RECHT UND KAPITALMARKT

Korruptionsfall Standard Bank als Blaupause

"Deferred Prosecution Agreements" ermöglichen Konzernen Verständigungslösungen mit britischen Strafverfolgungsbehörden

Korruptionsfall Standard Bank als Blaupause

Von Heiner Hugger und David Pasewaldt *)Am 30.11.2015 wurde in Großbritannien das erste sogenannte Deferred Prosecution Agreement (DPA) zwischen dem unter anderem für die Verfolgung von Korruption zuständigen Serious Fraud Office (SFO) und der Standard Bank abgeschlossen. Danach verzichtet das SFO auf eine Anklage gegen die Standard Bank wegen des Vorwurfs der unterlassenen Verhinderung von Bestechung im Zusammenhang mit einer Zahlung von 6 Mill. Dollar durch Angestellte einer Schwestergesellschaft von Standard Bank an Amtsträger in Tansania im Jahr 2013, um bei der Platzierung einer Staatsanleihe mitzuwirken. Freiwillige OffenbarungIm Gegenzug verpflichtet sich die Standard Bank zur Zahlung einer Geldstrafe (Financial Penalty) von 16,8 Mill. Dollar. Das ist das Doppelte des Bruttogewinns von 8,4 Mill. Dollar, den die Standard Bank bei der Platzierung der tansanischen Staatsanleihe erlangt hat. Zusätzlich muss die Standard Bank an das SFO diesen Bruttogewinn von 8,4 Mill. Dollar auskehren und Verfahrenskosten von 330 000 Pfund zahlen. Ferner muss sie in Höhe der in Rede stehenden korruptiven Zahlung von 6 Mill. Dollar zivilrechtlichen Schadenersatz an die Regierung von Tansania zahlen. Schließlich verpflichtet sich die Standard Bank zu einer unabhängigen Überprüfung ihrer Maßnahmen zur Anti-Korruptions-Compliance durch eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft.Vorausgegangen waren dem Abschluss des DPA eine freiwillige Offenbarung durch die Standard Bank an das SFO im April 2014 und eine daraufhin in Kooperation mit dem SFO durchgeführte interne Untersuchung des Vorgangs. Den involvierten Einzelpersonen droht allerdings weiterhin eine Strafverfolgung.Seit Juli des Jahres 2011 gilt in Großbritannien der UK Bribery Act, der nicht nur Korruptionsstraftatbestände für Einzelpersonen, sondern in § 7 auch einen Unternehmensstraftatbestand der unterlassenen Verhinderung von Bestechung (Failure of Commercial Organisations to Prevent Bribery) enthält. Danach können sich Unternehmen in Großbritannien strafbar machen, wenn eine diesem Unternehmen nahestehende Person (Asscociated Person) eine andere Person im privaten oder öffentlichen Sektor besticht und dabei zugunsten des Unternehmens handelt. Eine Strafbarkeit des Unternehmens scheidet aber aus, wenn das Unternehmen beweisen kann, dass es angemessene Prozesse (Adequate Procedures) eingeführt hat, um Korruption zu verhindern.Das Verfahren gegen die Standard Bank ist eines der ersten Verfahren in Großbritannien gegen ein Unternehmen wegen des Vorwurfs der unterlassenen Verhinderung von Bestechung. Das SFO hat dabei den Begriff der nahestehenden Person weit ausgelegt und es ausreichen lassen, dass Mitarbeiter der Schwestergesellschaft der Standard Bank in Tansania Schmiergeld gezahlt haben sollen. LeitfadenEine Rechtsgrundlage für DPAs existiert in Großbritannien erst seit Februar 2014. Seitdem besteht für bestimmte britische Strafverfolgungsbehörden die Möglichkeit, bei Ermittlungen gegen Unternehmen insbesondere wegen Korruptionsvorwürfen, aber auch bei Vorwürfen des Betrugs oder der Geldwäsche von einer Anklage abzusehen und ein DPA auszuhandeln.Wie solche Verhandlungen konkret ablaufen und welche Arten von Vereinbarungen DPAs beinhalten können, regelt im Wesentlichen ein unter anderem vom SFO veröffentlichter Leitfaden. Entscheidend dafür, ob britische Strafverfolgungsbehörden in Verhandlungen über ein DPA eintreten, ist danach, ob dem öffentlichen Interesse an einer Strafverfolgung bereits durch ein DPA hinreichend Genüge getan werden kann. Dabei wirken sich insbesondere eine frühe Selbstanzeige und eine vollständige Kooperation mit den