Mammutprozess gegen Telekom vor dem Ende
Reuters Frankfurt
In einem der größten Anlegerprozesse in Deutschland steht das Ende bevor. Die Deutsche Telekom will nach zwei Jahrzehnten mit einem Vergleichsangebot einen Schlussstrich unter den Streit mit Tausenden Kleinaktionären ziehen. Das Oberlandesgericht Frankfurt stimmte dem Vorschlag am Dienstag zu und empfahl allen Klägern, ihn anzunehmen.
Bis Mitte 2022 sollen die rund 16000 betroffenen Anleger ein Angebot von der Telekom als Entschädigung für Kursverluste beim sogenannten dritten Börsengang der Telekom erhalten. Auf den Dax-Konzern könnten Ausgaben in dreistelliger Millionenhöhe zukommen. „Der Senat legt allen Beteiligten nahe, diesen Vergleich abzuschließen“, sagte der Vorsitzende Richter Bernhard Seyderhelm.
Das Angebot sei durchdacht und die Abwicklung sehe einigermaßen überschaubar aus. „Wir begrüßen den Vorschlag ausdrücklich und werden uns für die Umsetzung einsetzen.“ Die Anwaltskanzlei Tilp, die in dem Verfahren den Musterkläger vertritt, kündigte an, das Angebot anzunehmen. „Heute ist ein sehr guter Tag für alle Telekom-Anleger“, sagte Anwalt Peter Gundermann. „Der lange Marsch durch die Instanzen ist endlich entschieden.“
Noch dieses Jahr könnten erste Vergleichszahlungen fließen. Er sei zuversichtlich, dass viele Anleger dem Angebot der Telekom zustimmten. Die Telekom zeigte sich erfreut, den Mammutprozess zu Ende bringen zu können. „Das Verfahren läuft seit 20 Jahren, und es würde auch noch ungefähr zehn Jahre weitergelaufen“, sagte die Chefjustiziarin der Telekom, Claudia Junker. „Es ist jetzt an der Zeit gewesen, dass wir dieses sehr faire Angebot machen.“
Die Telekom will Klägern, die zwischen Mai und Dezember 2000 T-Aktien gekauft haben, die ursprünglichen Kaufkosten abzüglich gezahlter Dividenden vollständig erstatten. Anlegern, die ihre Aktien zwischenzeitlich veräußert haben, solle die Differenz zwischen dem Kauf- und Verkaufspreis abzüglich Dividenden gezahlt werden. Außerdem sollen die Kläger die Prozessgebühren für Gericht und Anwalt zuzüglich Zinsen zurückerhalten.
Kurz nach dem dritten Börsengang im Jahr 2000 waren erste Klagen von Aktionären gegen die Telekom eingegangen. Sie beschwerten sich, der Konzern habe im Wertpapierprospekt falsche Angaben im Zusammenhang mit der Beteiligung am US-Unternehmen Sprint gemacht. Laut einem Urteil des Bundesgerichtshofs 2014 wurden die Risiken in Bezug auf Sprint nicht ausreichend beschrieben.
Die Anleger argumentierten, diese Falschangaben hätten zu einem Absturz der Aktie geführt, die beim dritten Börsengang zu einem Preis von 66,50 Euro angeboten worden war. Die T-Aktie stürzte in den folgenden Wochen auf weniger als 10 Euro ab und erholte sich nie mehr richtig. Derzeit kostet das im Dax notierte Papier rund 15 Euro.
Die Deutsche Telekom war 1996 an die Börse gegangen, und viele Anleger, die zuvor noch nie etwas mit Aktien am Hut hatten, rissen dem ehemaligen Staatsunternehmen die Titel aus der Hand – dies prägte damals den Begriff der „Volksaktie“. 1999 und 2000 führte die Telekom zwei weitere Aktienplatzierungen durch, konnte aber beim dritten Börsengang nicht an den Erfolg der ersten beiden anschließen. Die Fülle an Klagen, die Anfang der 2000er Jahre beim Landgericht Frankfurt eingingen, war Ausgangspunkt für den Gesetzgeber, das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) zu schaffen. Nach diesem Gesetz läuft auch ein Verfahren gegen den Autokonzern Volkswagen im Zusammenhang mit dem Abgasskandal.