RECHT UND KAPITALMARKT

Kreditkonsortien im Visier der Kartellbehörden

Londoner Interessenverband LMA ändert Standarddokumente - Weckruf nach dem Fall Royal Bank of Scotland/Barclays

Kreditkonsortien im Visier der Kartellbehörden

Von Daniel Wiedmann und Michael Schuhmacher *)Der Finanzsektor ist infolge der Finanzkrise zunehmend ins Visier der Kartellbehörden geraten. Auch bei der Bildung von Kreditkonsortien durch Banken ist das Kartellrecht zu beachten. Hierauf hat die Loan Market Association (LMA) wieder hingewiesen. Angesichts der jüngsten Weckrufe und möglicher Sanktionen wie etwa signifikante Bußgelder, die Unwirksamkeit von Kreditverträgen und letztlich auch Schadensersatzzahlungen tun Kreditgeber gut daran, ihre kartellrechtliche Compliance bei der Bildung von Kreditkonsortien zu überprüfen.Die LMA ist ein Interessenverband mit Sitz in London, der Musterverträge für Konsortialkredite und weitere Finanzierungsdokumente entwickelt und fortwährend an Rechtsänderungen anpasst. Diese sind als Standarddokumentation auf dem europäischen Finanzierungsmarkt anerkannt. Britische BesonderheitenZuletzt hat die LMA im Februar dieses Jahres bestimmte Musterdokumente für Primärsyndizierungen aus kartellrechtlichen Gründen überarbeitet. Sie reagiert damit vorwiegend auf Besonderheiten des britischen Kartellstrafrechts. Anders als in Deutschland sind in Großbritannien Verstöße gegen das Kartellverbot auch strafrechtlich sanktioniert. Die jüngsten Änderungen der LMA-Dokumentation sollen diese strafrechtlichen Sanktionen vermeiden, nicht aber schließen sie sämtliche kartellrechtlichen Risiken bei einer gemeinsamen Kreditvergabe aus.Bereits im Vorjahr hat die LMA darauf hingewiesen, dass für Kreditkonsortien keine Ausnahme vom europäischen und britischen Kartellrecht besteht und hat zudem die Notwendigkeit von Compliance-Vorkehrungen für Kontaktaufnahmen unter Banken betont. Ein Hintergrund dürfte nicht zuletzt ein von der britischen Kartellbehörde gegen die Royal Bank of Scotland (RBS) im Jahr 2011 verhängtes Bußgeld in Höhe von rund 29 Mill. britischen Pfund gewesen sein. In demselben Verfahren konnte Barclays aufgrund der britischen Kronzeugenregelung einem Bußgeld entgehen.Die Behördenentscheidung ahndete im Wesentlichen einen Informationsaustausch zwischen den Banken über beabsichtigte Zinsen, Margen und zum Teil auch Gebühren als Verstoß gegen das europäische und britische Kartellverbot. In dem konkreten Fall hatte die RBS gegenüber Barclays zunächst ihre generelle Absicht kommuniziert, künftig bestimmte Kredite höher zu bepreisen. Dies geschah in der Erwartung, dass Barclays entsprechend handeln würde. Darüber hinaus kommunizierte RBS gegenüber Barclays ihre Preisvorstellung im Vorfeld einer Konsortialfinanzierung, obwohl der Kreditnehmer durch separates Verhandeln mit den einzelnen Banken einen Bieterwettbewerb initiieren wollte.In Deutschland ist keine Ausnahme für das Konsortialgeschäft der Banken vom Kartellrecht vorgesehen. Die letzte Ausnahmevorschrift ist im Jahr 2005, im Zuge einer Anpassung der deutschen Vorschriften an das europäische Kartellrecht, entfallen. Ein Echo auf diese Änderung blieb weitgehend aus. Vielmehr ging ein Großteil der Fachwelt, auch aufgrund schwammiger Formulierungen in der Gesetzesbegründung und einer fehlenden Fallpraxis, von einer fehlenden Relevanz des Kartellrechts für diesen Bereich aus. Erst die Verlautbarungen der LMA haben insoweit als Weckruf gewirkt.Spätestens seit den von der Europäischen Kommission gegen Banken wegen Zinskartellen (unter anderem Libor, Euribor) verhängten Bußgeldern in Milliardenhöhe, herrscht in der Branche eine erhöhte Alarmbereitschaft.Dabei besteht auch nach Wegfall besagter Ausnahmevorschrift Konsens dahingehend, dass das Konsortialgeschäft