Strafverfolgungsbehörden günstig aus, wie das SFO nun am Beispiel der Standard Bank erneut deutlich gemacht hat.Daneben sind eine Vielzahl weiterer Kriterien relevant, wie etwa die Schwere des Verstoßes, der entstandene Schaden und eventuelle frühere Verstöße des Unternehmens. Allerdings besteht für Unternehmen kein Anspruch auf Verhandlungen über ein DPA. Vielmehr handelt es sich um eine Ermessensentscheidung der Strafverfolgungsbehörden, die in der Vergangenheit wiederholt betont haben, dass eine Strafverfolgung im Wege einer Anklage gegen Unternehmen auch künftig das bevorzugte Vorgehen bleiben wird. Zu bedenken ist auch, dass durch ein DPA kein Verzicht auf eine Strafverfolgung natürlicher Personen vereinbart werden kann. Vielmehr können Strafverfolgungsbehörden mögliche Anklagen gegen beteiligte Unternehmensmitarbeiter und sonstige natürliche Personen gerade auch auf die von Unternehmen bei Umsetzung des DPA zur Verfügung gestellten Informationen und Unterlagen stützen. Lange US-TraditionIn den USA besteht die Möglichkeit zum Abschluss von DPAs mit Unternehmen schon seit über 20 Jahren. Allerdings wurde auch in den USA von Behördenseite im November 2015 verkündet, dass Unternehmen, die gegen das US-Antikorruptionsgesetz Foreign Corrupt Practices Act (FCPA) verstoßen, künftig nur noch nach einer Selbstanzeige und umfassender Kooperation in den Genuss eines DPA kommen können.In Deutschland sieht zwar ein Gesetzesentwurf des Justizministeriums von Nordrhein-Westfalen zur Einführung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen (Verbandsstrafgesetzbuch) aus dem Jahr 2013 ähnliche Vereinbarungen im Rahmen sogenannter Verbandsverwarnungen mit Strafvorbehalt vor. Doch wurde dieser Gesetzesentwurf trotz Kabinettsreife bisher nicht in den Bundesrat eingebracht, und es scheint derzeit auch nicht absehbar, ob das noch geschehen wird.Allerdings drohen auch nach bereits geltendem deutschem Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht Führungskräften Sanktionen, wenn sie erforderliche Maßnahmen gegen Korruptionsstraftaten zugunsten eines Unternehmens unterlassen. In solchen Fällen können auch gegen Unternehmen Geldbußen oder Verfallsanordnungen verhängt werden. Unternehmensgeldbußen können bis zu 10 Mill. Euro betragen und diesen Betrag auch überschreiten, wenn es zur Abschöpfung eines durch die Tat erlangten wirtschaftlichen Vorteils erforderlich ist. Auch durch Verfallsanordnungen kann bei durch Korruption erlangten Aufträgen der wirtschaftliche Gewinn abgeschöpft werden.Bei zivilrechtlichen Schadenersatzforderungen stellt die deutsche Rechtsprechung ebenfalls auf die Höhe der korruptiven Zahlung ab, da sie von einem Anscheinsbeweis dafür ausgeht, dass sie in den Angebotspreis unzulässig einkalkuliert gewesen sei. Diese Risiken können nicht nur bei reinen Inlandsfällen bestehen, sondern auch bei Fällen mit Auslandsbezug, und zwar unterdessen noch verstärkt aufgrund der am 26.11.2015 in Kraft getretenen Ausweitung der internationalen Anwendbarkeit der deutschen Straftatbestände zur Amtsträgerkorruption. Selbstanzeige wird honoriertMit dem ersten DPA in Großbritannien sind formale Vereinbarungen über eine Aussetzung der Strafverfolgung von Unternehmen nach dem Vorbild der USA nun de facto auch in Europa angekommen. Auch wenn es in Deutschland bisher kein vergleichbares formales Prozedere gibt, wird Kooperation mit Ermittlungsbehörden und eine freiwillige Offenbarung unternehmensintern aufgedeckter Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten in der Praxis auch von deutschen Ermittlungsbehörden seit langem honoriert und unterdessen auch zunehmend erwartet. Deshalb sollten Unternehmen bei Verdachtsfällen ein solches Vorgehen stets sehr ernsthaft erwägen.—-*) Dr. Heiner Hugger ist Partner und Dr. David Pasewaldt Senior Associate in der Praxisgruppe “White Collar, Regulatory & Compliance” bei Clifford Chance.