Lieferdienst

Meituan muss kürzertreten

Chinas führende Plattform für Essenslieferungen und andere sogenannte On-Demand-Internetdienste, Meituan, wird zusehends von der Pandemie gebremst.

Meituan muss kürzertreten

nh Schanghai

Chinas führende Plattform für Essenslieferungen und andere sogenannte On-Demand-Internetdienste Meituan reiht sich in den Trend von chinesischen Technologiefirmen und App-Betreibern ein, die aufgrund konjunktureller sowie regulatorischer Faktoren unter ge­drosseltem Wachstumstempo leiden. Im Quartal zum 31. März kommt Meituan auf einen immer noch stattlichen Anstieg der Konzernerlöse um 25% auf 46,3 Mrd. Yuan (6,4 Mrd. Euro), dies bedeutet aber die schwächste Expansionsrate seit dem Frühlingsquartal 2020, als Chinas Konsumwirtschaft noch den ersten Pandemieschock zu verdauen hatte.

Der von einem Break-even noch weit entfernte Tech-Riese ist auch beim Verlustabbau nicht vorangekommen. Vielmehr erhöhte sich der Periodenverlust mit 5,7 Mrd. Yuan nach 4,8 Mrd. im Vorjahresquartal noch einmal beträchtlich. Dabei machen sich vor allem kräftige Kostenschübe für den Aufbau eines eigenen E-Commerce-Geschäfts für lokale Frischwarendienste und eine Gruppenkaufplattform bemerkbar.

Angesichts der erheblichen Beeinträchtigungen durch einen zweimonatigen Lockdown in Schanghai und Corona-Restriktionen in zahlreichen anderen chinesischen Großstädten sieht Meituan nun im laufenden Quartal einem wesentlich stärkeren Bremseffekt entgegen. Wie die in Schanghai beheimatete Meituan bei der Zahlenvorlage erklärte, haben die im März begonnenen Sperren sich im bereits zurückliegenden Quartal negativ bemerkbar gemacht, dürften in der laufenden Quartalsperiode entsprechend heftiger ins Kontor schlagen. Meituan zufolge ist das Essensliefergeschäft im Lockdown-Monat April für den Raum Schanghai um 90% eingebrochen.

Meituan rechnet damit, dass sich das Konsumklima rasch wieder erholen wird und der Konzern „nach Pandemieende“ zu gewohntem Wachstum zurückfinden wird. Bei chinesischen Konsumanalysten jedoch wird der Optimismus nur sehr bedingt geteilt. Zum einen, weil die chinesische Regierung dauerhaft an der sogenannten Zero-Covid-Politik festhalten will, so dass auch in Zukunft selbst bei geringfügigen Neuansteckungen mit harten Restriktionsmaßnahmen geantwortet wird. Zum anderen, weil sich auch nach der ersten Pandemiewelle vom Winter 2020 feststellen ließ, dass die Konsumkonjunktur nicht mehr zu präpandemischer Stärke zurückgefunden hat.

Marktteilnehmer sehen Meituan als wichtigen Gradmesser für die Verfassung der chinesischen „Plattformwirtschaft“ mit Massenkundenzulauf an, deren Geschäftsmodelle vor allem auch durch Einschnitte der Regierung im Rahmen einer im vergangenen Jahr losgetretenen Regulierungskampagne für den Tech-Sektor harten Anpassungen unterliegen. Bisher ist Meituan bei Strafen für „Marktordnungsverstöße“ relativ glimpflich weggekommen, aber es drohen zunehmend Eingriffe des Staates etwa auf Ebene der von Restaurants abverlangten Gebühren oder Arbeitsbedingungen für Meituan-Kuriere.

Die in Hongkong gelistete Meituan-Aktie war in den ersten Monaten des Jahres schwer eingebrochen und zur Märzmitte auf ein Allzeittief bei 106 HK-Dollar abgesackt. Danach allerdings verzeichnete Meituan die kräftigste Erholungsbewegung unter den großen chinesischen Tech-Werten und notiert nun wieder nahe bei 180 HK-Dollar.

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