Bertelsmann-Tochter

Majorel verpatzt Börsendebüt

Bei den Investoren kommt der Börsendebütant Majorel nicht gut an. Der Kurs des Callcenter-Betreibers ist am Freitag in Amsterdam nach wenigen Minuten im Handel um bis zu 7,6% auf 30,50 Euro gefallen. Dabei hatte die Bertelsmann-Tochter die Aktien mit 33 Euro am unteren Ende der Spanne zugeteilt.

Majorel verpatzt Börsendebüt

cru Frankfurt

Insgesamt erreicht der Emissionserlös beim Börsengang von Majorel, die ihren Sitz in Luxemburg hat, nur 759 Mill. Euro – anstatt der in der Spitze erhofften 900 Mill. Euro. Die Aktien aus dem Besitz der Altaktionäre Bertelsmann und Saham Group wurden im Rahmen einer Privatplatzierung zu 32 bis 39 Euro angeboten – jetzt sind es nur 33 Euro geworden. Das Unternehmen, dem selbst kein frisches Geld zufließt, wird beim Börsengang mit 3,3 Mrd. Euro bewertet.

„Das große Interesse der Investoren und die anfängliche Bewertung des Unternehmens sind Belege für die überzeugende Wachstumsstory von Majorel unter der Führung von Thomas Mackenbrock“, erklärte Bertelsmann-Chef Thomas Rabe. Zum Ausgabepreis sei die Emission vielfach überzeichnet gewesen, teilten die begleitenden Banken mit – BNP Paribas, Citigroup, J.P. Morgan, Bank of America, Goldman Sachs und UBS.

Mit dem verpatzten Handelsstart trübt sich jedoch die Stimmung für Börsengänge ein weiteres Mal ein. Nach dem Boom der IPOs im ersten Halbjahr haben laut Berenberg inzwischen neun Unternehmen in ganz Europa ihre Erstnotierung im letzten Moment noch abgesagt. Die Vorzeichen für das Dutzend an Börsenkandidaten in Deutschland verschlechtern sich damit erneut, weil die Investoren wählerischer werden.

Bertelsmann reduziert durch das Majorel-IPO ebenso wie der marokkanische Partner Saham den Anteil von jeweils 50% auf jeweils 38,1%, darf Majorel aber weiter voll in der Bilanz berücksichtigen. Rund 23% der Anteile sind nun im Streubesitz.

Aus Fusion entstanden

Der Kundenbetreuungsdienstleister war 2019 durch die Fusion der Callcenter-Aktivitäten der Bertelsmann-Tochter Arvato und des Callcenter-Betreibers Saham entstanden, die einige ihrer Geschäftsbereiche zusammenlegten, um einen Anbieter von Kundenservice-Leistungen für Unternehmen aufzubauen – darunter Callcenter.

Im ersten Halbjahr steigerte das Unternehmen den Umsatz laut Bertelsmann-Chef Rabe um 35% auf 842 Mill. Euro. Nun muss sich Bertelsmann beim IPO mit weniger Einnahmen begnügen als erhofft. Inklusive Mehrzuteilungsoption fließen an Bertelsmann für 23 Millionen neue Aktien nur rund 380 Mill. Euro, wie das Unternehmen mitteilte.

Bertelsmann bleibe strategischer Aktionär von Majorel, hieß es. Majorel ist in rund 30 Ländern mit mehr als 60000 Beschäftigten aktiv, darunter 8000 in Deutschland. Der Umsatz mit mehr als 400 Kunden, darunter mehrere globale Tech-Unternehmen, lag laut Bertelsmann-Bilanz 2019 bei 1,2 Mrd. Euro und 2020 bei rund 1,38 Mrd. Euro.

Zweitgrößter Umsatzbringer

Die Firma managt für ihre Auftraggeber Kundenbeziehungen – im Fachjargon „Customer Experience“ genannt. Die Bertelsmann-Dienstleistungssparte Arvato – zu der Majorel hinzugerechnet wird – ist in der Bertelsmann-Bilanz ein gewichtiger Konzernteil. Zu den Umsätzen innerhalb des Konzernportfolios steuerte der Bereich Arvato 2020 den zweitgrößten Posten mit rund 4,4 Mrd. Euro bei. An der Spitze steht das TV-Geschäft der RTL Group mit rund 6 Mrd. Euro, das nach und nach umgebaut wird: In europäischen Märkten sollen größere Einheiten entstehen, um im jeweiligen Markt mit TV und Streaming – in Deutschland auch unter Einbindung des Zeitschriftenverlags Gruner + Jahr – den weltweiten Streaminganbietern wie Netflix und Amazon etwas entgegensetzen zu können.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.