Mazars hofft auf mehr Vielfalt im Prüfermarkt
Von Sabine Wadewitz, Frankfurt
Die Pandemie hat Mazars wie alle Unternehmen in den Arbeitsabläufen herausgefordert, dennoch ist die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft bislang „sehr widerstandsfähig durch die Coronakrise gekommen“, sagt Christoph Regierer, Sprecher des Management Boards in Deutschland und Mitglied im Global Executive Board. „Wir haben versucht, das strategische Moment aufzunehmen“, ergänzt er. Mazars rechne im laufenden Geschäftsjahr, das bis Ende August läuft, mit einer „weiterhin positiven Entwicklung“. Im vergangenen Turnus legte der Umsatz hierzulande um 15 % auf 182 Mill. Euro zu, global war es ein Plus von 8 % auf 1,9 Mrd. Euro.
In Deutschland war das Wachstum im vergangenen Turnus getrieben vom strategischen Ausbau der Steuer- und Rechtsberatung sowie im Beratungssegment Consulting & Advisory und daraus resultierende Mandate bei regulierten Unternehmen, im internationalen Mittelstand sowie im öffentlichen Bereich. Gewachsen ist die Gruppe auch extern durch den Wechsel der Beratungsgesellschaft Lohrmann Riehle Lätsch Durach & Partner zu Mazars, wobei 60 Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Rechtsanwälte an Bord gingen. Dazugestoßen sind zudem 25 Steuerexperten und Anwälte der Steuerberatungsgesellschaft WTS.
Das Kerngeschäft sei von der Pandemie bislang nicht beeinträchtig worden, sagt Regierer. Einen zusätzlichen Schub habe die Beratung in der Coronakrise rund um Restrukturierungen bekommen. Mit dem Thema Digitalisierung und Transformation habe sich Mazars intern wie extern intensiv befasst. Davon profitiere die Gesellschaft in hohem Maße.
SAP-Mandat kein Eisbrecher
Zusätzliche Beratung sei in Pandemiezeiten gesucht gewesen für Umstrukturierungen und im Arbeitsrecht mit Themen wie Kurzarbeit und Homeoffice. Auch die temporäre Umsatzsteuersenkung habe eine große Rolle gespielt. „Diese Beratungsbereiche haben uns stark vorangebracht“, fasst es Regierer zusammen.
Bei den Mandatsgewinnen in der Abschlussprüfung in Deutschland nennt Mazars für das abgelaufene Geschäftsjahr im Kreis der börsennotierten Kunden Shop Apotheke sowie Splendid Medien. In der aktuellen Hauptversammlungssaison ist die Gesellschaft neu als Abschlussprüfer vorgeschlagen bei Data Modul, RIB Software sowie Q Beyond, ehemals QSC. „Die Abschlussprüfung ist eine unserer wichtigen Säulen“, betont Regierer.
Das vom Konkurrenten BDO gewonnene Dax-Mandat als künftiger Abschlussprüfer von SAP betrachtet Regierer nicht als Eisbrecher für mittelständische Prüfungsgesellschaften. „Eine Prüfungsgesellschaft kann in dieses Segment nur hineingehen, wenn sie sich auf das Thema Abschlussprüfung fokussiert und ihre Systeme darauf ausrichtet“, meint er. „Insofern gibt BDO eine neue Richtung vor, aber man kann den Mandatsgewinn nicht verallgemeinern.“ Doch wer in seinen Standards und seiner internationalen Vernetzung die Anforderungen erfülle, werde „Chancen im obersten Regulierungssegment bekommen“, zeigt sich Regierer überzeugt.
