Lahmende Konjunktur treibt M&A-Appetit

Confidence Barometer von EY: Zahlreiche deutsche Großunternehmen treten die Flucht nach vorn an

Lahmende Konjunktur treibt M&A-Appetit

wb Frankfurt – Die Konjunktur lahmt, die politischen Unsicherheiten weltweit nehmen zu, und die deutschen Großunternehmen sehen immer pessimistischer in die Zukunft. Zwar gehen nach einer Befragung der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY, die der Börsen-Zeitung vorliegt, zwei von drei Unternehmen davon aus, dass sich die Weltwirtschaft kurzfristig positiv entwickelt. Aber mittelfristig überwiege Pessimismus: 80 % der deutschen Konzerne rechnen mit einer Eintrübung der Wirtschaftslage bis spätestens 2022. Weltweit sei die Stimmung deutlich besser: Von den 2 600 global befragten Unternehmen rechnet nur knapp die Hälfte mit mittelfristiger Konjunktureintrübung.Trotz der zunehmenden Besorgnis gerade unter deutschen Managern erreicht der Übernahmeappetit einen neuen Höchststand: 65 % der befragten Unternehmen in Deutschland planen, in den nächsten zwölf Monaten Zukäufe zu tätigen – der höchste Wert seit 2010, als die Befragung zum ersten Mal durchgeführt wurde. Weltweit ging der Anteil zwar ebenfalls nach oben, liegt mit 52 % aber noch deutlich unter dem Spitzenwert von 2015, als 59 % Zukäufe tätigen wollten. Das geht aus dem aktuellen Capital Confidence Barometer von EY hervor, das auf einer Umfrage unter 2 600 Managern in Großunternehmen weltweit basiert, davon 144 in Deutschland.Constantin Gall, Partner und Leiter Transaction Advisory Services von EY in Deutschland, Österreich und der Schweiz, stellt fest: “Am Konjunkturhimmel ziehen dunkle Wolken auf, gerade die deutschen Unternehmen stehen vor großen Herausforderungen, vor allem in Schlüsselindustrien wie dem Automobil- oder Maschinen- und Anlagenbau.” Obendrein bedrohten ein rasanter technologischer Wandel, die zunehmende Regulierung und neue, aggressive Wettbewerber die Geschäftsmodelle vieler deutscher Konzerne. Statt den Kopf in den Sand zu stecken und auf bessere Zeiten zu hoffen, agieren die deutschen Unternehmen: “Sie halten in dieser Situation nicht etwa ihr Geld zusammen und setzen rein defensiv auf Sparen. Im Gegenteil: Erstaunlich viele Unternehmen treten die Flucht nach vorn an und betreiben eine aktive Portfoliopolitik.” Dazu gehöre auch, dass sie bereit seien, sich von Aktivitäten zu trennen, die bisher zum Kerngeschäft gezählt wurden. Und dass an anderer Stelle hohe Summen in Zukäufe in zukunftsträchtige Geschäftsmodelle – auch außerhalb der angestammten Tätigkeiten – investiert würden. So gebe es ein Nebeneinander von Effizienz- und Kostensenkungsmaßnahmen auf der einen und steigenden Innovationsausgaben auf der anderen Seite. Insbesondere die Fähigkeit zu “Coopetition”, also einer strategischen Allianz oder Kooperation unter Wettbewerbern, werde dabei zum Schlüsselfaktor.In der stark betroffenen Autoindustrie müssten “einige Unternehmen über den eigenen Schatten springen und bereit sein, Fusionen oder Allianzen auch mit langjährigen Konkurrenten einzugehen”. Diesem Trend könnten sich deutsche Unternehmen nicht entziehen – sie müssten sogar vorn dabei sein, sagt Gall. In Deutschland gehe aktuell mehr als jeder dritte Konzern davon aus, dass die Zahl der abgeschlossenen Transaktionen in den nächsten zwölf Monaten höher ausfallen werde als 2018. Für den organischen Aufbau eigener Kompetenzen etwa in digitalen Technologien fehle häufig die Zeit: Da sei es effizienter, entsprechende Fähigkeiten zuzukaufen.