RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: JAN BÖING

Luxemburg erneuert im Aufsichtsrecht

Ausnahmen zum Bankgeheimnis - Einführung der Online-Identifizierung

Luxemburg erneuert im Aufsichtsrecht

– Herr Dr. Böing, Sie beobachten das Aufsichtsrecht in Luxemburg. Was sind die jüngsten, für deutsche Finanzdienstleister mit Standort in Luxemburg bedeutsamen Änderungen?Es gibt zwei kürzliche Neuerungen, welche Beachtung verdienen. Die eine betrifft das Dauerthema Bankgeheimnis. Dazu liegt ein Gesetzentwurf vom 29. Juli 2016 zur Änderung von Artikel 41 des luxemburgischen Gesetzes vom 5. April 1993 zum Finanzsektor (FinanzsektorG) vor, der auf die Vereinfachung des Informationsaustausches zwischen Gruppengesellschaften und die Erhöhung der Rechtssicherheit bei der Kundenzustimmung abzielt. Die andere betrifft Änderungen im Bereich der Kundenidentifizierung durch die Einführung der Möglichkeit zur Online-Identifizierung.- Welche Neuerungen sind beim Bankgeheimnis zu erwarten?Die Neuerungen betreffen vier Punkte: Erstens wird die bisherige, in Artikel 41(5) des Finanzsektorgesetzes enthaltene Ausnahme vom Bankgeheimnis bei Datenaustausch zwischen Banken und bestimmten Finanzdienstleistern im Rahmen von Dienstleistungsverträgen auf alle Marktteilnehmer erweitert, welche unter der luxemburgischen Finanzaufsicht CSSF, der EZB oder der luxemburgischen Versicherungsaufsicht stehen. Zudem ist das Outsourcing an gruppeninterne Dienstleister in Luxemburg oder im Ausland unbeschränkt möglich. Voraussetzung dafür ist, dass der betroffene Kunde im Vorfeld bestimmte Informationen in Schriftform erhalten hat. Dazu zählen die Art der vom Outsourcing betroffenen Daten und das Land, in welchem sich der Dienstleister befindet. Weiterhin ist erforderlich, dass der Dienstleister einer gesetzlichen Vertraulichkeitspflicht unterliegt oder gegenüber dem luxemburgischen Finanzdienstleister eine solche vertraglich übernommen hat.- Was ändert sich noch?Drittens wird für das Outsourcing an gruppenexterne Dienstleister jetzt klargestellt, dass der Kunde im Voraus seine schriftliche Zustimmung gegeben haben muss und der Dienstleister einer gesetzlichen Vertraulichkeitspflicht unterliegen oder eine solche gegenüber dem luxemburgischen Finanzdienstleister übernommen haben muss. Viertens wird der gruppeninterne Informationsaustausch zur Risikosteuerung vereinfacht.- Wann wird das wirksam?Das Datum des Inkrafttretens ist derzeit noch nicht abzusehen.- Was ist neu bei der Kundenidentifizierung im Online-Verfahren?Die neuen Regeln zur Kundenidentifizierung sind in einem Fragen-/Antwortkatalog der Finanzaufsicht CSSF vom 8. April 2016 enthalten. Dadurch trägt die CSSF dem technischen Fortschritt Rechnung bei gleichzeitiger Beachtung vor allem des luxemburgischen Gesetzes vom 12. November 2004 zum Kampf gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung.- Welche Regeln sind hier zu beachten?Zunächst gelten die neuen Regeln nur zur Identifizierung natürlicher Personen. Zudem muss vor der Online-Identifizierung ein Fragebogen ausgefüllt werden, welcher es dem Finanzdienstleister ermöglicht, das Risikoniveau des Kunden einzuschätzen. Schließlich muss der Finanzdienstleister sein mit der Identifizierung befasstes Personal auf die Identifizierung durch ein spezielles Training, wie in zweifelhaften Situationen zu verfahren ist, vorbereiten und Richtlinien zur Durchführung der Identifizierung aufstellen. Der Fragen-/Antwortkatalog enthält Einzelheiten zur Durchführung der Identifizierung: Dazu gehört, dass der Kunde zu Beginn der Identifizierung eine TAN erhält, um die Liveschaltung sicherzustellen, Anforderungen an die Ausweisdokumente und Anforderungen an die Datensicherheit.- Kann der Finanzdienstleister Dritte mit der Durchführung der Online-Identifizierung befassen?Ja, ein Finanzdienstleister kann die Identifizierung entweder mit einem selbst entwickelten Programm durchführen, das Programm eines externen Dienstleisters erwerben und damit die Identifizierung selbst durchführen oder die Durchführung der Identifizierung vollständig einem unabhängigen Dritten überlassen. Im letzten Fall bleibt der Finanzdienstleister jedoch wie bisher bereits letztverantwortlich für die Einhaltung der KYC-Vorschriften.—-*) Dr. Jan Böing ist Rechtsanwalt bei Allen & Overy in Luxemburg. Die Fragen stellte Walther Becker.