Neuer Markenauftritt
Trotz Pandemie hat Mazars einen neuen Markenauftritt eingeläutet und im Herbst vergangenen Jahres in mehr als 90 Ländern ausgerollt. Mit der neuen Marke verbunden sei nicht nur ein neues Logo, sondern das Versprechen, Verantwortung für Nachhaltigkeit zu übernehmen und sich für eine gerechte und prosperierende Welt einzusetzen, erklärt der Manager. Um sich ein Bild über die Kernprinzipien zu verschaffen, seien 7000 Mitarbeitende und 800 Mandanten befragt worden, für welche Werte Mazars einstehen solle. Auf dieser Basis seien zudem weltweit CEOs und CFOs befragt worden, wie sie sich die Zukunft der Wirtschaftsprüfung vorstellen.
Hier habe sich gezeigt, dass bei den Mandanten ein hohes Interesse an einer Reform des Wirtschaftsprüfungsmarktes bestehe. Diese Ansicht sei in Deutschland besonders ausgeprägt, was aus Sicht von Mazars verdeutlicht, dass der hiesige Finanzplatz nach dem Fall Wirecard sehr gelitten habe. Die befragten Führungskräfte wünschten mehr Vielfalt im Markt, um die Qualität der Prüfungen sicherzustellen, deutet Regierer die Ergebnisse der Umfrage. Zudem werde Multidisziplinarität der Prüfenden befürwortet und eine Ausweitung der Abschlussprüfung auf die nichtfinanzielle Berichterstattung – etwa über Klimarisiken, Diversität und Menschenrechte.
An den Strukturen im Prüfermarkt wird die politische Aufarbeitung des Wirecard-Skandals aus Sicht von Mazars nichts Grundlegendes verändern. Das Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG) hält Regierer nicht für zielführend. Doch er geht davon aus, dass sich die Diskussion über Marktvielfalt und die Rolle der Wirtschaftsprüfung im System von Corporate Governance und Compliance intensiv fortsetzen wird. „Nicht kurzfristig, aber perspektivisch wird es für die größeren mittelständischen Prüfungsgesellschaften neue Chancen im Markt geben – in der Abschlussprüfung und in der Beratung.“
Die im FISG vorgesehene Haftungsverschärfung für Wirtschaftsprüfer stelle auch für Mazars eine Herausforderung dar, sagt Regierer. Kritisch sieht er die neue Regelung, bei grober Fahrlässigkeit eine unbegrenzte Haftung vorzusehen. Es stehe zu befürchten, dass es durch die persönlichen Haftungsrisiken immer schwieriger werde, junge Leute für den Beruf zu begeistern. Regierer hatte befürwortet, beim bisherigen Haftungsregime zu bleiben. „Man muss über die Sanktionierung nachdenken, aber eine Verengung des Marktes danach, wer die größeren Haftungstöpfe hat, steht einer Entwicklung zu mehr Vielfalt entgegen“, gibt er zu bedenken.
Mazars ist mit seinem Hauptsitz in Frankreich eine Verfechterin von Joint Audits – in dem Land ist die gemeinsame Abschlussprüfung durch zwei unabhängige Prüfungsgesellschaften seit langem für börsennotierte Gesellschaften verpflichtend. Regierer verweist auf Großbritannien, wo das Financial Reporting Council „Managed Shared Audits“ vorgeschlagen hat. Danach wären die Unternehmen gezwungen, in Konzernprüfungen bis zu einem Drittel des Prüfungsauftrags und des Honorars an einen kleineren Wettbewerber der vier Marktführer KPMG, PwC, EY und Deloitte zu geben.
Debatte läuft weiter
„Es wird unterschiedliche Ansätze geben, um Vielfalt im Markt zu fördern“, sagt Regierer. Die von der EU-Regulierung vor Jahren angestoßene Rotationsregelung habe die Marktkonzentration dagegen erhöht. „Ich würde mir wünschen, dass wir in einer FISG-II-Debatte nach der Bundestagswahl mit wissenschaftlicher Unterstützung überlegen, was der Markt braucht, um im Gesamtkomplex der Governance ein vernünftiges Angebot von Wirtschaftsprüfern zu ermöglichen.“