M & A-Appetit von Big Pharma leicht getrübt

Hohe Preise für wachstumsträchtige Zielobjekte bringen Branche ins Dilemma - Digitalisierung fordert die Konzerne langfristig heraus

M & A-Appetit von Big Pharma leicht getrübt

Big Pharma dürfte weiter ein sehr aktiver Sektor im M & A-Markt bleiben. Rückenwind erhalten die Branchengiganten von einer besseren Ertragslage und tiefen Zinsen. Die Konzerne müssen aber auch hausgemachte Probleme anpacken.Von Dietegen Müller, FrankfurtBig Pharma steckt im Dilemma. Das Kerngeschäft schwächelt, regulatorischer Druck bremst, Biotechinnovationen mischen den Markt auf und die Digitalisierung birgt kaum einzuschätzende Risiken. Doch die Konsolidierung im Sektor wird das nicht bremsen. Er dürfte weiter zu den aktivsten gemessen am Mergers & Acquisitions-Volumen zählen. Die Unternehmensberatung EY spricht in einer Übersicht über die Entwicklung der größten 20 Pharmaunternehmen, die börsennotiert sind, von einer Wachstumslücke, die es zu schließen gelte. Riesen wie Novartis, Pfizer, Merck oder Sanofi wachsen schon länger mit geringerem Tempo als der Gesamtmarkt. So versucht Big Pharma, durch Zukäufe diese Lücke auszufüllen. Doch dies ist schwieriger geworden, sagt Pharmaexperte Siegfried Bialojan von EY: “Mit dem Eintritt von Spezialpharmaunternehmen und großen Biotechgesellschaften als Käufer hat sich der Markt grundlegend verändert.”Megadeals seien wohl keine zu erwarten, sagt Bialojan im Gespräch. Doch dürften die Pharmariesen weiter aktive Spieler bleiben und wenig rentable oder nicht effizient zu führende Bereiche abgeben. Damit können Mittel für wachstumsstärkende Zukäufe freigesetzt werden – im Idealfall. Eine Konzentration der Assets soll auch Skaleneffekte heben, sagt Bialojan und erwartet einen weiter dynamischen M & A-Markt, auch dank tiefer Zinsen. Er verweist dabei auch auf die Möglichkeit weiterer Asset-Swaps wie etwa jenem zwischen Novartis und GlaxoSmithKline.Wie die finanziellen Karten im Sektor derzeit verteilt sind, zeigt die Bewertung des Nasdaq Biotech Index, der mit dem zehnfachen Umsatz bewertet wird und die größten Wettbewerber von Big Pharma umfasst. Demgegenüber erreicht etwa der Stoxx 600 Healthcare, in dem auch große europäische Pharmakonzerne vertreten sind, laut Bloomberg-Daten ein Vierfaches des Umsatzes. David Redfern, Chief Strategy Officer des britischen Riesen GlaxoSmithKline, sagte am Mittwoch in einem Interview, die Preise für US-Biotechs seien “schaumig, aber nicht verrückt”. Es komme eine Menge Hot Money in den Sektor. Im Fokus seien deshalb vorerst keine weiteren Zukäufe, so Redfern. F & E: Europa überholt USARückenwind erhält Big Pharma von einer etwas aufgehellten Erlös- und Ergebnisentwicklung. Laut Zahlen von EY legten die Umsätze der 20 größten Pharmaunternehmen weltweit 2014 zu konstanten Wechselkursen 3,9 % auf 351 Mrd. Euro zu, das operative Ergebnis stieg um 6,3 % auf 119,7 Mrd. Euro. Das Umsatzplus von 10,8 % im US-Markt wird durch die Umsatzverdoppelung des US-Biotechriesen Gilead aber überzeichnet. “Ohne Gilead hätte das Plus in den USA nur um 4 % betragen”, sagt Bialojan. In Japan und Europa stiegen die Erlöse nur um 1 %. Europa hat dafür in den Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F & E) aufgeholt. Sie stiegen um 5,8 % auf 28,5 Mrd. Euro, in den USA um 3,4 % auf 30,5 Mrd. Euro, in Japan sanken sie um 16,9 % auf 4,9 Mrd. Euro. Die in Europa domizilierten Firmen überrundeten gemessen an der F & E-Quote von 18,3 % ihre US-Branchennachbarn mit 17,8 %.Spannend wird sein, was Big Pharma noch mit dem Thema Individualisierung der Medizin und Digitalisierung anfängt. Der steigende Einsatz der Analyse großer Datenmengen etwa in der Auswertung von Forschungs- oder Studienergebnissen stehe zwar ganz hoch auf der Agenda, sagt EY-Experte Bialojan. “Allerdings ist dabei noch zu klären, was Pharma unter Big Data genau versteht”, sagt der Branchenkenner. Das Zusammenfassen von Informationen und die Integration von Daten als ein ganzheitlicher Ansatz sei “noch nicht ganz in der Branche angekommen”. In Teilen sei wohl solches Wissen vorhanden, etwa in der Genomforschung. Doch dürfte die Branche hier noch mehr auf Kooperationspartner zurückgreifen.