Lackmustest für flexible Frauenquote

Aktionärsschützer DSW: Von 30-Prozent-Ziel weit entfernt - Schneider wieder "mächtigster Aufsichtsrat"

Lackmustest für flexible Frauenquote

Der Appell nach einem höheren Anteil von Frauen in Aufsichtsräten findet sein Echo, mit knapp einem Fünftel ist die Quote im Kreis der Dax-30-Konzerne jedoch von politischen Zielen noch weit entfernt. Im kommenden Jahr, wo zahlreiche Mandate neu besetzt werden müssen, kommt es zum Lackmustest.swa Frankfurt – Der Trend zeigt nach oben. Der Ruf aus Politik und Gesellschaft nach mehr Vielfalt in Unternehmensgremien stößt vielerorts auf offene Ohren. In den Aufsichtsräten der Dax-30-Konzerne ist der Frauenanteil nach einer Erhebung der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) von 2006 bis 2012 von knapp 12 % auf gut 19 % gestiegen. “Damit werden inzwischen 97 der 500 Aufsichtsratsmandate im Dax 30 von Frauen gehalten”, erklärte Jella Benner-Heinacher, stellvertretende DSW-Hauptgeschäftsführerin, in einem Pressegespräch in Frankfurt. Der überwiegende Teil davon entfällt jedoch auf die Arbeitnehmerseite. Mit dieser Entwicklung seien die Firmen hierzulande noch weit von einem politisch ins Gespräch gebrachten 30-Prozent-Anteil entfernt. Der Lackmustest für die unternehmensspezifischen Lösungen kommt im nächsten Jahr, wenn laut DSW in 14 Dax-30-Unternehmen 86 Aufsichtsratsposten auf der Kapitalseite neu zu wählen sind. “Sollten danach nicht deutliche Fortschritte erkennbar sein, dann steht zu befürchten, dass die Einführung einer gesetzlichen Quote im anstehenden Bundestagswahlkampf aufgegriffen wird”, warnte Benner-Heinacher. Die DSW-Vertreterin geht davon aus, dass eine verbindliche Quotenregelung kommen wird, “ob über Berlin oder Brüssel”. Sie hoffe darauf, dass diese “genügend Spielraum für unternehmensspezifische Besonderheiten lässt”. Schlusslicht FreseniusAls “vorbildlich” lobt die DSW sechs Unternehmen, wo der Frauenanteil im Aufsichtsrat unterdessen zwischen 30 und 40 % angekommen ist. Vorreiter seien Deutsche Bank (acht Frauen bzw. 40 %), Henkel (sechs bzw. 38 %), Beiersdorf (vier bzw. 33 %), Allianz (vier bzw. 33 %, Commerzbank (sechs bzw. 30 %) und Deutsche Post (sechs bzw. 30 %). Schlusslicht ist der Gesundheitskonzern Fresenius gemeinsam mit der Dialyse-Tochter Fresenius Medical Care. In beiden Unternehmen sitzen ausschließlich Männer in den Aufsichtsräten – obwohl Fresenius mit fast 72 % den höchsten Frauenanteil in der Belegschaft hat.Im Superwahljahr 2013 haben die Konzerne nach Einschätzung der DSW nicht nur die Chance, für mehr Diversity zu sorgen, sondern in der Professionalisierung der Kontrollgremien voranzukommen. DSW-Vizepräsident Klaus Nieding forderte transparente Auswahlverfahren. “Natürlich werden wir auch fragen, wie die Kandidaten ausgesucht wurden. Gab es externe Berater oder stammen sie aus dem Netzwerk der alten Aufsichtsräte oder gar des Vorstands”, erklärte Nieding. Die Anteilseigner erwarteten, “dass ihnen genau erläutert wird, warum der oder die Nominierte für die Position qualifiziert und geeignet ist”.In der Entlohnung der Aufsichtsräte ging es 2011 deutlich bergauf. Insgesamt überwiesen die 30 Dax-Konzerne ihren Aufsichtsräten 69,7 Mill. Euro. Das waren 7,6 % mehr als ein Jahr zuvor und laut DSW fast so viel wie im Spitzenjahr 2007 (mehr als 70 Mill. Euro). Im Schnitt erhielten die Aufsichtsratschefs 298 000 Euro, ein ordentliches Mitglied musste sich mit 98 000 Euro bescheiden, erläuterte DSW-Vergütungsexpertin Christiane Hölz. Topverdiener PiëchTopverdiener war Ferdinand Piëch, der mit dem Aufsichtsratsvorsitz bei VW und MAN 1,10 Mill. Euro kassierte. Auf Platz 2 ist Gerhard Cromme (Thyssen, Siemens, Allianz) mit 1,05 Mill. vor Manfred Schneider (RWE, Linde, Bayer), der 995 000 Euro einstrich. Auf Rang 4 wird IG-Metall-Chef Berthold Huber (VW, Siemens) geführt mit 896 000 Euro – Gewerkschaftsvertreter führen ihre Aufsichtsratsbezüge großteils an die Hans-Böckler-Stiftung ab. In Summe verteilte der Wolfsburger Autokonzern VW mit 7,4 Mill. Euro (plus 38 %) den höchsten Betrag an den 20-köpfigen Aufsichtsrat (vgl. Tabelle). Im MDax liegt der Krankenhausbetreiber Rhön-Klinikum mit 2,7 Mill. für 20 Kontrolleure vorn; Eugen Münch, der Vorsitzende, war laut DSW mit 514 000 Euro der am höchsten bezahlte Aufsichtsratschef im MDax. Im SDax ist es Fred Kogel (417 000 Euro) von Constantin Medien, im TecDax liegt Kim Schindelhauer von Aixtron (348 000 Euro) vorn.Als “mächtigsten Aufsichtsrat” hierzulande charakterisieren die Aktionärsvertreter wie in den Vorjahren Manfred Schneider. Der ehemalige Bayer-Chef führt die Kontrollgremien von Bayer, Linde und RWE und hat zahlreiche Ausschussvorsitze. Bei Bayer wird er allerdings das Zepter Ende September an Werner Wenning abgeben. Von Platz 11 auf 2 vorgerückt ist Paul Achleitner, der seit Juni den Aufsichtsrat der Deutschen Bank führt und einfaches Mitglied in den Gremien von Bayer, Daimler und RWE ist. Gerhard Cromme folgt auf Rang 3 mit dem Vorsitz bei Siemens und ThyssenKrupp.