Medios schaut sich nach Akquisitionen um
Von Sabine Wadewitz, Frankfurt
Mit dem Kauf der Cranach Pharma ist der Übernahmehunger des Berliner Spezialpharmahändlers- und herstellers Medios nicht gestillt. „Wir haben noch ein paar andere Unternehmen auf unserer Shortlist, mit denen wir in Gesprächen sind“, sagt CEO und CFO Matthias Gärtner. Der Manager geht davon aus, dass sich die Konsolidierung im Markt fortsetzt „und das eine oder andere Labor“ übernommen werden kann. Den finanziellen Spielraum für Akquisitionen sieht Gärtner ohne Inanspruchnahme von Eigenkapital bei 100 Mill. Euro. Das SDax-Unternehmen will aber auch organisch weiterhin zweistellig zulegen, indem noch mehr spezialisierte Apotheken als Kunden gewonnen werden.
Cranach ist ein Pharmagroßhändler für individuell auf Patienten zugeschnittene Therapien. Es gebe eine Vielzahl von Synergien, weil sowohl Cranach als auch Medios spezielle Apotheken beliefert. „Wir ergänzen uns sehr gut“, sagt Gärtner.
Medios hat sich in einer Nische etabliert mit der Zusammenstellung individueller Therapien für Patienten mit chronischen und seltenen Erkrankungen. Das Unternehmen stellt zum Beispiel spezielle Infusionslösungen zusammen für die Chemotherapie oder zur Behandlung von HIV, Rheuma oder neurologischen Erkrankungen. Dabei produziert Medios selbst keine Wirkstoffe, sondern nutzt Substanzen der Pharmaindustrie für den individuellen Einsatz. „Wir gehen weg von der klassischen Medizin mit Standardtherapien zur individuellen Analyse von Behandlungen unter Berücksichtigung von Eigenschaften wie Körpergewicht oder Blutbild“, sagt Gärtner.
Im Angebot hat Medios nicht allein Infusionen und Spritzen, das Tochterunternehmen Kölsche Blister bietet für Krankenhäuser, Pflege- und Altenheime die Vorsortierung von Tabletten für die individuelle Tagesdosis von Medikamenten an. In der Medios-Gruppe arbeiten 300 Mitarbeiter, davon sind gut die Hälfte in Laboren beschäftigt.
Breite Diversifikation
Kunden sind überwiegend spezialisierte Apotheken, die auf individuelle Therapien ausgerichtet sind. Dieses Know-how halten nach Angaben von Gärtner 1000 der rund 19000 Pharmazien in Deutschland vor. Zum Kundenkreis von Medios zählen nun mit der Cranach-Übernahme 500 dieser Einheiten. Es sei in Deutschland gesetzlich vorgeschrieben, dass solche Arzneimittel nur von Spezial-Apotheken angeboten werden dürfen. Finale Abnehmer sind Ärzte und Infusionszentren, wo die Patienten die Arznei verabreicht bekommen.
Als größere Konkurrenten verweist Gärtner auf Omnicare Pharma, ein Kooperationsunternehmen deutscher Apotheken, das Ende 2019 mehrheitlich vom Private-Equity-Haus Equistone übernommen wurde, sowie auf Zytoservice. Beide Wettbewerber seien vor allem auf Chemotherapie fokussiert, die Onkologie mache bei Medios ein Drittel des Konzernergebnisses vor Steuern aus. Medios sei größer und hebe sich mit einer breiten Diversifikation ab. Viele Anbieter konzentrierten sich auf Chemotherapien, weil dies das größte Segment im Markt für Spezialpharmazeutika sei. Das Marktvolumen in Deutschland gibt der Manager für 2020 mit 16 Mrd. Euro an, davon entfallen etwa 3,5 Mrd. allein auf die Onkologie. Medios hat sich dagegen auf derzeit sechs Indikationen ausgerichtet und bezeichnet sich als größten „Specialty-Pharma“-Anbieter in Deutschland. Dabei setzt das Unternehmen rund 1000 Spezialarzneimittel ein, die gehandelt und weiterverarbeitet werden. Der Arzneimittelhandel steuert mehr als die Hälfte zum Ergebnis vor Steuern bei.
Medios ist seit 2015 im Umsatz jedes Jahr durchschnittlich um annähernd 50% gewachsen. Der Markt sei sehr dynamisch und konsolidiere stark, deshalb sei es schwierig, eine mittelfristige Prognose abzugeben. „Wir können aufgrund der zunehmenden Größe nicht kontinuierlich mit 50% weiterwachsen, aber wir werden uns auch nicht mit dem Marktwachstum, das derzeit rund 10% erreicht, zufriedengeben“, sagt der Konzernchef.
2020 bezeichnet Gärtner als gutes Jahr, wenn auch nicht so gut wie anfangs erwartet. Die Prognose musste Anfang August nach dem schwierigen zweiten Quartal wegen negativer Effekte aus der Corona-Pandemie angepasst werden. Das Geschäft hat sich danach erholt, zumal es im Geschäft von Medios weitgehend um die Behandlung chronischer Krankheiten geht, so dass die Therapien weiterlaufen.
Zwei Großaktionäre
Im Turnus 2020 hat Medios den Umsatz um 21,1% auf 626 Mill. Euro ausgebaut. Das um Sonderaufwendungen bereinigte Ergebnis vor Steuern ist von 16,2 Mill. auf 11,8 Mill. Euro rückläufig. Im laufenden Jahr sorgt der Erwerb von Cranach für Schub, so dass der Konzernumsatz auf 1,15 bis 1,20 Mrd. Euro verdoppelt werden soll. Für das bereinigte Ergebnis vor Steuern peilt der Vorstand 30 Mill. Euro an. Die Prognose für 2021 fällt nun optimistischer aus als die Vorhersage zum Zeitpunkt der Akquisition von Cranach. „Die ersten Monate stimmen uns sehr zuversichtlich“, sagt Gärtner. Er geht davon aus, dass sich die ergebnisbelastenden Sondereffekte aus der Corona-Pandemie im Jahresverlauf „weiter abschwächen werden“.
Medios war Anfang September 2020 in den SDax aufgerückt. Zuvor war der Streubesitz durch eine Umplatzierung von Aktien des Gründers Manfred Schneider erhöht worden und der Wechsel in den Prime Standard vollzogen worden. Der Arzneimittelgroßhändler Cranach war über eine Sachkapitalerhöhung erworben worden, so dass nun Cranach-Gründer Martin Hesse größter Anteilseigner ist. Das Unternehmen hat aktuell einen Börsenwert von 760 Mill. Euro.
In der Corporate Governance hinkt Medios noch hinterher mit zahlreichen Abweichungen von den Vorgaben des Deutschen Corporate Governance Kodex. Der Aufsichtsrat besteht aus drei Mitgliedern, im Gremium ist keine Frau und es gibt keinen Prüfungsausschuss.