Material- und Personalmangel bremsen Anlagenbau
dpa-afx/kro Frankfurt − Materialengpässe und Fachkräftemangel behindern einer Umfrage zufolge immer stärker die Produktion im deutschen Maschinen- und Anlagenbau. „87 % der Unternehmen im Maschinenbau sehen ihre Lieferketten derzeit merklich oder gravierend beeinträchtigt“, berichtete Ralph Wiechers, Chefvolkswirt des Branchenverbandes VDMA, am Montag. Im Vergleich zur vorangegangenen Erhebung hat sich die Lage den Angaben zufolge nochmals verschärft, zugleich schwindet die Hoffnung auf baldige Besserung.
Im April meldeten bereits 79 %, also fast acht von zehn der Befragten, merkliche oder gravierende Knappheiten bei der Materialversorgung. Im Juni waren es nun fast neun von zehn der 520 teilnehmenden Unternehmen. Mit einer Entschärfung der Lage innerhalb der nächsten drei Monate rechne kaum noch jemand. „Bei Elektronikkomponenten zeigen sich die Engpässe besonders hartnäckig. 44 % sehen eine bessere Versorgungslage hier erst ab dem zweiten Halbjahr 2023“, erläuterte Wiechers. Um die Probleme in den Griff zu kriegen, hat mittlerweile mehr als jedes zweite Unternehmen seine Beschaffungsstrategie bei den kritischen Rohstoffen geändert oder plant, dies in absehbarer Zeit zu tun. „Insgesamt legen die Unternehmen einen stärkeren Fokus auf die Versorgungssicherheit. Dafür erweitern 83 % der Unternehmen, die Maßnahmen initiieren oder bereits umgesetzt haben, gezielt ihr Lieferantennetzwerk“, erklärte Wiechers. Ein Großteil würde zudem die Lagerhaltung erhöhen. Vielfach versuchten die Unternehmen auch, wo dies möglich ist, auf alternative Materialien umzustellen.
Zuwanderung soll abfedern
Auch der Fachkräftemangel belastet die exportorientierte deutsche Schlüsselindustrie zunehmend. Bei der Befragung berichteten 78 % der Maschinenbauer von einem merklichen oder gravierenden Personalmangel. Lediglich 3 % der Unternehmen rechneten mit einer Entschärfung der Lage in den nächsten drei Monaten. In der Branche wird der leer gefegte Arbeitsmarkt mittlerweile als größtes Risiko angesehen − er bereitet den Firmen sogar noch größere Sorgen als die Inflation beziehungsweise die zunehmend restriktive Geldpolitik. Der KfW zufolge führt der demografische Wandel dazu, dass die Erwerbsbevölkerung zwischen 2025 und 2035 um ca. 500 000 Personen pro Jahr schrumpfen wird. „Um die vielen Facharbeiter, die in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen, adäquat zu ersetzen, müssen junge Nachwuchskräfte eine attraktive Ausbildung im Maschinenbau und eine gute Perspektive geboten bekommen“, forderte Wiechers. Dies werde aber allein nicht ausreichend sein, um den Bedarf zu decken. „Auch gezielte Zuwanderung wird notwendig sein, um die Arbeitskräftelücke zu reduzieren.“
Auf eine sich abzeichnende Verknappung von Gaslieferungen bereiten sich der Umfrage zufolge bislang 30 % der Maschinenbauer konkret vor. „Etwa drei Viertel der sich auf den Ernstfall vorbereitenden Unternehmen prüfen zunächst einmal, welche Möglichkeiten sie im eigenen Unternehmen haben, beispielsweise die Installation elektrischer oder ölbefeuerter Back-up-Systeme“, sagte Wiechers. Firmen setzten zum Teil zudem auf eine engere Abstimmung mit dem hauseigenen Netzbetreiber. Ein Drittel hat gestaffelte Notfallpläne vorbereitet.
Trotz aller Herausforderungen zeigt sich die Mehrheit der Unternehmen dennoch optimistisch. So erwarten 79 % der Umfrageteilnehmer ein Umsatzwachstum, das allerdings auch durch die Inflation getrieben sein wird. 82 % planen zudem, ihre Investitionen im Vergleich zum Vorjahr zu steigern.