in den meisten Fällen nicht gegen das Kartellverbot verstößt. Maßgeblich sind allerdings die Umstände des Einzelfalls, wie nicht zuletzt die Entscheidung RBS/Barclays zeigt.Insbesondere kann eine Kooperation von Wettbewerbern bei der Kreditvergabe aufgrund des kartellrechtlichen Arbeits- beziehungsweise Bietergemeinschaftsgedankens wettbewerblich unschädlich sein. Der Gedanke greift, wenn erst durch die Kooperation die Kreditvergabe ermöglicht wird. Der Grundgedanke hierbei ist, dass durch das Konsortium die Marktteilnahme erst ermöglicht wird und der Wettbewerb daher nicht beschränkt werden kann. Das ist immer dann der Fall, wenn ein alleiniges Angebot aus objektiven Gründen unmöglich ist. Objektiv unmöglich ist die alleinige Kreditvergabe beispielsweise dann, wenn die gewünschte Kreditsumme die gesetzlich festgelegte Großkredit-Einzelobergrenze der Bank übersteigen würde.Der Bundesgerichtshof hat in der Vergangenheit auch eher subjektive Gründe ausreichen lassen, nämlich wenn ein alleiniges Angebot wirtschaftlich nicht zweckmäßig und kaufmännisch unvernünftig ist. Verteilung von RisikenHauptgrund für die Kooperation von Banken bei der Kreditvergabe ist die Verteilung von Kreditrisiken. Mit der Risikoverteilung geht auch eine erhebliche Kostenersparnis einher. Die Beteiligung an den lukrativen Margen großvolumiger Kredite muss nicht durch die teure Beschaffung zusätzlich haftenden Eigenkapitals erkauft werden. Ist eine Kooperation selbst kartellrechtlich unbedenklich, so gilt dies grundsätzlich auch für Sondierungen der Beteiligten im Vorfeld.Nach gegebenenfalls ebenso anwendbarem europäischem Recht ist allerdings umstritten, ob subjektive Gründe ausreichen können. Die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union hat in dieser Frage keine klaren Konturen. Auf Verwaltungsebene verlautbart die Europäische Kommission, nur objektive Gründe berücksichtigen zu wollen. In der jüngeren deutschen Rechtsprechung gibt es nun ebenfalls Tendenzen in diese Richtung.Ein Kartellrechtsverstoß kann auch dann ausgeschlossen sein, wenn der Kreditnehmer ein bestimmtes Konsortium oder bestimmte Kreditkonditionen konkret vorgibt, so dass von vorneherein kein Wettbewerb eröffnet wird. Auch hier sind die Umstände des Einzelfalls maßgeblich. Hat der Kreditnehmer hingegen das Auswahlverfahren wettbewerblich ausgestaltet, und wird wie im Fall RBS/Barclays versucht, diesen Wettbewerb durch einen Informationsaustausch zu unterlaufen, so liegt ein Kartellverstoß nahe, der auch nicht nachträglich durch Zustimmung des Kreditnehmers geheilt werden kann. Freistellung im EinzelfallSchließlich kann ein Kartellverstoß aufgrund mangelnder Spürbarkeit oder bei Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes – der sogenannten Freistellung im Einzelfall – ausscheiden. Die Spürbarkeit eines Wettbewerbsverstoßes, das heißt seine Eignung zur Marktauswirkung, wird in der Regel zunächst anhand von Marktanteilen geprüft. Bei schweren Beschränkungen wie Preisabsprachen ist schon bei niedrigen Marktanteilen eine spürbare Marktauswirkung anzunehmen. Im Fall RBS/Barclays ging die britische Kartellbehörde daher ohne Weiteres von einer Spürbarkeit der Wettbewerbsbeschränkung auf dem relevanten Markt aus.Eine Freistellung im Einzelfall erfordert im Prinzip, dass die wettbewerbsfördernden Auswirkungen einer Wettbewerbsbeschränkung die negativen Wettbewerbswirkungen überwiegen. Für die Freistellung gelten, insbesondere bei schweren Beschränkungen wie Preisabsprachen, hohe Anforderungen, für welche die Unternehmen beweispflichtig sind. Die britische Kartellbehörde sah für eine Freistellung im Fall RBS/Barclays keine Anhaltspunkte.—-*) Daniel Wiedmann und Michael Schuhmacher sind Rechtsanwälte bei der Kanzlei P+P Pöllath und Partners.