Konzerne wappnen sich für neuen Rhein-Fall
Der Rhein ist einer der wichtigsten Transportwege der Industrie. Stahlwerke, Raffinerien und Chemiefabriken werden über den Fluss mit Erz, Kohle, Öl und Salz versorgt. Fällt durch die Hitze der Pegel zu stark, steht die Schifffahrt still. Inzwischen sind Konzerne wie Thyssenkrupp und BASF besser darauf vorbereitet. cru/swa Düsseldorf/Frankfurt -Entlang des Rheins forcieren große Unternehmen angesichts der Hitzewelle ihre Notfallpläne für ein mögliches neues Niedrigwasser. Vor allem für die Stahlsparte von Thyssenkrupp ist der Fluss der wichtigste Transportweg, um Erz und Kohle aus Rotterdam, Antwerpen und Amsterdam für die Hochöfen in Duisburg herbeizuschaffen. Mehr als 90 % dieser Rohstoffe kommen über den Rhein. Im Jahr 2018, als der Verkehr großer Transportschiffe auf dem Fluss zum ersten Mal seit Menschengedenken zeitweise ganz eingestellt werden musste, hatte der Konzern gegenüber seinen Kunden “höhere Gewalt” geltend machen müssen, als er wegen des Niedrigwassers einen Teil der Lieferverpflichtungen nicht einhalten konnte. Mehr als 100 Mill. Euro kostete das Niedrigwasser das Unternehmen damals. Beim Ölkonzern BP in Gelsenkirchen fehlte das Benzin für die Zapfsäulen, beim Chemiekonzern Covestro kam das Salz für die Chlorproduktion nicht an.Schon in wenigen Wochen könnte sich die Notsituation wiederholen. Weil die schrumpfenden Alpengletscher weniger Schmelzwasser abgeben und es bei großer Hitze kaum geregnet hat, ist der Pegelstand an einer kritisch niedrigen Stelle bei Kaub in der Nähe von Frankfurt auf 1,50 Meter gefallen. Die schwersten Schiffe fahren nur noch eingeschränkt. Bleibt es so heiß, können sie bald nicht mehr verkehren.Doch dieses Mal sind die Unternehmen besser vorbereitet als 2018. Sie haben sich flachere und kleinere Schiffe mit weniger Tiefgang zugelegt, vorsorglich zusätzliche Kapazitäten in Lastwagen und Güterzügen gebucht – und die Lagerhäuser gut gefüllt. All dies verursacht zusätzliche Kosten, weil der Fluss eigentlich der effizienteste Transportweg ist. Wettermodelle optimiertThyssenkrupp hat ebenso wie BASF das Frühwarnsystem intensiviert. “Dazu gehört eine Optimierung unserer Wettermodelle und ein frühzeitiger Einsatz unserer Task Force, um rechtzeitiger auf sich andeutende Niedrigwasserphasen vorbereitet zu sein, um beispielsweise zusätzlichen Schiffsraum zu buchen”, sagte ein Sprecher der Stahlsparte. Dazu gehöre eine Optimierung der Rechenmodelle, um präziser die Verfügbarkeiten verschiedener Einsatzstoffe abschätzen zu können.Zudem hat der Konzern die Kapazitäten der Umschlaglogistik im werkeigenen Hafen in Duisburg erhöht. Das sei relevant, wenn die Zahl der zu entladenden Schiffe in Niedrigwasserphasen signifikant steige, weil die einzelnen Schiffe nicht mehr voll beladen werden können und in der Folge öfter fahren müssen. Darüber hinaus werden die Lagerkapazitäten im Stahlwerk ausgebaut. “Weil dafür zunächst geeignete Flächen fehlen, ist das nicht von heute auf morgen zu machen.”Thyssenkrupp hat auch damit begonnen, langfristig neue Schiffe und andere Schiffstypen anzuschaffen. “Wir wollen durch den Einsatz von Schiffen mit weniger Tiefgang unabhängiger von niedrigen Pegelständen werden.” Gegenwärtig verfügt der Konzern über neun “Schubboote” und rund 100 vom Typ “Leichter”. Das Unternehmen hat zudem einen Kohlezug langfristig gemietet, über den 3 000 Tonnen pro Tag – von täglich benötigten 60 000 Tonnen – angeliefert werden können. “Diese Maßnahmen führen in der Summe dazu, dass wir auch bei einem Pegelstand von 1,50 Meter in Duisburg-Ruhrort 90 % unserer täglichen Roheisenkapazität produzieren können.”Auch der Chemiekonzern BASF war 2018 im Zuge der Hitzewelle von dem niedrigen Rheinpegel erheblich beeinträchtigt. Rohstoffe konnten auf dem Wasserweg teilweise nicht geliefert werden, zudem stand weniger Kühlwasser zur Verfügung. Die Produktion im Stammwerk Ludwigshafen musste eingeschränkt werden. Die Ergebnisbelastungen daraus waren 2018 auf 200 Mill. Euro geschätzt worden. Das Management hatte Maßnahmen angekündigt, damit der Konzern von einer solchen Trockenheit nicht erneut getroffen wird. “Es ist sehr viel passiert”, unterstreicht Vorstandschef Martin Brudermüller. BASF erlange früher Informationen, um die Entwicklung des Pegelstands vorherzusehen. Dabei arbeite der Konzern mit der Bundesanstalt für Gewässerkunde zusammen, habe aber auch ein eigenes Modell gebaut, um den Wasserstand im Rhein vorherzusagen. Derzeit sinke der Pegelstand, aber noch nicht in einem kritischen Ausmaß, sagt Brudermüller. Neue KühlkapazitätenBASF habe in Ludwigshafen zusätzliche Rückkühlkapazitäten geschaffen und die Temperatursteuerung verbessert. Auch in der Logistik habe der Konzern viel unternommen. Man wisse nun genau, welche Rohstoffe in einer Situation problematischer Wasserstände kritisch seien. Ein Szenario wie 2018 werde sich nicht wiederholen, bekräftigt der BASF-Chef. Der Konzern nutze die Möglichkeit, für Flachwasser geeignete Schiffe anzufordern. “Alles, was hier für den Transport verfügbar ist, hat BASF gebucht”, sagt Brudermüller. Er erwarte in den nächsten Wochen insgesamt keine kritische Situation.