseloff hatte sich vehement dafür eingesetzt. Schkopau war in den Blickpunkt gerückt, weil RWE im Westen rund 2,5 Gigawatt Kraftwerksleistung bis Ende 2022 abschalten könnte. Entschädigungen von rund 2 Mrd. Euro stehen dafür in Rede. Da die Kohlekommission der Regierung aber 3 Gigawatt bis Ende 2022 vorgesehen hat, war auch nach Standorten im Osten gesucht worden. Statt der eigentlich vorgesehen Steinkohlemeiler mit 6 Gigawatt Leistung müssten jetzt noch zusätzliche abgeschaltet werden.Für den Strukturwandel in den vom Kohleausstieg betroffenen Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt waren zuvor schon Hilfen des Bundes mit einem Umfang von 40 Mrd. Euro beschlossen worden. Das Gesetz dazu ist aber noch nicht beschlossen und ist zudem ans Kohleausstiegsgesetz gekoppelt – das wiederum an den Verhandlungen mit den Braunkohlebetreibern hängt. Sicherheiten gefordertHaseloff forderte nun, die geplante Unterstützung von 40 Mrd. Euro müsse langfristig im Bundeshaushalt verankert werden. Er favorisiere, ein Sondervermögen anzulegen: “So dass das Geld bereitliegt, egal, was passiert.” Nur dann sei sichergestellt, dass spätere Regierungen die Finanzierung nicht wieder kippten.In Deutschland gibt es derzeit noch gut 40 Gigawatt Kohlekraftwerkskapazitäten. Davon entfällt jeweils rund die Hälfte auf Braunkohle und Steinkohle. Während die vorzeitigen Abschaltungen der Braunkohlekraftwerke mit den Betreibern ausgehandelt werden, sollen die zu schließenden Steinkohlekraftwerke in umgekehrten Auktionen ermittelt werden, bei denen derjenige Betreiber den Zuschlag erhält, der für die Schließung die geringsten Subventionen fordert. Im ersten Schritt sollen bis 2022 gut 3 Gigawatt Braunkohle und 4 Gigawatt Steinkohle vom Netz.Bei der Braunkohle steuert RWE den Löwenanteil von 2,5 Gigawatt Kapazität im Rheinischen Revier bei. Der Konzern soll dafür 2 Mrd. Euro zuzüglich 700 Mill. Euro für die Frühverrentung von 3 000 Beschäftigten erhalten. Die übrigen Braunkohleentschädigungen sind noch offen, da noch nicht klar ist, ob in der ersten Runde bis Ende 2022 überhaupt etwas in Ostdeutschland abgeschaltet wird. Bis 2030 soll die Hälfte der Kohlekapazitäten abgeschaltet werden und bis 2038 alles. Erst alte SteinkohlekraftwerkeDie Kommission hatte als Fahrplan vorgegeben, erst die älteren Steinkohlekraftwerke und zuletzt die neueren Braunkohlekraftwerke vom Netz zu nehmen. Für das Mitteldeutsche Revier im Süden Sachsen-Anhalts sowie bei Leipzig bedeutet das, dass die beiden Kraftwerke der Region mit als letzte vom Netz gehen.Darauf pochte Haseloff. Der Ministerpräsident sagte, dass er dagegen sei, dass das Kraftwerk in Schkopau in seinem Bundesland zugunsten des neuen Kraftwerks Datteln in Nordrhein-Westfalen früher als geplant geschlossen werden soll. “Wir in Ostdeutschland haben fast die CO2-Einsparung für Deutschland erbracht und sollen jetzt noch mal bluten”, sagte der CDU-Politiker.Der Umweltverband BUND hatte unlängst nachgewiesen, dass die von Uniper angebotene Stilllegung aller ihrer deutschen Kohlekraftwerke wegen deren geringer Auslastung von nur 25 % im Jahr 2019 weniger real benutzter Leistung entspricht, als das neue Kraftwerk Datteln 4 nominell aufweisen würde.