Mercedes-Benz erwägt Verkauf des Stammwerks

Adios, Argentina!

In Argentinien kursieren seit einiger Zeit Berichte, dass Mercedes-Benz das Werk für den „Sprinter“ verkaufen will. Das Unternehmen äußert sich nicht dazu. Als mögliche Kaufinteressenten werden chinesische Unternehmen ins Spiel gebracht.

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Mercedes-Benz wird angeblich Stammwerk für Transporter nahe Buenos Aires verkaufen − Künftig soll dort nur noch Daimler Truck produzieren

Von Andreas Fink, Buenos Aires

In Argentinien kursieren seit einiger Zeit Berichte, dass Mercedes-Benz das Werk für den „Sprinter“ verkaufen will. Das Unternehmen äußert sich nicht dazu. Als mögliche Kaufinteressenten werden chinesische Unternehmen ins Spiel gebracht. Auch Norberto Milei, der Vater von Staatspräsident Javier Milei, soll eine Rolle spielen.

Mercedes-Benz plant argentinischen Medienberichten zufolge den Verkauf des Stammwerks in Argentinien. In der Fabrik, die etwa 20 Kilometer südwestlich der Stadtgrenze im Viertel Virrey del Pino liegt, arbeitet ein Großteil der 2.000 festangestellten Mitarbeiter des Konzerns. Dort wird der Transporter „Sprinter“ produziert, für die gesamte Region.

Es war das erste Mercedes-Werk außerhalb Deutschlands, im Jahr 1951 war Argentinien noch ein Hoffnungsmarkt. Heute gilt das offenbar nur noch zum Teil. Denn nach der Aufspaltung des Daimler-Konzerns in Mercedes-Benz mit Pkw und Vans, zu denen der Sprinter zählt, und den Nutzfahrzeughersteller Daimler Truck AG sollen in der Pampa nur noch Lastwagen und Busse produziert werden. In diesen Sektoren ist Daimler Truck Marktführer in Argentinien und Brasilien.

Neues Werk für Lkw und Busse

Für die Lastwagen und Busse errichtet der Konzern gerade ein neues Werk in der Stadt Zárate, etwa 90 Kilometer nördlich der Hauptstadtzone, wo auch Toyota und Honda produzieren.100 Mill. Euro werden dort investiert. Aus unternehmensnahen Kreisen war zu erfahren, dass die Übersiedelung auch erfolgt, weil der Konzern im Stammwerk zunehmend Schwierigkeiten mit der Rekrutierung von Fachpersonal bekam. Die Fabrik entstand dereinst auf der grünen Wiese. Heute ist sie eingekreist von Armenvierteln, wo die Sicherheitslage prekär geworden ist.

Künftig nur noch mit E-Motor

Vor einigen Monaten hatte Mercedes-Benz Spekulationen über einen Rückzug noch dementiert, jetzt heißt es: „Wir können Gerüchte nicht kommentieren.“ Die Zweifel am Verbleib von Mercedes entzündeten sich, nachdem der Konzern entschieden hatte, den Sprinter von 2029 an ausschließlich mit Elektromotoren auszustatten. Das erfordert ein vollkommen neues Fahrzeugkonzept, welches Mercedes wohl in den USA realisieren will.

Die Elektrifizierung steht in Südamerika bestenfalls ganz am Anfang. Weil Argentinien große Vorkommen an Schiefergas und -öl- besitzt, fehlt ein Antrieb für eine Elektro-Wende. Zudem hat sich Präsident Javier Milei immer wieder äußerst kritisch über den UN-Klimapakt geäußert. Daher könnte es sein, dass die Fabrik in Virrey del Pino weiter konventionelle Fahrzeuge baut, auch wenn der Mercedes-Stern vom Dach verschwinden wird.

Subventionen auf Feuerland

Wie mehrere Medien berichten, führt der Konzern seit Monaten Übernahme-Gespräche. Zu den prominentesten Bewerbern gehören der Newsan-Konzern unter Rubén Cherñajovsky sowie Mirgor, geleitet von Nicolás Caputo. Beide Konzerne erwerben erhebliche Finanzkraft mit Montagefabriken auf der Insel Feuerland, die mit generösen Steuerbefreiungen subventioniert werden. Gegen diese beiden Unternehmen spricht, dass sie bislang vor allem Elektronik und Textilien hergestellt haben und keine Erfahrung mit dem Bau von Automobilen mitbringen, was der Absicht von Mercedes zuwiderlaufen könnte. Denn der Konzern möchte, dass der Käufer den konventionellen Sprinter noch unter Lizenz bis 2029 weiterbaut.

Danach solle der Käufer Fahrzeuge aus eigener Entwicklung herstellen. Diese Anforderungen scheinen Fahrzeughersteller zu bevorzugen. Infrage kommen chinesische Konzerne, die auf den südamerikanischen Markt drängen. In Brasilien hat BYD vor kurzem das frühere Ford-Werk nördlich der Hafenstadt Bahia übernommen. Nun heißt es, dieses Unternehmen habe auch mit Mercedes Gespräche geführt.

Kehrtwende des Präsidenten

Womöglich könnten sich chinesische Investoren lokale Partner suchen. Ein weiterer Gesprächspartner von Mercedes soll die Unternehmensgruppe Dota gewesen sein, der größte Betreiber privater Buslinien im Großraum Buenos Aires. Diesem Konglomerat eng verbunden ist Norberto Milei, der Vater von Präsident Javier Milei. Dieser hatte vor zehn Tagen überrascht mit der Aussage: „China ist ein sehr interessanter Geschäftspartner.“ Zuvor hatte Milei jahrelang immer wieder massiv gegen China gewettert.

Während die Branche spekuliert, ob das Interesse des Vaters den Gesinnungswandel von Milei beeinflusst haben könnte, ist über die finanziellen Bedingungen des Übernahmegeschäfts noch nichts zu erfahren. Es ist unklar, ob der übernehmende Konzern Mittel aufbringen muss. Oder ob es eine Regelung ohne Geldflüsse gibt, die aber die Käufer verpflichtet, Infrastruktur und Personal zu behalten. Womöglich stellt Mercedes-Benz selbst Geld bereit, um den Übergang zu erleichtern. Das könnte den Konzern unter Umständen weniger kosten, als die Produktionsstätten zu schließen.

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