Automobilstudie

Lieferketten sind die größte Herausforderung

Berater von Alix Partners empfehlen Autoherstellern und Zulieferern, ihre Planungen besser mit Chipproduzenten abzustimmen. Das hat allerdings seinen Preis.

Lieferketten sind die größte Herausforderung

jh München

Das Beratungsunternehmen Alix Partners beurteilt die Lage der Autoindustrie auf kurze Sicht positiv, erkennt aber im anstehenden Wandel zu alternativen Antrieben große Herausforderungen. „Die kurzfristige Erholung kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Branche mittelfristig hohe finanzielle Bürden und strukturelle Änderungen bevorstehen“, sagt Marcus Kleinfeld, einer der Autoren der Studie „Global Automotive Outlook 2021“. „Die Neugestaltung der Automobilindustrie hat das Planungsstadium endgültig verlassen.“

Die Branche ist nach Ansicht von Kleinfeld und Co-Autor Jens Haas gut durch die Coronakrise gekommen. Nun stünden Strukturbrüche wieder im Mittelpunkt – unter anderem der Wandel zu Elektro- und Hybrid­fahrzeugen, der hohe Kapitalbedarf dafür, die stark steigenden Preise für Rohmaterial, Arbeit und Fracht und „Software als Diffe­renzierungs­faktor“.

Als größte Herausforderung bezeichnen es die Studienautoren, mit sinnvollen Investitionen die Wertschöpfungskette zu stärken und sich für künftige Krisen zu wappnen. Die Voraussetzungen sind aus ihrer Sicht gut: Finanziellen Spielraum gebe es dafür – dank einer höheren Liquidität, einer niedrigeren Nettoverschuldung und zum Teil höherer Umsätze und Rentabilität als vor der Coronakrise. Die Liquiditätsreserven der Autohersteller und Zulieferer in Europa seien derzeit viermal höher als 2008. Für die Hersteller komme es jetzt darauf an, die Markterholung (siehe Grafik) zu nutzen, um vor allem Lieferketten „auf eine strukturell verbesserte Basis zu stellen“.

Wichtigster Ansatzpunkt ist aus Kleinfelds Sicht, die Planung besser mit den Chipproduzenten abzustimmen. Das ist nicht einfach, denn: „Die Planungszyklen beider Seiten passen nicht zusammen.“ Die Halbleiterbranche plane Monate im Voraus, die Autohersteller deutlich kürzer. „Ihre Lieferkette ist für geringe Volumenschwankungen optimiert und auf hohe Effizienz ausgelegt“, sagt der Berater im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Eine andere Möglichkeit ist, mehr Chips auf Lager zu bestellen. Auf jeden Fall erhöhten sich die Kosten für die Fahrzeugbranche, betont Kleinfeld. Er rät davon ab, nichts zu tun und auf eine Entspannung der Lage zu warten: „Bei der nächsten starken Schwankung kommt das Problem wieder.“

Rohstoffkosten verdoppelt

Die Studienautoren verweisen zudem darauf, dass sich die Rohstoffkosten je Fahrzeug seit dem vergangenen Jahr auf durchschnittlich 3600 Dollar nahezu verdoppelt hätten. „Für 2021 wird eine leichte Entspannung erwartet, eine Rückkehr zum Vorkrisenniveau ist aber noch nicht in Sicht.“ Allein wegen der Knappheit von Halbleitern falle die Produktion von rund vier Millionen Fahrzeugen aus. Aktuell würden Ende 2020 aufgegebene Bestellungen für Chips erst im September dieses Jahres bedient. „Mit einer Entspannung der Situation wird erst 2022 gerechnet.“ Ähnlich hatte sich vor kurzem Volkmar Denner, der Vorsitzende der Geschäftsführung von Bosch, geäußert (vgl. BZ vom 8. Juni).

Die Knappheit von Chips stehe derzeit jeden Tag auf der Agenda der Branche, berichten die Berater. Haas befürchtet: „Das lenkt einige Zulieferer von langfristigen Themen ab, die deshalb zu wenig Aufmerksamkeit bekommen.“